Velbert. Die Nachfrage in den Velberter Second-Hand-Läden und Gebrauchtwarenhäusern ist derzeit sehr hoch – eine Folge der hohen Lebenshaltungskosten.
Die Inflationsrate ist im August auf 7,9 Prozent gestiegen. Für viele Velberterinnen und Velberter ist das weit mehr als eine abstrakte Zahl: Die seit Jahresbeginn massiv gestiegenen Preise für Lebensmittel und Energie bereiten immer mehr Menschen Sorgen.
Die Tafel Niederberg beispielsweise bekommt diese Entwicklung bereits massiv zu spüren. Immer mehr Menschen benötigen Unterstützung bei einem gleichzeitig geringeren Spendenaufkommen. Das sorgt für leere Lager und führte zur Entscheidung, die Ausgabe für neue Gäste auf einen Standort zu beschränken. Wie sieht es in anderen Bereichen aus? Haben Second-Hand-Läden und Gebrauchtwarenhäuser in Velbert mehr Zulauf? Wir haben bei den verschiedenen Trägern nachgefragt.
Situation hat „große Auswirkungen“ auf das Gebrauchtwarenhaus in Velbert
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„Auf unser Gebrauchtwarenhaus hat die aktuelle Situation große Auswirkungen“, sagt Heiko Boekstegers, geschäftsführender Vorstand des Vereins „Beratung und Projekte Velbert“, der das Gebrauchtwarenhaus an der Kaiserstraße 23 betreibt. Derzeit seien besonders Möbel, Waschmaschinen und Kühlschränke sehr gefragt, außerdem Haushaltswaren, besonders Porzellan, Küchenutensilien und Elektrokleingeräte. Die Nachfrage nach Textilien für Erwachsene und Kinder sei ungebremst hoch. „Überraschend ist“, berichtet der Vorstand weiter, dass auch Dekorationsartikel gefragt seien: „Unsere Mitarbeitenden im Verkauf berichten davon, dass Kundinnen und Kunden sich auf diesem Weg etwas Schönes, ein bisschen Luxus für kleines Geld, gönnen, um sich damit in dieser schwierigen und belastenden Zeit etwas Gutes zu tun.“ Der Preis, der natürlich schon immer eine entscheidende Rolle gespielt habe, „nimmt nun noch stärker als sonst Auswirkungen auf die letztendliche Kaufentscheidung ein“, so Boekstegers.
„Jacke wie Hose“ öffnet mittlerweile an fünf Tagen pro Woche
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Auch in der Kleiderkammer „Jacke wie Hose“ – eine Einrichtung der Stiftung Leuchtturm an der Offerstraße 14a – sei die Nachfrage derzeit hoch, berichtet Sven Both. Erst im April habe man die Öffnungstage von zwei auf fünf pro Woche erweitert. „Ich bin sehr froh, dass wir das in der aktuellen Situation so anbieten können“, dankt der 1. Vorsitzende den rund 25 ehrenamtlichen Helfern. Nun hofft er, auch neue Räume für die Kleiderkammer zu finden – die derzeitigen in einer umgebauten Wohnung platzen aus allen Nähten: „Ein 150 bis 200 Quadratmeter großer, barrierefreier Gewerberaum wäre optimal“, hofft er auf Angebote.
SKFM verzeichnet einen Rückgang an Kleiderspenden
Sorgen bereitet den Betreibern auch eine andere Entwicklung: Haben während der Corona-Lockdown-Phasen viele Velberterinnen und Velberter ihre Keller und Dachböden „entrümpelt“ und gleich kistenweise gespendet, ist aktuell vielerorts ein Spenden-Rückgang zu verzeichnen. „In der Corona-Zeit sind wir in den Spenden fast ertrunken“, erinnert sich Carmen Fischer, beim SKFM unter anderem für den Laden „Fratz“ mit dem Schwerpunkt Kinder-Second-Hand am Birther Kreisel verantwortlich. Jetzt merke man eine Spendenzurückhaltung: „Die Menschen tragen ihre Kleidung länger.“
Weniger neu- und hochwertige Spenden im Gebrauchtwarenhaus
Der Nachschub an Gebrauchtwaren – vor allem an Möbeln, Elektrogeräten sowie Haushaltswaren – in der Spendenannahme sei derzeit durch die hohe Nachfrage leider häufiger als sonst nicht ausreichend, heißt es auch aus dem Gebrauchtwarenhaus an der Kaiserstraße. Zudem beobachtet man dort, dass weniger neu- und hochwertige Spenden abgegeben werden. „Die Entwicklung scheint dahin zu gehen, Funktionstüchtiges aufzubewahren und weiterzuverwenden, bis es ersetzt werden muss und nicht, bis man es durch etwas Neues ersetzten möchte“, so der Vorstand.
Bei „Fratz“ in Velbert sind derzeit vor allem Kinderschuhe Mangelware
Im Laden „Fratz“ sind vor allem Kinderschuhe derzeit Mangelware. „Die sind recht teuer und die Kinder wachsen schnell raus“, hofft Carmen Fischer hier auf Spenden – gern auch in den hauseigenen Container an der Heidestraße 200, der täglich geleert wird. „Alles, was darin landet, kommt auch bei uns an.“
Kunden berichten von Ängsten und Sorgen
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„Unsere Mitarbeitenden aus Verkauf und der Spendenannahme berichten davon, dass die Stimmung der Kundinnen und Kunden sehr besorgt sei“, sagt Heiko Boekstegers. Insbesondere langjährige Stammkundschaft berichte zunehmend von Sorgen und Ängsten mit Blick auf die steigenden Kosten für Lebensmittel, Energie und weitere Lebenshaltungskosten. Alltagsnahe Fragen – wie: „Kann man in diese Lampe auch eine Energiespar-Leuchte oder LED einsetzten? – würden sich häufen. „Die Leute haben schlicht kein Geld mehr“, sagt eine der Gebrauchtwarenhaus-Mitarbeiterinnen aus dem Verkauf, „weil schon jetzt vieles teurer ist, als noch vor einigen Monaten.“
Im SKFM-Laden „Fratz“ hat sich die Kundenstruktur verändert
Dass sich die Kundenstruktur verändert habe, berichtet Carmen Fischer vom SKFM. „Es gibt Menschen, die trauen sich nicht einmal mehr, günstige gebauchte Kleidung bei uns zu kaufen, weil sie Angst vor den Kosten im Herbst und Winter haben – dafür kommen immer mehr Menschen, die vor einiger Zeit noch Neuwaren gekauft haben.“ Darum habe man noch einmal die Preise gesenkt. „Wir wissen, dass auch 50 Cent weh tun, wenn das Geld immer knapper wird.“
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Das Gebrauchtwarenhaus, Kaiserstraße 23, montags bis freitags 9.30 bis 18 Uhr, samstags 9.30 bis 16 Uhr
„Jacke wie Hose“, Offerstraße 14a, montags 15 bis 18 Uhr, dienstags bis donnerstags 10 bis 13 Uhr, freitags 17 bis 20 Uhr
„Fratz“ – der SKFM-Laden, montags bis freitags 9 bis 14 Uhr; Spendenabgabe auch an der Heidestraße 200, ggf. dort den SKFM-Altkleidercontainer nutzen.
S.O.S.-Team, Schwanenstraße 48a, montags bis freitags 9 bis 18 Uhr, Terminvereinbarung für Abgabe von Spenden