Velbert. In Zeiten von Fachkräftemangel setzen viele Arbeitgeber auf Familienfreundlichkeit. Wir stellen Beispiele und Umfrageergebnisse vor.
Es ist eine Situation, die viele Familien auch in Velbert kennen: Nach der Geburt und einer Pause im Job muss oder möchte man wieder arbeiten, steht aber plötzlich vor ganz neuen Herausforderungen, die sich um die Frage drehen: Wie lassen sich Familie und Beruf miteinander vereinen?
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Ein wesentlicher Baustein in dieser Frage ist die Kita-Situation. Dass Velberter Eltern diese recht gut bewerten, war ein Ergebnis des großen WAZ-Familien-Checks. Wir wollten aber auch erfahren: Wie familienfreundlich sind eigentlich Velberts Arbeitgeber?
Auf dem Zeugnis gäbe es für Velberter Arbeitgeber eine 3+
Das Ergebnis fällt positiv aus: Mit einer Durchschnittsnote von 2,6 auf die im Familien-Check gestellte Frage „Wie gut können Sie Beruf und Familie vereinbaren?“ schneidet Velbert unter den Städten im WAZ-Verbreitungsgebiet, das sich quer durch das Ruhrgebiet erstreckt, am besten ab. Auf dem Schulzeugnis würde also eine „befriedigend“ mit einem kleinen +“-Zeichen stehen.
Besonders gelobt wird von Velberter Familien die Möglichkeit von Teilzeitarbeit
Auch bei der Frage „Wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ landet Velbert mit einer Note von 2,4 (also noch ein „gut“) auf den vorderen Plätzen im Städtevergleich. Besonders gelobt (Note: 2,2) wurden von den Befragten aus Velbert die angebotenen Möglichkeiten der Teilzeitarbeit. Manko hingegen: Die Home-Office-Möglichkeiten scheinen in Velbert schlechter als in anderen Städten zu sein – jedenfalls werden sie von den Velberter Befragten mit einer Note von 3,7 deutlich schlechter beurteilt als beispielsweise in Hattingen (3,0) oder auch in Heiligenhaus (3,5). Das könnte aber auch mit der Struktur der Arbeitsplätze – in Velbert ist traditionell viel produzierendes Gewerbe ansässig – zu tun haben.
Als letzten Punkt wollten wir von den befragten Familien wissen: Ermöglicht der Arbeitgeber spontan Kinderbetreuung? Auch hier schneiden Velberter Arbeitgeber mit einer Note von 2,8 besser als der Durchschnitt ab.
Gelobt wird von Familien in Velbert beispielsweise eine Kooperation zwischen Kolping-Kitas und Firmen im Industriegebiet Röbbeck, die für Mitarbeiter Plätze in der Kita „Kleine Weltentdecker“ belegen können. Insgesamt hat das Thema „Familienfreundlichkeit“ in den vergangenen Jahren bei den meisten Arbeitgebern in der Region einen immer höheren Stellenwert erhalten. Viele werben damit bereits bei Stellenausschreibungen.
Familienfreundliche Arbeitgeber aus Velbert werden ausgezeichnet
Seit 2020 werden vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf Düsseldorf/Kreis Mettmann und der IHK Düsseldorf in Kooperation mit einer Jury aus acht weiteren regionalen Arbeitsmarktakteuren Unternehmen für nachhaltige personal- und familienorientierte Maßnahmen ausgezeichnet. Darunter die Firma R+M de Wit, die kürzlich von Velbert zurück nach Heiligenhaus gezogen ist. Auf der Homepage wirbt das Unternehmen mit „flexiblen Arbeitszeiten, einem Zuschuss zur Kinderbetreuung sowie firmeninterne Ansprechpartner*innen rund um das Thema Pflege von Angehörigen und Sozialberatung“. Sie werde in Bewerbungsgesprächen tatsächlich häufig auf die Auszeichnung angesprochen, sagt Britta Kniprath, Personalreferentin bei R+M de Wit.
Auch die Firma Mühlhause in Velbert gehört zu den ausgezeichneten Unternehmen – für Geschäftsführer Dirk Mühlhause Bestätigung und Ansporn zugleich: „Wir müssen auch für Frauen interessanter werden.“ Flexible Arbeitszeiten, Teilzeit, persönliche Absprachen, welches Modell am besten zur familiären Situation passe – diese Themen seien manchmal anstrengend, „aber dem muss man sich stellen“.
Die Kultur im Unternehmen sei heute anders als noch vor vielen Jahren, berichtet Désirée Bleckmann, die in der von ihrem Urgroßvater 1929 gegründeten BLF Holding GmbH und Co. KG (Lebensmittel-Großhandel) immer mehr Führungsverantwortung übernimmt und als erste Frau in die Chefposition aufrücken wird. Mitarbeitende erwarten heute, so Bleckmann, dass sie angehört werden und individuell auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird. Und: Die Geschäftsleitung wolle wissen, was die Mitarbeitenden bewegt. Durch den familiären Umgang miteinander sei es einfacher, von deren Themen mitzubekommen. „Unsere Türen stehen immer offen und wir sagen auch mehr als nur ‚Hallo’ und ‚Tschüss’ zueinander“, erzählt Bleckmann. Will heißen: Man komme immer wieder ins Gespräch, frage mal nach, was gerade zu Hause so los ist. Und reagiere dann mit individuellen Angeboten und Lösungen. So kam es schon vor, dass Mitarbeitende freigestellt wurden, wenn Angehörige Pflege gebraucht haben.
>>> Zahlen sprechen (noch) eine deutliche Sprache
Rund 84 Prozent der Männer und 73 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 65 Jahren gehen laut Statistischem Bundesamt (Destatis) einer Erwerbstätigkeit nach.
Die Teilzeitquote von erwerbstätigen Frauen mit Kindern lag bei 66 Prozent, bei erwerbstätigen Männern bei sechs Prozent.
93,6 Prozent der Männer, aber nur 33,8 Prozent der Frauen arbeiteten in Vollzeit