Wuppertal/Velbert. Weil sich der Hauptbelastungszeuge in einem Prozess um Raub und Einbrüche an nichts mehr erinnern kann, hat das Gericht nun neue Zeugen geladen.
In dem Prozess um einen bewaffneten und maskierten Raubüberfall auf einen Supermarkt in Langenberg und eine Einbruchserie in Neviges und Velbert-Mitte zieht das Landgericht Wuppertal zusätzliche Zeugen heran. Es handelt sich um Beschuldigte, die an den Einbrüchen beteiligt gewesen sein sollen und sich in eigenen Verfahren verantworten müssen. Sie sollen gegen die drei Angeklagten aussagen; das hat die Staatsanwaltschaft beantragt.
Das Verfahren ist in eine Schieflage geraten, nachdem der ursprüngliche Hauptbelastungszeuge (27) zum Verhandlungsbeginn vergangenen Freitag (13. Januar) angegeben hat, er könne sich an nichts mehr erinnern. Der Mann soll mit den Angeklagten früher befreundet gewesen sein, erklärte nun aber über sie: Er „kenne die Herren nicht“.
Die Angeklagten aus Velbert sind auf freiem Fuß
In dem Verfahren verantworten müssen sich drei Velberter im Alter von 25, 26 und 31 Jahren, die derzeit auf freiem Fuß sind. Die beiden jüngeren sollen im Dezember 2016 in einem Langenberger Supermarkt nach Ladenschluss den stellvertretenden Filialleiter genötigt haben, das verfügbare Geld herauszugeben. Die maskierten Täter sollen ihrem Opfer eine Schreckschusspistole vorgehalten haben. Ein dritter Mann habe in einem Fluchtauto abseits gewartet. Laut Staatsanwaltschaft war das der 31-Jährige. Die Beute: 2500 Euro.
Bis Anfang 2018 folgten sechs Firmeneinbrüche in Werkstätten und Büros. In drei dieser Fälle blieb es beim Versuch, weil die Täter nicht in die Räume gelangten. An zwei Tatorten befanden sich Tresore, die sie nicht öffnen oder mitnehmen konnten.
Wechselhafte Angaben des Hauptzeugen
Wie schwer ein Tatnachweis nach den wechselhaften Angaben des Hauptzeugen werden kann, zeigte sich anhand von Aussagen von Ermittlerinnen und Ermittlern: Laut Anzeige schätzte eine überfallene Mitarbeiterin des Supermarkts die Körpergröße der maskierten Räuber auf 1,60 bis 1,65 Meter. Woran sich die Frau bei ihrer Aussage orientiert haben könnte, wussten die Beamten von damals nicht mehr zu sagen. Es liegen sechs Jahre Dienst und eine Vielzahl von Strafanzeigen dazwischen. Die Größenangabe passt auch nicht zu den Angeklagten.
Neue Zeugen sind Mittäter
Die Zeugen, auf die die Staatsanwaltschaft nun setzt, gelten als Mittäter der Einbruchserie. Sie sollen bezeugen, ob und welchen Anteil die Angeklagten dabei hatten. Diese Zeugen müssen aussagen, sofern ihre Strafverfahren endgültig abgeschlossen sind. Käme das Gericht zum Schluss, dass sie Falsches angegeben haben, müssten sie mit Strafe rechnen.
„Ob das Ganze noch Sinn macht“
Die vorsitzende Richterin kündigte an: „Wir werden genau prüfen, in wieweit die Zeugen schweigen dürfen.“ Das wäre der Fall, wenn sie sich selbst belasten könnten. An die Staatsanwaltschaft gewandt kommentierte die Richterin: „Für das Gericht stellt sich die Frage, inwieweit das Ganze überhaupt noch Sinn macht.“ Zu einer möglichen Schuld der Angeklagten fügte sie hinzu: „Klar, man kann sich immer etwas denken. Aber irgendwann muss man einsehen, dass man es nicht nachweisen kann.“
Das Gericht will die neuen Zeugen zum nächsten Sitzungstag kommenden Donnerstag (26. Januar 2023) laden.
>>>Schweigerecht
In Strafverfahren braucht sich niemand selbst zu belasten. Wer als Mittäter rechtskräftig verurteilt oder von bestimmten Vorwürfen freigesprochen ist, muss als Zeuge aussagen und die Wahrheit sagen. Ansonsten drohen Strafen.
Die Pflicht zur Aussage gilt nicht, wenn Verfahren gegen einen Zeugen nur eingestellt sind und jederzeit wieder aufgenommen werden können.