Velbert. .

Kein Foto, kein Name, kein Alter, keine Nationalität: Fünf große Firmen testen seit Donnerstag in einem Pilotprojekt die anonyme Bewerbung. Zählen soll allein die Qualifikation der Bewerber.

Wie stehen Velberter Unternehmen zu der anonymen Personalauswahl?

Die Stadt Velbert selbst steht der Idee der anonymen Bewerbung generell offen gegenüber, erklärt Sprecher Hans-Joachim Blißenbach auf WAZ-Anfrage. „Wir wollen aber das Ergebnis des Pilotprojekts erst einmal abwarten, bevor wir so etwas einführen.“

Den meisten Nutzen ziehe man ohnehin nicht aus Name, Foto, Geburtsdatum oder Nationalität eines Bewerbers, sondern aus dessen Anschreiben und Lebenslauf, betont der Stadtsprecher. „Bei uns ist es beispielsweise so, dass wir auch über 50-Jährige einstellen – wegen der geringeren Einarbeitungszeit“, sagt Blißenbach. „Wir legen Wert auf eine gesunde Mischung.“

Enorm wichtig, so der Stadtsprecher, sei bei Bewerbungen das Anschreiben. Das werde zusammen mit dem Lebenslauf der Stellenbeschreibung gegenüber gestellt. „Aber man muss natürlich immer von Fall zu Fall entscheiden.“ Das Pilotprojekt „Anonyme Bewerbung“ beobachte man auf jeden Fall „mit Interesse“.

Längst umgesetzt sei die Chancengleichheit bei der Sparkasse, erklärt deren Sprecher Jochen Schäfer. „Die anonyme Bewerbung wurde bei uns diskutiert, ist aber für uns kein Thema.“ Im Haus würden ohnehin andere Kriterien zählen als Nationalität oder Religion, die beide keine Rolle spielten. „Wir haben einen hohen Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund, der dem Schnitt der Bevölkerung entspricht“, betont Schäfer.

Bei einer Bewerbung, so Schäfer, zählten neben Zeugnissen und Lebenslauf vor allem „gute alte Tugenden“ wie Freundlichkeit, guter Umgangston, Motivation und Leistungsbereitschaft. „Es gilt aber bei uns: Gleiche Chancen für alle.“

„Ich glaube nicht, dass es bei uns eine Rolle spielt, ob jemand schwarz, gelb oder weiß, groß oder klein, dick oder dünn ist“, kommentiert Ute Hoppe von Huf, Hülsbeck und Fürst das Thema anonyme Bewerbung. Außerdem müsse ein Bewerber ohnehin spätestens beim Vorstellungsgespräch die Karten offen legen.

„Ich weiß nicht, ob ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren einen wirklich weiter bringt“, erklärt die Pressesprecherin des Automobilzulieferers. „Die Anonymität ist dabei doch ohnehin nur bis zu einem gewissen Grad aufrecht zu erhalten.“ Letztlich suche sich ein Unternehmen sowieso den Bewerber aus, den es haben wolle. Zu Recht, findet Ute Hoppe: „Es muss schließlich auch die Chemie stimmen.“

Gar nichts vom Instrument der anonymen Bewerbung hält auch der Personalsachbearbeiter eines mittelständischen Unternehmens in Velbert, das nicht genannt werden möchte. „Wie praktikabel ist denn das“, fragt er. „Was soll das bringen, wenn man die Entscheidung nur nach hinten verlagert?“ Er habe arge Bedenken, wie alltagstauglich das Ganze sei: „Letztlich wird doch nur der Verwaltungsaufwand größer.

Der Personaler befürchtet allerdings, dass die anonyme Bewerbung eines Tages Gesetz werden könnte, „und das ginge in den Bereich Fremdbestimmung – das fände ich sehr schwierig“. Dabei sei man bei seinem Unternehmen keineswegs ausländerfeindlich. „Wir haben Russen, Kasachen, Türken – am Ende entscheidet bei uns die Arbeitsleistung.“ In einem kleinen Unternehmen müsse man aber auch darauf achten, „dass die Chemie stimmt“.

Beim Automobilzulieferer Witte-Automotive hingegen mag man gar nichts zum Thema anonyme Bewerbung sagen: „Wir haben da keinerlei Berührungspunkte“, hieß es auf WAZ-Anfrage.