Langenberg. Nach Schichtende noch stundenlang Fälle dokumentieren? Nicht in einem Heim in Velbert-Langenberg. Hier hilft nun modernste Technik.
Dominik-Pascal Schütz hat sein Diensthandy auf den Tisch gelegt, der Bildschirm ist dunkel. „Dokumentation starten“, sagt er, ein „Pling“ ertönt. Dann fährt er fort: „Zimmer 22, Bewohner hat 250 Milliliter Kaffee getrunken und geduscht.“ Kurz darauf ertönt noch einmal das „Pling“. Aufgabe erledigt.
So in etwa läuft seit einiger Zeit sein Alltag im Seniorenpark Carpe Diem ab. Dominik-Pascal Schütz ist Pfleger und Beauftragter für das neue System, mit dem die Dokumentation der pflegerischen Arbeit in der Einrichtung nun erledigt wird. „Voize“ - eine Anlehnung an das englische Wort für „Stimme“ - heißt das und funktioniert KI-basiert. Im Hintergrund unterstützt also eine sogenannte künstliche Intelligenz (KI) die Prozesse.
Einsatz der Technik spart Zeit
„Etwa 30 bis 40 Prozent unserer Arbeit in der Pflege gehen für die Dokumentation drauf“, sagt dazu Katja Görtz. „Mit dem neuen System sparen wir 20 bis 40 Minuten pro Mitarbeiter und Schicht.“ Diese Zeit stehe dann zur Verfügung, um sich intensiver um die Bewohnerinnen und Bewohner zu kümmern.
Die Einrichtungsleiterin ist begeistert von „Voize“ und hat bereits jetzt zahlreiche weitere Vorteile ausgemacht: „Die Dokumentation ist besser und ausführlicher geworden. Das ist auch nicht nur gefühlt so, sondern wir können das mit Daten belegen.“ Sie deutet auf einen Ausdruck mit einem bunten Balkendiagramm eines Beispieltages aus der vergangenen Woche: „Allein an diesem Tag hat es 719 Einträge gegeben.“
Dokumentation wird ausführlicher - und besser
Das liege auch daran, dass die Spracheingabe Hemmungen abbaue: „Wir haben immer mal wieder Kolleginnen oder Kollegen, die Legastheniker sind.“ Früher hätten die sich bei der Dokumentation zurückgehalten, alles möglichst kurz und knapp gehalten. „Jetzt über die Spracheingabe funktioniert das viel besser, denn die Software gibt das gesprochene Wort korrekt wieder.“ Sogar die Satzstellung kann die KI korrigieren, „zum Beispiel, wenn jemand Deutsch nicht als Muttersprache spricht und deswegen anders formuliert.“
Ein weiterer Vorteil: Sogenannte offene Maßnahmen seien deutlich reduziert worden. Warum? Dazu muss man ein wenig ausholen: Die Bedienoberfläche von „Voize“ ähnelt der von gängigen Chat-Apps. Wer das Programm öffnet, bekommt eine Liste aller Bewohnerinnen und Bewohner angezeigt, die fast genauso aussieht, wie die Kontaktliste im Handy.
Unterschied: Statt Telefonnummer oder Mailadresse werden unter dem Eintrag der Bewohner die zu erledigenden Aufgaben angezeigt. „Geplante Aufgaben muss ich bestätigen und so als erledigt markieren“, erläutert Dominik-Pascal Schütz. So falle es sofort auf, wenn er etwas nicht erledige. „Außerdem kann ich mir zu jedem Bewohner eine Notiz anfertigen, wenn ich beispielsweise etwas Auffälliges entdeckt habe, wir einen Termin für den Friseur vereinbart haben oder jemand neue Schuhe benötigt.“
Auch ältere Kolleginnen und Kollegen kommen mit der Technik zurecht
Gabriela Sechi leitet den Pflegedienst im Carpe Diem und auch sie ist überzeugt von dem neuen System: „Die App ist sehr benutzerfreundlich und schnell zu verstehen“, sagt sie. „Auch für die älteren Kolleginnen und Kollegen.“ Und gerade die seien oft noch „einen Tick begeisterter von der Technik“, habe sie festgestellt. „Vielleicht, weil die jüngeren das sowieso schon aus ihrem Alltag kennen und das eher für selbstverständlich halten“.
Die so eingesprochene Dokumentation gibt der jeweilige Pfleger oder die jeweilige Pflegerin schließlich frei, anschließend werden die Daten in das hauseigene System übertragen und abgespeichert.
Datenschutz ist gewährleistet
Bleibt eine Frage: Wie sieht es mit dem Datenschutz aus? „Gut“, sagt Dominik-Pascal Schütz. „Zunächst einmal muss das Handy im Hausnetz angemeldet sein.“ Da die Geräte auch keine SIM-Karte haben, ist eine Nutzung außerhalb der Einrichtung über mobiles Internet auch gar nicht möglich. „Außerdem ist das Handy ein Arbeitsmittel, bleibt also hier.“
Dazu kommt der Diebstahlschutz: Wie jedes moderne Smartphone sind auch die Diensthandys passwortgeschützt. „Nach einer bestimmten Anzahl von Fehlversuchen wird das Gerät automatisch auf Werkseinstellung zurückgesetzt.“ Alle Daten sind dann gelöscht.
„Um es kurz zu machen“, sagt Einrichtungsleiterin Katja Görtz, „‚Voize‘ trifft den Zahn der Zeit und hilft uns enorm.“ Jeder kenne doch die Situation in der Pflege: „Immer mehr zu Pflegende und überall Personalmangel.“ Wenn dann die Technik die Arbeit erleichtere, sei das ein Fortschritt.
Kontakt zum Entwicklerteam
Dominik-Pascal Schütz vom Carpe Diem steht in regem Austausch mit den Entwicklern von „Voize“: „Die Rückmeldungen von uns Praktikern werden gerne angenommen und auch umgesetzt.“ Er gehöre zu einem Team aus unterschiedlichen Pflegeheimen, die einmal im Monat mit den Entwicklern konferieren, um das System weiterzuentwickeln.
Der Seniorenpark in Langenberg war einer der ersten der 35 Einrichtungen von Carpe Diem, die das Programm nutzen durften. Nach und nach will die Gesellschaft mit Sitz in Wermelskirchen alle Standorte umrüsten. Carpe Diem beschäftigt derzeit deutschlandweit rund 3500 Menschen, darunter 200 Auszubildende.