Leben und Sterben der Juden in Velbert
Lange hat sich Dr. Eduard Neumer vor diesem Projekt gewunden. „Ich bin mit Angst an das Buch herangegangen“, gibt der 86-jährige Historiker zu. Doch er wusste, dass diese wissenschaftliche Arbeit über „Leben und Sterben der Juden in Velbert“ geschrieben werden musste. Und sie wurde: Zusammen mit dem Langenberger Theologen und Schulpfarrer Frank Overhoff stellte Neumer das neue Werk – Titel: „Nichts verschweigen – konkret reden“ – gestern im Stadtarchiv vor (zu beziehen über den Buchhandel: 18,90 Euro).
Ein hartes Jahr Arbeit liegt hinter dem pensionierten Oberstudiendirektor. Nicht, dass dem gebürtigen Franken bei rund 19 bislang verfassten Büchern und Aufsätzen die Routine gefehlt hätte. „Das Thema hat mich persönlich betroffen, ich habe selbst die Zeit der Judenverfolgung bewusst miterlebt“, erzählt Dr. Neumer. Um jeden jüdischen Velberter, der während des Schreibens als Opfer in seinem Geschichtsbericht lebendig geworden sei, habe er getrauert, berichtet er. „Ich habe Scham empfunden“, sagt er und klagt: „Warum habe ich das nicht früher gefühlt?“.
Die Mitarbeit von Frank Overhoff habe ihm die Aufgabe wesentlich erleichtert. Während Neumer in zwölf Kapiteln den Werdegang, Entwicklung und Untergang der jüdischen Gemeinde Velberts (ohne Neviges und Langenberg) von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges beschreibt, fügt der Langenberger Theologe biografische Skizzen von jüdischen Opfern aus Heiligenhaus, Langenberg, Neviges, Velbert und Wülfrath hinzu. „Die Volkszählung von 1933 weist aus, dass zu dieser Zeit 68 Juden in Velbert lebten – das waren am Vorabend des Ersten Weltkrieges noch fast hundert“, so Overhoff.
Bei seinen biografischen Skizzen habe er Wert darauf gelegt, ähnlich wie im Gedenkbuch des Bundesarchivs möglichst viele persönliche Daten der einzelnen Personen zu sammeln – und nicht Lebensberichte zu verfassen. „Ich habe in Beständen ehemaliger Stadtverwaltungen etwa von Neviges und Langenberg nachgeforscht, auch Melderegister anderer Städte bemüht, um die vielen kleinen Informationen zusammen zu bekommen“, berichtet Frank Overhoff. So sei auch die Jüdische Begegnungsstätte in der Elberfelder Genügsamkeitsstraße ein wichtiger Fundort auch für Fotos gewesen.
Worin liegt die Bedeutung des Geschichtsbuches, das großzügig vom Bergischen Geschichtsverein Velbert-Hardenberg unterstützt und vom Scala-Verlag verlegt wird? „Es sind fast unüberschaubar viele Forschungsberichte über die Juden in der Zeit des Nationalsozialismus erschienen“, so der Geschichtsvereinsvorsitzende Werner Fischer-Feldsee – „aber wenige nur mit lokalgeschichtlicher Optik. Das Buch ist für dieses Thema ein wichtiger Beitrag.“
Eduard Neumer ist wenig optimistisch, wenn es um das Geschichtsbewusstsein künftiger Generationen geht. „Das Interesse am Thema nimmt ab, dagegen habe ich immer zu arbeiten versucht“, resümiert er. Overhoff sieht das anders: „Immer wieder gibt es Ignoranz, aber ich spüre im Unterricht auch viel Interesse für den NS-Genozid an den Juden. Ich sehe unsere Aufgabe so: Wir säen für historisches Bewusstsein.“ Angeblich will sich Bürgermeister Stefan Freitag dafür einsetzen, dass das Buch Eingang findet an Velberter Schulen.