Kaffee kaufen, Kaffee kochen, Kaffee trinken – den ganzen Tag, jeden Tag. Es gibt Zivildienststellen, die suchen in puncto Überfluss ihresgleichen.

Und es gibt Zivildienstleistende, die genau nach solchen Arbeitsschlupflöchern Ausschau halten, neun (künftig vielleicht auch nur noch sechs) Monate ihre Zeit absitzen und damit ihrem eigenen Anspruch gerecht werden.

Doch beides ist nicht der Regelfall, beides ist nicht im Sinne des Erfinders. Vielmehr soll der Zivildienst dazu dienen, junge Menschen an die Arbeitswelt heranzuführen, ihre Sozialkompetenz zu erweitern und ihnen ein Stück weit Verantwortung gegenüber der Gesellschaft abzuverlangen. Im Gegenzug bekommen die Zivildienststellen im Optimalfall motivierte, engagierte Arbeitskräfte. Stimmen die Rahmenbedingungen und stimmt die Einstellung auf beiden Seiten, entsteht eine Win-win-Situation.

In Velbert bietet „Pro Mobil“, der Verein für Menschen mit Behinderung, Schulabsolventen die Möglichkeit, ihren Zivildienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) zu leisten. 17 Zivis und FSJlersind zur Zeit bei Pro Mobil beschäftigt. Einer davon ist Jan Matthes.

Der 20 Jahre alte Abiturient beginnt in Kürze ein Maschinenbau-Studium an der Ruhr-Universität Bochum. Bis dahin ist der Langenberger noch eine Weile bei Pro Mobil beschäftigt. „Im Rahmen der Kindergartenbetreuung habe ich in der Regel morgens am Kindergarten das Kind erwartet, das ich betreut habe“, erzählt Matthes. „Spielen, auf die Toillette gehen, Schuhe an- und ausziehen oder beim Essen helfen.“ Matthes und die anderen Zivis und FSJler unterstützen die Kunden von Pro Mobil, die geistig und/oder körperlich behindert sind, bei den Schwierigkeiten des alltäglichen Lebens.

Die Kindergartenbetreuung ist nur ein Feld. „Die Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe reichen vom Kindergarten über die Freizeit- und Schulbegleitung bis hin zur Hilfestellung im Studium und im Beruf“, sagt Katja Mühlmann, Bereichsleiterin Assistenz- und Pflegedienst bei Pro Mobil.

Melanie Knecht kommt aus dem Sauerland. Im Internet ist sie nach ihrem Abitur auf das Freiwillige Soziale Jahr gestoßen. „Im Netz habe ich auch Pro Mobil entdeckt. Ich habe schon vorher überlegt, später in dieser Richtung zu arbeiten. Das FSJ bietet die Gelegenheit, sich dieser Sache sicher zu werden“, so Knecht, die knapp drei Monate vor Ablauf ihres Freiwilligen Sozialen Jahres mittlerweile davon überzeugt ist, Sonderpädagogik zu studieren.

Grenzerfahrungen

Melanie Knecht und Jan Matthes eint nicht nur ihr momentaner Arbeitgeber. Beide sind 20 Jahre jung, beide arbeiten täglich mit Behinderten Menschen. Und beide sind überzeugt von der Arbeit, die sie bei Pro Mobil leisten. „Ich würde es wieder machen“, sagt Matthes. „Man macht Grenzerfahrungen. Die Arbeit hier stärkt einen, man hält länger durch“, erzäht Knecht. Matthes sieht das genauso und ergänzt: „Ich habe unheimlich viel Erfahrung gewonnen. Zudem habe ich gelernt, geduldiger zu werden. Nicht zu vergessen: die Familienverhältnisse, in die man während der Arbeit blickt.“

Melanie Knecht und Jan Matthes scheiden im Sommer aus. Was Pro Mobil-Bereichsleiterin Katja Mühlmann und ihr Team bedauern werden, bietet auf der anderen Seite zwei Schulabsolventen die Chance, ihren Zivildienst oder ihr FSJ sinnvoll zu gestalten.