Neviges. Die Kunsthändlerin Esther Ollick aus der TV-Serie „Bares für Rares“ zeigt in ihrem Buch, wie aus Sachen vom Sperrmüll schicke Möbelstücke werden
Möbel auf den Müll zu werfen, das tut Esther Ollick in der Seele weh. Sieht sie vom Auto aus irgendwo Sperrmüll stehen, dann juckt es der Kunsthändlerin aus der TV-Sendung „Bares für Rares“ in den Fingern. Und meistens steht dann kurz darauf eine alte Kommode, ein alter Stuhl mehr in ihrer herrlich chaotischen Werkstatt in Neviges. „Ich frag aber immer vorher nach, ob ich das mitnehmen darf“, betont die „Möbelaktivistin“, wie sie sich nennt. Klima-Aktivisten gingen auf die Straße, sie handele eben auf ihrem Gebiet: „Wir müssen begreifen, dass Möbel aus immer weiter schwindenden Ressourcen bestehen und wir deshalb unbedingt reagieren müssen.“ Also Ärmel hochkrempeln und die olle Anrichte verschönern statt wegzuwerfen. Wie das geht, zeigt Esther Ollick Schritt für Schritt in ihrem ersten Buch „Aufgemöbelt. Vom Flohmarktfund zum Statement-Piece“.
Bei 150 Sendungen mitgemacht
In 150 Sendungen war sie schon dabei, wenn Moderator Horst Lichter in „Bares für Rares“ zwischen Anbietern, die Antiquitäten oder auch liebenswerten Trödel verkaufen möchten und Profis aus der Kunstszene vermittelte. Doch ein Buch über das zu schreiben, was sie besonders liebt, über ihr Handwerk, das sei schon eine besondere Herausforderung gewesen. „Ich beschreibe alles so, dass man es auch wirklich versteht. Das ist manchmal gar nicht so ganz einfach, wenn man selbst so tief drin steckt in der Materie.“
14 alte Schätzchen sehen aus wie neu
Vom Nachtschränkchen über den Palisander-Couchtisch bis zum Chippendale-Sessel hat sich die gelernte Raumausstatterin insgesamt 14 alte Schätzchen herausgepickt, deren Verjüngungskur sie ganz genau beschreibt. „Die waren alle in einem wirklich katastrophalen Zustand. Sie vernünftig hinzubekommen und vor allem das verständlich aufzuschreiben, das hatte ich ein bisschen unterschätzt.“ Ein Tischlermeister habe dann noch mal nachgelesen, ob auch wirklich alles passt, nicht etwa ein Zwischenschritt fehlt.
Verständlich auch für Anfänger
Denn das ist ihr wichtigstes Anliegen: „Auch Anfänger sollen Freude haben. Wer schon versierter ist, der kann noch einen drauflegen, dafür gibt’s dann noch den ein oder anderen Extra-Tipp.“ Das Buch beginnt mit einem groben, kurzweiligen Überblick über die Möbelstile des 20. Jahrhunderts, angefangen von der Bauhaus-Ära, über Art Deco, die „Fifties“ mit Nierentischchen und Resopal-Platten, weiter zu den sechziger und siebziger Jahren mit Cord-Sofas und knalligen Farben wie orange und kiwi-grün.
Wichtig sei vor allem das Werkzeug. „Hier hab ich extra nur drei Maschinen aufgeführt, aber die müssen es auch wirklich sein, sonst hat es keinen Zweck: Bohrschrauber, Exzenterschleifer und Stichsäge“, zählt Esther Ollick auf, die erst kürzlich mit großem Erfolg eine Handwerks-Hilfsaktion für die Flut-Opfer des Ahrtales organisiert hatte: Da konnten Hobby-Handwerker Werkzeug bei ihr abgeben, das sie den Familien im Ahrtal brachte, die damit ihre beschädigten Sachen reparierten.
Holz richtig bearbeiten
Im Buchhandel erhältlich
„Aufgemöbelt“ von Esther Ollick ist im frechverlag, Stuttgart, erschienen und ab sofort im Buchhandel erhältlich bzw kann dort bestellt werden. Kosten: 20 Euro.
Die Möbelaktivistin und Kunsthändlerin aus der TV-Serie „Bares für Rares“ arbeitet bereits an zwei weiteren Büchern: In einem wird es ausschließlich um alte Stühle gehen, in dem anderen Buch um alte Tische.
Zurück zum Buch: Am besten, so ihr Tipp, sollte man den Werkzeugkoffer vorher durchgucken, ob Grundsätzliches wie Schraubendreher-Satz, Schlosserhammer oder Kombizange auch vorhanden sei. „Was die Maschinen betrifft, bitte im Bau- oder Fachmarkt gründlich beraten lassen, damit es zuhause keine bösen Überraschungen gibt.“ Ein bisschen Zeit sollte man auch dem Kapitel „Grundtechniken der Holzbearbeitung“ widmen, ehe man loslegt. Und wer noch nie gepolstert, gewachst oder gespachtelt hat – kein Problem, alles wird so erklärt und mit vielen Fotos gezeigt, dass auch Anfänger mit den berühmten zwei linken Händen klar kommen.
Fotos zeigen Macken und Schrammen
Unter den 14 völlig unterschiedlichen Möbelstücken, die Esther Ollick aufmotzt, findet jeder etwas, an dem er sich orientieren kann, wenn es um das eigene Schätzchen geht. Da wird der Chippendale-Sessel ebenso flott gemacht wie das kultige Telefontischchen aus den 50er Jahren, das Esther Ollick zu einem pfiffigen Kosmetik-Schränkchen umfunktioniert. Jedes der 14 Kapitel ist gleich aufgebaut: Bei der „Fundanalyse“ werden als erstes unbarmherzig alle Schrammen und Macken gezeigt, bei der anschließenden „Vorgehensweise“ zeigt die Expertin, was in welcher Reihenfolge zu tun und zu lassen ist: Etwa bei einem alten Gründerzeit-Esstisch die Tischplatte abschleifen, neu beizen, alte Holzverstrebungen lösen und zum Schluss alles lackieren.
Bald zu sehen auf Youtube
Ja, ihr erstes Buch „Aufgemöbelt“ habe schon viel Arbeit, aber auch jede Menge Spaß gemacht, sagt Esther Ollick, für die es das Größte ist, in ihrer knallvollen Werkstatt in Neviges zu stehen, Materialien in den Händen zu fühlen und am Ende zu sehen: Es hat sich gelohnt. Zurzeit entwickelt sie zum Thema „Aufgemöbelt“ ein Erklärstück auf dem Youtube-Kanal, das gute, alte Buch hält sie dennoch für unverzichtbar: „Ich werde oft gefragt: Ist das denn noch zeitgemäß und modern?“ Ihre Antwort kommt voller Überzeugung: „Ich finde: Ja! Manche Dinge kann man nicht nur auf dem Bildschirm zeigen.“ Gesagt, getan, ihre nächsten zwei Bücher zum Thema „Nachhaltigkeit“ sind schon Planung. Ihr Wunsch: „Gebt Möbeln eine zweite Chance, werft nicht alles gleich weg.“