Velbert. In Kroatien geboren, ohne ein Wort Deutsch in ein ihr völlig fremdes Land gekommen – und heute beliebte Gastronomin: eine Erfolgsgeschichte.

Nur wenige Stunden Schlaf hat Blazenka Biester hinter sich. Doch das sieht man ihr nicht an. Ihre Augen sind wach, ihr Lächeln fröhlich, sie wirkt ausgeruht und energiegeladen. Wie jeden Morgen, wenn sie ihre Arbeit in der Bürgerstube um 8.30 Uhr beginnt. Seit mittlerweile 25 Jahren kümmert sie sich an der Kolpingstraße um weitaus mehr als nur das leibliche Wohlergehen ihrer Gäste.

1970 kam Blazenka Biester gemeinsam mit ihrer Schwester von Kroatien nach Deutschland. Daheim blieb ihre verwitwete Mutter und noch acht weitere Geschwister, von denen zwei starben. „Damals herrschte, genau wie heute, Fachkräftemangel in der deutschen Gastronomie“, erinnerte sie sich. Und die Reise ins fremde Land sollte ihr ganzes Leben verändern.

Von Kroatien nach Deutschland ohne ein Wort Deutsch

Die junge Frau konnte „hier noch nicht einmal guten Tag auf Deutsch sagen“, erinnert sich Blazenka Biester „in Kroatien hatten wir nur Englisch gelernt“ und begann ihre Arbeit in einem Hotel in Dorsten. „Innerhalb eines Jahres habe ich so viel Deutsch gelernt, dass ich zumindest alles verstehen konnte“. Einmal im Monat schickte sie stets Geld zu ihrer Mutter nach Kroatien, „da ging es den Menschen wirklich sehr schlecht.“

Horst-Günter Ostholt von der Männerchorgemeinschaft gratuliert zum 25-jährigen Bestehen natürlich persönlich.
Horst-Günter Ostholt von der Männerchorgemeinschaft gratuliert zum 25-jährigen Bestehen natürlich persönlich. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Doch dann bekam Blazenka Biester ihre Kinder. „Und Kinder und Gastronomie, das passt einfach nicht zusammen.“ Viele Jahre zieht sie ihre zwei Töchter und ihren Sohn alleine groß, arbeitet bei der Firma Huf in Velbert. Aber „am Wochenende habe ich dann doch in der Gastronomie gearbeitet, einfach, weil ich es so gerne mag.“ Meist ist es die „Flora“, in der sie tätig ist. „Ich hatte immer das Ziel, mich irgendwann selbstständig zu machen,“ dachte sie schon damals. „Und als die Kinder dann größer waren, übernahm ich die Flora.“

Die Bürgerstube kannte Blazenka Biester nur von außen

Hier konnte sie aber ihre Vorstellung von der Umgestaltung nicht verwirklichen. Und dann kam „Willi Thanscheidt und hat mich ausgefragt“, sagt sie lächelnd. „Wie lange mein Pachtvertrag noch läuft und ob ich mir nicht vorstellen könnte, die Bürgerstube zu übernehmen.“

Auf einmal geht alles ganz schnell: Blazenka Biester, die das Restaurant mit angegliedertem Hotel bislang nur von außen kennt, schaut sich die Räume an „und ich hatte sofort im Kopf, was ich machen könnte“, sagt sie. „Es war eine Entscheidung von zwei Minuten, Willi Thanscheidt (aktiv in der Kolpingfamilie, der die Bürgerstube als Kolpinghaus gehört) streckte mir seine Hand entgegen und fragte mich, ‘sind Sie nun dabei oder nicht’?“

Wirtin Blazenka Biester genoss das Jubiläum sichtlich.
Wirtin Blazenka Biester genoss das Jubiläum sichtlich. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Blazenka Biester war dabei, mit Leib und Seele von der ersten Minute an. Ihre warmherzige und verbindliche Art schätzen ihre Gäste und kommen, teils täglich, gern zu ihr. „Wenn man seine Arbeit liebt, dann funktioniert das auch“, sagt sie voller Überzeugung noch heute. „Da macht es einem auch nichts aus, dass der Arbeitstag 15 oder 16 Stunden hat.“ Denn vor Mitternacht kommt die Gastronomin meistens nicht ins Bett. Egal ob sie ihre Gäste bedient oder in der Küche steht und kocht.

Praktisch, dass sie oben in den Bürgerstuben wohnt. „In meiner Wohnung habe ich kein Telefon und ich benutze auch kein Handy. Ich sage immer, wer mich während der Arbeitszeit nicht erreicht, hat Pech gehabt.“ Eine kleine Ausnahme gibt es dann doch: „Ein Notfalltelefon, nur für die Familie“. Eine eigene Küche hat Blazenka Biester ebenfalls nicht. Wozu auch, sie frühstückt jeden Tag um 11 Uhr mit ihrer Belegschaft und um 17 Uhr gibt es für alle ein gemeinsames Abendessen.

Zum Mittagstisch kommen täglich 60 bis 70 Leute

Am liebsten hat sie den Mittagstisch – „deftige Hausmannskost oder Fisch, ich bin nicht so der Fleischesser“, oder aber sie lässt sich beim Italiener Centro Storico in der Innenstadt verwöhnen, „ich liebe einfach italienisches Essen, das könnte es jeden Tag geben.“ Wenn die agile Frau einmal Freizeit hat, dann ist sie auch gern spazieren – einfach mal die Ruhe und die Natur genießen.

Ans Aufhören denkt Blazenka Biester, die im kommenden Jahr 70 wird, noch lange nicht – „das würde mir schon sehr schwer fallen und so lange ich gesund bin, mache ich weiter. Aber vielleicht trete ich mal ein bisschen kürzer.“ Dann würde sie mehr Zeit mit ihren Enkeln verbringen und das Ruder ihrem Sohn Michael, der bislang ihr Angestellter ist, übergeben. Gezwungen hat sie den 42-Jährigen übrigens nie, ebenfalls in die Gastronomie einzusteigen – „meine Kinder sollten alle das machen, was sie wollten“.

Vom Elektriker zum Gastronom

Michael Biester hatte zunächst eine Ausbildung als Elektriker begonnen“, erzählt sie. „Da saßen wir vorn am runden Tisch und nach einem halben Jahr sagte er, dass er eigentlich viel lieber in die Gastronomie möchte“. Seitdem er seine Ausbildung im Düsseldorfer Queens-Hotel abgeschlossen hat, ist er ebenfalls, Seite an Seite mit seiner Mutter, in der Bürgerstube tätig.

Für die gebürtige Kroatien ist Deutschland in den mehr als 50 Jahren zur Heimat geworden, die Bürgerstube zu ihrem Zuhause und viele ihrer Gäste zu Freunden. Und so freut sie sich auch heute wieder auf einen Tag, an dem sie viele bekannte Gesichter trifft und neue Menschen mit ihrer herzlichen Art in „ihrer“ Bürgerstube begrüßen kann.

Die Minigarde der KG Grün-Weiss Langenhorst tanzt bei der Feier.
Die Minigarde der KG Grün-Weiss Langenhorst tanzt bei der Feier. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller
Blazenka Biesterfreut sich über ein Ständchen der Männerchorgemeinschaft Velbert
Blazenka Biesterfreut sich über ein Ständchen der Männerchorgemeinschaft Velbert © FUNKE Foto Services | Uwe Möller