Velbert. Fiebersäfte für Kinder und andere Medikamente sind derzeit so gut wie nicht lieferbar. Apotheker hat eine solche Situation „noch nie erlebt“.
Es ist eine Situation, die Eltern nicht erleben möchten. Das Kind liegt krank im Bett – das Fieber steigt und steigt. Und ausgerechnet jetzt ist der bewährte Fiebersaft leer. In der Apotheke angekommen schüttelt die Mitarbeiterin bedauernd den Kopf: Kinder-Fiebersaft? Derzeit nicht vorrätig – seit Wochen so gut wie nicht lieferbar.
„Es ist derzeit eine extrem schwierige Situation“, sagt Jochen Pfeifer, Inhaber der Adler-Apotheke in Velbert-Mitte. Seit Wochen versuchen sein Team und er, Nachschub zu bestellen. Oft prüfen sie im Halbstundentakt bei Großhändlern und Herstellern, ob Nachschub verfügbar ist – meist jedoch vergeblich. „Es stehen, wenn überhaupt, nur sehr geringe Mengen zur Verfügung“, beschreibt Pfeifer die Situation: „Es ist eine absolute Katastrophe und wir werden von Woche zu Woche vertröstet. So etwas habe ich in meiner Laufbahn als Apotheker noch nie erlebt. Man kann von Glück sprechen, dass es derzeit so wenig Krankheitsfälle gibt.“
Velberter Apotheken erhalten – wenn überhaupt – nur geringe Mengen an Fiebersaft
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Ähnlich ergeht es Susan Krieger und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Easy-Apotheke im Medicum. Besonders schlimm sei es derzeit mit Paracetamol- und Ibuprofen-Fiebersäften, aber insgesamt umfasse die Liste der Medikamente, die nur schwer oder gar nicht lieferbar seien, rund 200 Artikel quer durch alle Wirkstoffgruppen, so die Apothekerin. Das reiche vom Krebsmedikament bis hin zu Psychopharmaka – vor einiger Zeit seien auch Schilddrüsenmedikamente und Insulin knapp gewesen, ergänzt Pfeifer. „Man muss derzeit auf Zack sein und gute Beziehungen zum Großhandel haben“, sagt Susan Krieger. Aber auch das führe nicht immer zum Erfolg: „Zuletzt haben wir eine Zuteilung von zehn Packungen bekommen – gebraucht hätten wir aber 80.“ Krieger weiter: „Bisher konnten wir aber noch alle Kunden bedienen.“
Die Apotheken vor Ort können nichts für die Situation
Die Apotheker vor Ort betonen, dass die Engpässe kein „Velbert-Problem“ seien – und die derzeitige Situation auch nicht von den örtlichen Apothekern verschuldet sei. Es gehe um unterbrochene Lieferketten, Logistikprobleme und vor allem Preise – auch immer im globalen Vergleich. Kann ein Pharmaunternehmen für sein Produkt in einem anderen Land einen höheren Preis erzielen, liefert es vermutlich eher dorthin.
„Wir versuchen wirklich alles, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen“, sagt Pfeifer: „Was glauben Sie, wie ich mich fühle, wenn eine Mutter bei mir in der Apotheke steht und wir ihr das gewünschte Medikament nicht geben können?“
Zäpfchen, andere Dosierung oder selbst hergestellt
Was die Apotheke vor Ort auszeichnet: Man versucht, andere Behandlungsmöglichkeiten zu finden. So sind beispielsweise Paracetamol-Fieberzäpfchen aktuell noch lieferbar, im Dialog mit dem behandelnden Arzt lassen sich möglicherweise auch Dosierungs-Alternativen festlegen – also beispielsweise ein Medikament mit mehr Wirkstoff, das dafür seltener eingenommen wird.
Eigene Herstellung ist aufwändig und bringt Probleme mit sich
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Immer häufiger greifen die Apotheker auch selbst zum Mörser und stellen die so genannten Rezepturen selbst her. „Das ist natürlich sehr aufwändig“, sagt Jochen Pfeifer – „und kann daher nicht die Lösung des Problems sein.“ Zumal: Mittlerweile werden auch die dafür benötigten Ausgangsstoffe knapp. Und die selbst hergestellten Säfte seien meist bitterer als die Kindersäfte von großen Herstellern. „Die Gefahr ist, dass Kinder dann gar keinen Saft mehr wollen.“ Dennoch: „Wenn es keine andere Lösung gibt, machen wir das natürlich“, so Pfeifer.
Auch in der Easy-Apotheke ist man auf das Herstellen entsprechender Rezepturen vorbereitet. „Wir haben die dafür benötigten Substanzen vorrätig“, so Susan Krieger. Es solle kein Kunde ohne eine Lösung die Apotheke verlassen müssen.
Velberter Apotheker hoffen auf Entspannung der Situation
Dennoch hoffen die Velberter Apotheker auf Lösungen – und es gibt laut Susan Krieger auch Anzeichen für eine Entspannung. Es gehe jetzt auch nicht darum, den Schuldigen für die Misere an den Pranger zu stellen, so Pfeifer, „sondern darum, gemeinsam Lösungen zu finden, wie wir die Situation in den Griff bekommen können.“ Da sei dann auch die Politik gefragt, so Pfeifer. Es könne nicht sein, dass man sich nur auf den billigsten Anbieter konzentriere und am Ende die Patienten darunter leiden müssten.
>>> Was Kunden bzw. Patienten jetzt tun sollten
Wer regelmäßig Medikamente einnehmen muss, sollte nicht „auf den letzten Drücker“ zur Apotheke kommen, rät Susan Krieger. Es sei derzeit bei vielen Produkten mit Lieferengpässen bzw. -verzögerungen zu rechnen.
Andererseits sollten auch keine Medikamente „gehamstert“ werden, um die derzeitigen Engpässe nicht weiter zu verschlimmern. Bei den Fiebersäften für Kinder rechnen die Apotheker mit einer Entspannung der Situation.
Grundsätzlich sollten Kunden offen für die von Apothekern aufgezeigten Alternativen sein, so Krieger.