Wuppertal. Vor Gericht stand ein ehemaliger Velberter wegen notorischen Fahrens ohne Führerschein und Tüv, teils mit gestohlenen Kennzeichen.
Mit zusätzlichem Sauerstoff aus eilig beschafften Druckflaschen musste das Landgericht Wuppertal einem schwer lungenkranken Angeklagten (61) aushelfen, der früher in Velbert gelebt hat. Er leidet unter Luftnot und hatte sich mit einem zu geringen Vorrat in seine Berufungsverhandlung begeben. Für den vorbestraften Mann ging es um zwei Hafturteile wegen notorischen Fahrens ohne Fahrerlaubnis - ohne Tüv und Haftpflichtversicherung, teils mit gestohlenen Kennzeichen.
Hilfsgüter in die Ukraine gebracht
In der Sitzung führte sein Anwalt vergeblich an, der Mandant sei inzwischen zu krank für Straftaten und müsse deshalb Bewährung erhalten: Der Mann selbst berichtete nämlich wenige Minuten später den Wuppertaler Richterinnen und Richtern, er habe kürzlich mit einem Laster Hilfsgüter Richtung Ukraine gefahren: „Ich habe den Lkw in Moldau übergeben. Meinen Smart hatte ich hinten mit aufgeladen und bin damit zurück gefahren.“
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In Detektivarbeit aufgeklärt
Zu den Anklagepunkten zählte eine Tat, die durch Detektivarbeit wie im Krimi aufgeklärt wurde: Der Mann hatte im Sommer 2020 auf dem Hof eines Auto-Sachverständigen in Wuppertal Kennzeichen von einem Audi gestohlen und an seinen unversicherten Smart geschraubt. Auf einer nächtlichen Fahrt blitzte ihn eine Tempo-Messanlage in Remscheid. Die Knolle samt Foto erhielt aufgrund der Kennzeichen eine Remscheiderin, die aus allen Wolken fiel: Das Gesicht auf dem Blitzerbild kannte sie nicht und es handelte sich offensichtlich nicht um ihr Auto. Die Polizei verfolgte die Spur bis zum Sachverständigen-Büro, wo noch der Audi der Remscheiderin stand. Dort kannte man den Angeklagten: Er war damals Nachbar und hatte Zutritt zum Grundstück.
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Einem anderen Autofahrer aufgefallen
Bei einer weiteren, nächtlichen Fahrt wenige Wochen später fiel der Angeklagte einem anderen Autofahrer auf. Der Zeuge berichtete dem Gericht von Schlangenlinien und Halt mittig auf zwei Fahrspuren vor einer Ampel: „Ich dachte, der fährt aber komisch.“ Er habe die Polizei angerufen. Die Beamten kamen dazu, als der Angeklagte gerade gestoppt hatte, ausgestiegen war und gegen einen Zaun urinierte. Der Zeuge soll wenige Meter entfernt gestanden haben. Der 61-Jährige habe ihn mit einem wütenden „Arsch!“ bedacht, als er die Polizisten bemerkte. Ein späterer Bluttest ergab rechnerisch bei dem Mann 2,8 Promille zur Tatzeit.
Angeklagter ist zigmal vorbestraft
Der Angeklagte ist 37 mal vorbestraft seit 1975. 24 mal ging es um Autofahrten, nachdem Ende der 1980er Jahre sein Führerschein eingezogen wurde. Er hat Haft für Diebstahl, Betrug, Körperverletzung und Vergewaltigung verbüßt. Dem Gericht sagte er, er habe ursprünglich die medizinisch-psychologische Untersuchung für eine neue Fahrerlaubnis nicht bezahlen können und fügte hinzu: „Ich bin tausende Male gefahren. Da ist nie was passiert.“ Fahren bedeute für ihn Freiheit, er sei „Autonarr“: „Ich bin verrückt darauf, Autos und Motorräder zu reparieren.“
Stark verkürzte Lebenserwartung?
Der Anwalt des Mannes gab an, sein Mandant habe nur noch eine stark verkürzte Lebenserwartung: „Für ihn geht es darum, seinen vielleicht letzten Sommer in Freiheit zu verbringen.“ Eine Wertung, der der Gerichtspsychiater widersprach: So genau wisse niemand, wie lange jemand leben könne.
Der Antrag auf Bewährung scheiterte. Die Strafe ist nun insgesamt auf zehn Monate Haft bemessen. Zur vorläufigen, mündlichen Urteilsbegründung führte der vorsitzende Richter aus: „Wir haben nicht den Eindruck, dass Sie nicht mehr in der Lage sind, ohne Fahrerlaubnis zu fahren.“
Angeklagter weiter auf freiem Fuß
Das Urteil ist erneut nicht rechtskräftig. Der Angeklagte befindet sich auf freiem Fuß und lebt inzwischen außerhalb. Die Lkw-Fahrt nach Moldau kann ein weiteres Verfahren nach sich ziehen. Die zusätzliche Sauerstoffflasche für ihn besorgte ein Justizwachtmeister aus dem Sanitätshaus, das den Mann versorgt.
>>>Gestohlene Kennzeichen
Ein Auto zusammen mit seinen Kennzeichen stellt im rechtlichen Sinn eine Urkunde dar. Das Montieren fremder Kennzeichen ist deshalb Urkundenfälschung.
Die Strafe beträgt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wenn kein besonders schwerer Fall vorliegt.
Einer Strafaussetzung zur Bewährung liegt die Überzeugung des Gerichts zugrunde, dass ein Angeklagter auch ohne Gefängnisaufenthalt keine weiteren Straftaten begehen wird.