Langenberg. Wenn Birgit Angern-Dorgarten malt, dann ist das Material zweitrangig – es geht ums Hinschauen, um Emotionen, um die Essenz des Beobachteten.
Eine verrostete Schaufel, die an die Geburtsszene Jesu erinnert. Ein Stück Metall, schräg auf die Wand aufgebracht, eine Haube dazu gemalt – ein Gesicht. Die Türen zum Atelier lagen einst in Griechenland irgendwo am Strand.
Wer Birgit Angern-Dorgarten besucht, stößt auf eine wahre Fundgrube der Kreativität. Die gebürtige Lübeckerin hat einen Blick für Kleinigkeiten, für Details, sieht auch in banalen Dingen – wie eben jener verrosteten Schaufel – Geschichten und Möglichkeiten.
Erst das Studium, dann die Malerei
Doch das sind alles nur Nebengeräusche, eigentlich malt sie. Vorzugsweise Küstenlandschaften. Aber auch die Scheune vor der Haustür, oder die Bäume hinter dem schmucken Fachwerkhäuschen. „Das ist mein absoluter Lieblingsberuf“, sagt sie, „ich kann mir nichts Schöneres vorstellen als das, was ich hier mache.“
Richtig ernsthaft angefangen zu malen habe sie erst, als sie ihr Geografie-Studium beendet hatte. „Nach der Promotion und nachdem die Familie gefestigt war habe ich gedacht: ,Ich muss etwas Neues auf den Weg bringen, die Geografie künstlerisch umsetzen.“
Reisen und einige Umzüge
Ein weiteres Studium folgt, diesmal studiert Birgit Angern Aquarellmalerei. Amerikanische Maler inspirieren sie, „und dann habe ich mich ganz spontan zu einem Ölmalkurs bei einem amerikanischen Landschaftsmaler angemeldet.“ Weitere Fortbildungen bei internationalen Malern folgen.
Und sie kommt herum. Gemeinsam mit ihrem Ehemann lebt sie unter anderem in Nordkalifornien und Griechenland. Es geht nach Norwegen und Schweden, nach Schottland oder in die Niederlande. Und immer wieder in die USA.
Küstenlandschaften sind bevorzugtes Motiv
Dabei entstehen Bilder, die so unterschiedlich sind wie ihre Stimmungslagen. Nur eines haben viele gemeinsam: Sie zeigen eine Küste. „Ich brauche diesen Horizont“, sagt die Malerin, „das vermittelt mir Ruhe.“ Sie sei gerne im Freien, „in der rauen Natur“.
Dass sie „absolut nicht auf der Suche“ nach ihrem eigenen Stil ist, spiegeln ihre Gemälde wider. Mal zeigt sie in sanften Farbtönen mit großflächigen Formen einen niederländischen Strand in der Sonne, mal das aufgewühlte Meer vor der Küste Neuenglands in kräftigen Farben und wuchtigen, kleineren Strukturen.
„Die Essenz dessen einfangen, was ich sehe“
„Manchmal zeigen die Bilder zeigen meine Gemütslage“, erläutert Birgit Angern. Eines etwa entstand während eines Migräne-Anfalls, „chaotisch, eher dunkel“ ist es geworden. „Ich möchte Stimmungen ausdrücken“, erzählt sie weiter, „ich möchte auf das reagieren, was vor mir ist.“
Ein Bild müsse für sie stimmig sein, „eine Verbindung zwischen der Landschaft, in der ich mit der Staffelei stehe und dem, was ich dort empfinde.“ Sie wolle „die Essenz dessen malen, was ich sehe und fühle. Den ,Spirit’ einfangen.“ Das macht sie dann mit ganz unterschiedlichen Materialien, „was gerade passt“, sagt Birgit Angern: Zeichnen oder malen, Aquarell, Gouache oder Öl. „Diese Vielfalt sorgt dafür, dass ich mich beim Malen frei fühle.“
Diese Freiheit sei für sie unbezahlbar: „Wenn ich male, kann ich machen, was ich will.“ Wem dann ein Bild zusagt, kann es gerne kaufen.
Die bisherigen Folgen
Die Serie „Kulturszene LA“ stellt Kulturschaffende aller Genres aus Langenberg vor. Hier finden Sie, liebe Leserinnen und Leser, die bereits veröffentlichten Folgen:Folge 1: Nina Reddig (Geige)Folge 2: Rüdiger Scheipner (Saxophon)Folge 3: Birgitt Haak (Künstlerin)Folge 4: Peter Dreist (Künstler/Kunstlehrer)Folge 5: Annette Haupt (Autorin)Folge 6: DJ RalleFolge 7: Petra Halfmann (Singer/Songwriter)Folge 8: Günter Seekatz (Maler)Folge 9: Birgit Angern-Dorgarten (Malerin)
Bilder sollen bei den „Richtigen“ landen
Auch da legt Birgit Angern viel wert auf das Gefühl, die Emotionen. „Ich möchte“, sagt sie, „dass meine Bilder bei der oder dem ,Richtigen’ landen.“ Was sie damit meint? „Bei jemandem, der die Stimmung fühlt, die das Bild transportiert.“
Zu jedem Bild gebe es eine Geschichte: „Ich kann genau sagen, warum ein einzelnes Bild so aussieht, wie es aussieht.“ Und die Leute nähmen diese Geschichten gerne mit, „so wird nicht nur das Optische bedient, sondern auch andere Sinne. Es werden Geist und Seele angesprochen.“
Ein ganzes Rahmensortiment
Zu den Bildern gibt es bei Birgit Angern auch entsprechende Rahmen. Und die kommen natürlich nicht von der Stange. Eine ganze Sammlung hat sie auf dem ausgebauten Dachboden: schlicht und modern, abgenutzt, schnörkelig oder aus Scheunenbrettern zusammengezimmert. Viele davon sind selbst gemacht.
Ihre Erfahrungen gibt Birgit Angern auch in Workshops weiter. Mal in Leipzig, mal in ihrer Geburtsstadt Lübeck, mal bei sich zu Hause an der Alaunstraße. 2020 etwa lud sie ein, bei ihr im Garten Bäume zu malen. Klingt einfach, sagt die Malerin, „aber wie malen Menschen einen Baum? Meist als grüne Fläche mit einem Stamm.“
Lernen, genau hinzuschauen
Bei ihr im Workshop lernten die Teilnehmenden „hinzuschauen, richtig zu beobachten.“ Details seien so immens wichtig: Die Verästelungen der Zweige, die Bewegungen im Wind zum Beispiel. „Die Leute sollen nicht denken, sondern sehen“, sagt sie. Und es sei interessant, dann wiederum die Teilnehmenden zu beobachten: „Ihre Reaktion, auch die Begeisterung, wenn sie ihren Blick weiten. Das ist schön.“
Wobei es nicht falsch sei, beim Malen zu denken, sagt Birgit Angern. „Nur steht manchen das zu oft im Weg und sie schauen nicht mehr richtig hin.“ Wer aber den Mut hat, „einfach nur zu beobachten“, der erlebe das oft als Befreiung, habe sie festgestellt.
Weitere Fotos aus dem Atelier von Birgit Angern-Dorgarten gibt es auf www.waz.de/velbert, mehr von der Künstlerin auf Instagram (BirgitAngernArt) oder auf www.painting-seascapes.de.