Velbert. .
Babylon_wiederaufgebaut, ein „Oratorium über die Sprache der Macht, die Macht der Sprache und die globa(l)bylonische Verwirrung“ der Spezialsprachen – hört sich wild an. Heute Abend um 23.05 Uhr sendet WDR 3 diese Collage.
Sie will ihre Hörer auf humorige Weise sensibilisieren dafür, wer mittels Sprache Macht auf uns ausübt und wie. Zwei der fünf Autoren sind Velberter: Religionslehrer und Lyriker Frank Overhoff und Komponist/Kontrabassist Alois Kott.
Mit Babylon beginnt und endet die Sendung, die alte Bibel-Geschichte (Genesis 11) rahmt den Zusammenschnitt und lenkt den Blick. „Alle Menschen hatten die gleiche Sprache und gebrauchten die gleichen Worte“, heißt es und später: „Auf, steigen wir hinab und verwirren wir dort ihre Sprache, so dass keiner mehr die Sprache des anderen versteht. Der Herr zerstreute sie von dort aus über die ganze Erde und sie hörten auf, an der Stadt zu bauen.“
Overhoff erklärt die Ausgangsidee, eine These aus der Bibelforschung: „Aus Sicht des kleinen Volkes Israel benutzte das große Volk der Babylonier seine Sprache als Machtmittel, um eine Völkervielfalt unter einer gemeinsamen Sprache zu einen. Unsere Idee war, dieses Babylon im Heute zu finden. Wirtschaft, Politik, Computersprech, sie nennen uns Endkunde, Bürger, User. Wir fragen uns: Wie werde ich da zur Sprache gebracht? Überall sind Mächte am Werk, die uns ihre Sprache aufdrücken wollen. Die Politik nutzt sie etwa als Machtmittel: Wer hat die Hoheit, ein Problem zu definieren?“
Die fünf Autoren sammelten, diskutierten, montierten, bearbeiteten. Der Anspruch: „Wir zeigen dir, Hörer, einfach mal, was in dieser Hinsicht in unserem Alltag los ist.“ Für solch ein Panorama liegt die Collagenform nahe. Texter Overhoff verarbeitete fremde Texte und schrieb eigene. Zwei Stellenanzeigen voller Anglizismen mischte er durcheinander – daraus wurde eine ganz neue. Einen wissenschaftlichen Text fingierte er, extra verquast, so zeigt er schön die „Absurdität einer Wissenschaft, die überhaupt nicht mehr daran denkt, was für einen Erkenntniswert sie hat.“
„Nachdenklich und humorvoll“ sei das entstehende Gesamtbild, es richte sich an Intellekt und Gefühl zugleich und „lädt ein zum Lachen und zum Widerspruch“. Viermal haben sie ihre Collage live erprobt: in Dortmund, Essen, Mülheim und Velbert. Ein Velberter Zuschauer habe ihnen im Anschluss gesagt, das Fachchinesisch sei ihm noch mal richtig deutlich geworden,
Die Autoren legen großen Wert darauf, dass Musik und Text gleichrangig bleiben, keines soll das andere dominieren. Die zwei Kunstformen sprechen miteinander, sagt Overhoff, „eine Webseite listet die neuesten Trends der Werbesprache auf. Ich nahm sie als Rohmaterial für ein Gedicht. Die Musiker nahmen meinen Text und kommentierten ihn mit ihren Instrumenten. In einem anderen Fall versuchten sie, eine Wand aus Sprache zu erzeugen. Ich habe mich gefragt: Gibt es Texte, die dazu passen?“ Manche Texte sind selbst musikalische Elemente, etwa ein dadaistisches (= sinnfrei-lautmalerisches) Gedicht von Erik Satie. Satie kennt man eher für seine Gymnopédies, Salonmusik für Klavier.
Das Projekt versteht sich nicht als elitär, betont Frank Overhoff: „Als Hörer in Frage kommt jeder Erwachsene, der bereit ist, sich mal Fragen zu stellen.“ Das aber sei kein Ausschlusskriterium, „weil ich denke, das sollte jeder tun. Es richtet sich also an jeden. Wir alle sprechen miteinander übereinander, keiner lebt allein. Ständig kann man sich fragen: Was sage ich? Wem sage ich es? Und von wem lasse ich mir etwas sagen?“