Langenberg. Seit vielen Jahren ist Andrea Timpe im Dressursport erfolgreich. Sie hat der WAZ einen Einblick in den Alltag als Berufsreiterin gewährt.
Das Leben ist doch ein Ponyhof, oder besser eine ganze Reitanlage. Zumindest für Andrea Timpe. Denn die 37-Jährige ist Berufsreiterin. Doch ganz so kuschelig wie bei Bibi und Tina oder in den Wendy-Filmen geht es nicht zu, denn Berufsreiterin zu sein, ist ein Knochenjob.
Ein Job, in den Andrea Timpe all ihr Herzblut und ihre Leidenschaft steckt. Los geht’s morgens um 6 Uhr auf der Reitanlage des Zucht-, Reit- und Fahrvereins Hattingen, der auf der Grenze zwischen Hattingen und Langenberg liegt.
Um 7.30 Uhr sitzt die Hattingerin Andrea Timpe bereits auf dem Pferd
Dann „werden die Pferde versorgt“, erklärt die Reiterin. Nach dem Füttern und Boxen misten sitzt sie bereits um 7.30 Uhr auf dem Pferd. Wie jeden Morgen beginnt sie mit Don Darwin. Mit dem glänzenden Rappwallach war Andrea Timpe bis zum vergangenen Jahr im Dressursport noch erfolgreich. „Nun ist er in Rente, aber ich reite ihn immer noch – und zwar immer als erstes.“ Nach dieser Morgenroutine folgen im Laufe des Tages noch etwa neun Pferde.
„Ich habe bei der Arbeit hier Unterstützung von fünf Mitarbeitern“, erläutert die Sportlerin. „Während ich noch reite, wird das nächste Pferd schon fertig gemacht“. Von den 20 Pferden, die am Stall stehen, gehören ihr selbst fünf – „und ein halbes“, sagt Andrea Timpe lächelnd und zeigt auf eine kleine Shettystute.
Zu all ihren Tieren hat sie eine besondere Verbindung, nimmt sich Zeit für Kuscheleinheiten oder aber auch einmal für einen Ausritt. Ohnehin steht die Zufriedenheit und Gesunderhaltung der „Hochleistungssportler“, also der Pferde, an oberster Stelle. „Die Boxen und Stallgassen sind hell und luftig und unsere Pferde kommen jeden Tag raus.“ Das Gerücht, dass Sportpferde nie auf Wiesen stehen dürfen, hält sich hier nicht. „Leider ist der Pferdesport ja sehr in Verruf geraten, ich kenne allerdings keine Reiter, die nicht alles dafür tun, dass es ihren Tieren gut geht“, sagt Timpe.
Ein Arbeitsalltag, der niemals von neun bis fünf Uhr geht
Neben der 25 mal 65 Meter großen Halle gibt es noch zwei Reitplätze, aber „am liebsten reite ich in der Halle“, gesteht Andrea Timpe. Und das nicht nur, weil die direkt neben ihrer Stallgasse liegt, sondern „weil die Temperaturen hier immer angenehm sind.“
Pferde waren schon immer die Leidenschaft von Andrea Timpe. „Meine Mutter hatte hier schon ein Pferd stehen, bevor ich überhaupt auf die Welt kam.“ Auch ihre Geschwister reiten damals und so bekommt Andrea Timpe, nachdem sie auf Schulpferden reiten lernte, mit elf Jahren ihr erstes eigenes Pferd namens Sissi. „Sie war wirklich nicht einfach“, erinnert sich die Pferdeliebhaberin zurück.
„Aber sie hat mir beigebracht, mich auch auf schwierige Charaktere einzustellen“. Heute hat sie zu „For the Memory“, einem Fohlen von Sissi, noch ein besonders inniges Verhältnis. Neugierig streckt der Wallach ihr seinen Kopf entgegen, in der Hoffnung noch ein Zuckerstückchen zu ergattern.
„Irgendwie muss man sich ja einschmeicheln“, sagt Andrea Timpe lächelnd. „Es gibt immer ein Leckerchen, bevor ich aufsteige.“ In der Tat liegt schon ein Stapel weißer Zückerchen am Rande der Bande. Auch Don Carismo, der nach dem Erfolg beim Hamburger Derby Urlaub hat und nur locker bewegt wird, holt sich seine Belohnung einfordernd von Andrea Timpe ab.
Der Derby-Sieg ist der bisher größte Erfolg der 37-Jährigen. „Eigentlich war ich fest davon überzeugt, als Drittplatzierte nach Hause zu gehen“, erinnert sie sich. Doch die Finalisten mussten auch auf den anderen Pferden der Teilnehmer ihr Können unter Beweis stellen: Andrea Timpe holte den Sieg. „Das war schon ein absolut wahnsinniges Gefühl, alleine die Stimmung, die da herrschte, wie die Leute mitgefiebert haben“, sagt sie. „Wenn man an so einem imposanten Ort reitet, dann gehen die Pferde auch viel erhabener da rein als bei anderen Turnieren“. Ein Erfolg, für den die Reiterin jeden Tag trainiert, „bis auf sonntags, wenn da kein Turnier ist, haben wir frei.“
Ein Tag ohne Pferde ist für Andrea Timpe nicht vorstellbar
Ohne einen Blick in den Stall zu werfen, geht es dennoch nicht. „Das habe ich von meinem Vater“, sagt sie mit einem Lächeln. „Er mochte es immer, wenn die Pferde abends noch das Mash schlabberten, was er ihnen zubereitet hat.“ Und so hält sie auch an Traditionen fest: „Bei meiner letzten Runde abends gehe ich durch den Stall und gebe jedem noch ein Äpfelchen und Möhrchen“.
Wenn dann Feierabend ist, entspannt die Reiterin im Fitness-Studio. „Wenn ich dann auf dem Crosstrainer eine Serie schaue, kann ich einfach abschalten“. Und so ist sie am nächsten Tag wieder fit, für ihren mehr als zwölf Stunden langen Tag im Stall.