Wuppertal/Velbert. Vor dem Wuppertaler Landgericht muss sich ein Velberter wegen Vergewaltigung seines Stiefsohnes verantworten. Sein Geständnis kam er nach Zögern.
Ein 48 Jahre alter Angeklagter aus Velbert hat gestanden, den Sohn seiner Ehefrau sexuell missbraucht und vergewaltigt zu haben. Vor den Richterinnen und Richtern im Landgericht Wuppertal sprach der Mann erstmals über die Geschehnisse, die zur Anklage gegen ihn geführt haben. Schwerer Alkoholkonsum sei Hintergrund der Taten gewesen.
Die Öffentlichkeit hatte das Gericht während der Aussage des Mannes ausgeschlossen, wie bereits während der Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt: Es sollen keine Einzelheiten aus dem Intimbereich des Opfers bekanntwerden. Der Jugendliche lebt getrennt von seiner Familie. Als die Übergriffe begannen, war er 13 Jahre alt.
Dem Velberter droht eine Freiheitsstrafe
Der Angeklagte ist Arbeiter im Straßen- und Tiefbau, er befindet sich auf freiem Fuß. Die Große Strafkammer des Landgerichts kann ihn zu mehr als vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilen. Bewährung wäre dann unmöglich.
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Ambivalentes Verhältnis
Nach dem Geständnis des Mannes brauchte sein Stiefsohn nicht mehr über die Abläufe zwischen Sommer 2018 und September des folgenden Jahres zu sprechen. Dem Gericht schilderte der Jugendliche das Verhältnis zum Angeklagten als widersprüchlich. Einerseits sagte er: „Ich will, dass er gerecht bestraft wird, für das, was er getan hat.“ Dabei ließ er offen, was das bedeuten soll. Andererseits schätze er ihn als Stiefvater. Und: Die Taten wirkten sich bis heute auf ihn aus: „Ich versuche angestrengt, nicht daran zu denken.“ Der Angeklagte sei ein Teil von ihm, durch lange gemeinsame Zeit. Die Mutter besuche er nur, wenn der Stiefvater nicht dabei sei.
Anzeige soll aus der Familie stammen
Tatort der schweren Übergriffe war Velbert; nähere Umstände sind nicht öffentlich bekannt. Die Anzeige soll aus der Familie stammen, nachdem Angehörige aufmerksam geworden waren. In einem Fall habe der Mann eine Tat abgebrochen, als der 13-Jährige weinte. In einem weiteren Fall habe er auf das Kind mit Missbrauchsdarstellungen und durch sexualisiertes Reden eingewirkt. Zum Alkoholkonsum sagte der Mann, er habe an einem der Abende zehn bis zwölf Flaschen Bier getrunken. Das Gewicht der Anklage kommentierte der vorsitzende Richter in einer Zusammenfassung: „Es geht um schwere Taten gegen den erkennbaren Willen eines Kindes.“
Psychologin untersuchten den Jungen
Die Richterinnen und Richter müssen die Abläufe unabhängig aufklären, das Geständnis müssen sie prüfen. Dazu befragten sie eine Psychologin, die den Jugendlichen untersucht hatte. Seine Angaben seien im gesamten Verfahren konstant gewesen. Die Beschreibungen der Taten habe die Staatsanwaltschaft übernehmen können. Sie gründen nach wissenschaftlichen Maßstäben mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Erlebtem. Die Folgen der Taten seien für den Minderjährigen geringfügig gemildert worden, weil der Angeklagte dessen Weinen und Gegenwehr respektiert habe.
Appell des Staatsanwaltes
Anfangs der Verhandlung hatte sich der 48-Jährige zunächst geweigert zu sprechen. Es war ein Appell des Staatsanwalts, der die Änderung bewirkte. Er hatte dem Mann verdeutlicht: „Sie sind anwaltlich beraten und es ist Ihre Entscheidung. Aber wenn Sie gestehen, dann kann das ein wichtiger Strafmilderungsgrund sein. Dann nämlich, wenn Sie dem Zeugen eine Aussage ersparen.“ Menschen, die als Minderjährige sexuellen Missbrauch erlitten hätten, würden durch Befragung im Gericht extrem belastet. Gleichzeitig wolle er den Angeklagten nicht zu einem falschen Geständnis drängen.
Eine Stunde lang befragt
Der 48-Jährige beriet sich kurz mit seinem Anwalt. Anschließend ließ er sich über eine Stunde von Staatsanwalt und Gericht befragen. Wiederum der Anwalt sprach die Entschuldigung des Mannes gegenüber seinem Stiefsohn aus, damit der die Worte nicht aus dem Mund des Angeklagten hören musste: „Es tut ihm sehr, sehr leid. Er hat einen riesengroßen Fehler gemacht.“Am kommenden zweiten Verhandlungstag will das Landgericht die Mutter des Geschädigten befragen, die Frau des Angeklagten. Sie soll über die Trinkgewohnheiten des 48-Jährigen aussagen.
>>>Opferschutz
Das Gericht bietet Geschädigten von Straftaten an, sich am Prozesstag von einer Sozialarbeiterin oder einem Sozialarbeiter der Justiz begleiten zu lassen.
Die Betreuung kann in einem getrennten Raum erfolgen, abseits der Besucherströme im Gericht.
Der heute jugendliche Geschädigte im aktuellen Fall ließ sich von einem eigenen Betreuer begleiten. Dieser Mann durfte während der Aussage mit am Zeugentisch Platz nehmen.
Während Einzelheiten sexueller Übergriffe oder der Instimsphäre besprochen werden, schließt das Gericht die Öffentlichkeit aus.