Neviges. Aufgeheizte Stimmung am Bahnsteig, ein Fahrgast muss gar gefesselt werden – zum Glück nur im neuen Theaterstück der Kolpingsfamilie Neviges.
Ab Juli sind mindestens zwei Abende in der Woche fest geblockt, Anfang November ist sogar jeder Abend futsch. Kein Abhängen auf dem Sofa, kein Sport, kein Treffen mit Freunden. Stattdessen: Proben, proben, proben. Die Laienspielgruppe der Kolpingsfamilie Hardenberg-Neviges aus Velbert ist auf der Zielgeraden: Am Samstag, 11. November, hat das Ensemble Premiere mit ihrem vergnüglich-abgedrehten Stück „Es fährt kein Zug nach Irgendwo“. Alle zehn Schauspieler und Schauspielerinnen sind mit Feuereifer bei der Sache, lieben ihr Hobby – auch, wenn es anstrengend ist und manchmal sogar den Schlaf raubt.
Der ICE strandet in Velbert-Neviges
Kurz zum Stück: Der ICE 6948 muss wegen eines Triebwagenschadens außerplanmäßig in Neviges halten. Unter den Fahrgästen: ein angetüdelter Damen-Kegel-Club, ein gestresster Business-Mann, ein durchgeknallter Verschwörungstheoretiker und ein abgedrehter Motivationstrainer. Die Stimmung ist aufgeheizt, das Abenteuer „träwwling wis Deutsche Bahn“, wie es im Lautsprecher erklingt, will sich keiner mehr antun. Nur der Bahnhofs-Penner behält die Ruhe...
Ehepaar lernt die Texte unterschiedlich
„Ja, ich spiele hier mal etwas ganz anderes als sonst“, sagt Günter Erner sichtlich vergnügt. Der 75-Jährige gehört gemeinsam mit seiner Ehefrau Ulrike seit 2007 zum Ensemble. „Es wurden damals Schauspieler gesucht. Beim Casting musste man etwas von Loriot vortragen“, erinnert sich Ulrike Erner, die in all den Jahren ihre Rollen völlig anders lernt als ihr Mann: „Ich hab mir die Texte angehört, immer wieder.“ Er dagegen habe „ein optisches Gedächtnis“, wirft Günter Erner ein: „Gelber Textmarker raus, und dann lesen, lesen, lesen.“
Lampenfieber gehört dazu und verschwindet
Was beide seit 2007 fasziniert: „Von der Auswahl des Stückes bis zur Bühnengestaltung und Technik können wir mitreden, sind hier eingebunden.“ Und was ist mit Lampenfieber? „Gehört dazu, aber wenn man auf der Bühne steht, ist man ganz ruhig, dann ist plötzlich alles weg. Man nimmt auch nur die ersten drei Reihen wahr.“ Vor Jahren habe er allerdings mal etwas erlebt, das ihn während des ganzen Stückes irritierte: „Da saß jemand vorne in der ersten Reihe und hat ständig alles kommentiert, schrecklich.“
Lampenfieber kennt auch Andrea Pannen zur Genüge, die seit 1994 dabei ist und dieses Mal zwar nicht auf der Bühne steht, aber trotzdem aufgeregt ist – als Regisseurin hat man schließlich Verantwortung. Zur Kolping-Theatergruppe kam sie damals durch eine private Geburtstagsfeier: „Da hatte ich ein Sketch aufgeführt, Klaus Häger war auch Gast, ihm gefiel das wohl.“ Klaus Häger hatte 1979 das Kolping-Theater gegründet und Andrea Pannen mit seiner Begeisterung damals schnell „angesteckt“: Seit fast 30 Jahren ist sie jeden Herbst mit dabei – wenn man von der Pandemie-bedingten Pause absieht.
Zitternde Hände direkt vor dem Auftritt
Und trotz aller Routine „ist man schon ziemlich nervös. Ich träume manchmal, dass man den Text einfach vergisst“, erzählt die 54-Jährige: „Wenn es raus geht auf die Bühne, und man hat die Klinke in der Hand, dann zittert die.“ Aber, und da gibt sie Günter Erner Recht, alles sei wie weggewischt, stehe man erstmal auf der Bühne. Was nicht heißt, dass dann alle glatt geht: „Ich hatte mal einen Lachanfall, konnte nicht mehr aufhören. Mitten im Stück“, erinnert sich Andrea Pannen, die seit Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann Michael Theater spielt.
Schon in der Schule gern Theater gespielt
Die größten Textpassagen, da sind sich alle einig, hat Rolf Scholten in dem Stück: Er spielt in „Es fährt kein Zug nach Irgendwo“den gestressten Geschäftsmann. „Theater hab ich schon als Schüler gerne gespielt. Äußerlich bin ich ganz ruhig, aber innerlich….“ Sie müsse sich direkt vor dem Auftritt immer ein bisschen zurückziehen und konzentrieren, erzählt dagegen Brigitte Wedler. „Ich hab dann auch immer eiskalte Hände.“ Aber diesen nervlichen Stress nehme sie gern in Kauf, der gehöre dazu und könne die Begeisterung für das Theater nicht trüben. „Ich habe schon immer gern gespielt, früher in der Schule oder bei uns in der Nachbarschaft, wenn einer Geburtstag hatte oder so.“ Zu sehen, wie ein Stück langsam Gestalt annimmt, sich Baustein an Baustein fügt – das sei für ihn immer wieder faszinierend, erzählt Wilhelm Funken, der seit 2011 dabei ist. Wenn im April oder Mai die Rollen verteilt würden, es dann heiße lernen, lernen, lernen und man ab September ohne Text auf die Probenbühne komme, „das ist einfach klasse“.
Nicht nur „alte Hasen“ im Ensemble
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Aber es spielen nicht etwa nur „alte Hasen“ mit, zwei junge Schauspieler sind am 11. November das erste Mal dabei: „Ja, ich bin schon sehr gespannt. Auch, wie das so wird mit dem Lampenfieber“, sagt Matthias Winzen, und der 35-Jährige fügt hinzu: „Die Proben in den Alltag einzubauen, das ist schon nicht so ganz einfach, man hat ja auch noch Familie und Beruf.“ Als Zuschauer kenne er das Theater seit Jahren, „ich hab viele Stücke gesehen, die haben mich immer begeistert. Und jetzt mache ich mit“. Wie auch Alessio Fricano (20), der seine Texte unterwegs auf dem Weg zur Uni hört: „Zum Kolping-Theater bin ich schon als Kind mitgegangen.“ Und vor Publikum aufzutreten, davor habe er keine Angst. „Ich hab zwölf Jahre lang Hipp Hopp getanzt.“ Da sah allerdings die Vorbereitung ein bisschen anders aus.
>>>Vier Vorstellungen
Das Kolping-Ensemble zeigt „Es fährt kein Zug nach Irgendwo“ im Pfarrheim Glocke, Tönisheider Straße 8. Premiere ist am Samstag, 11. November, 20 Uhr. Weitere Termine: Sonntag, 12. November, 17 Uhr, Samstag, 18. November, 20 Uhr; Sonntag, 19. November, 17 Uhr.
Karten kosten zwölf Euro, erhältlich bei Thea Häger unter 02053 47242.