Langenberg. Die gehörlose Alla Naumann arbeitet in der Wäscherei des Seniorenparks Carpe Diem in Langenberg. Inklusion wird dort groß geschrieben.
Alla Naumann klopft schnell mit beiden Fäusten aufeinander, grätscht Mittel- und Zeigefinger, macht kreisförmige Bewegungen mit den Händen. Dann hält die junge Frau mit den roséfarbenen Haaren kurz inne, überlegt und gestikuliert dann flink und geschickt weiter. „Alla sagt, dass sie sich hier wohlfühlt und sich akzeptiert fühlt“, übersetzt Mona Theißen die Gebärdensprache in hörbare Worte. Alla Naumann ist taub.
Seit mehr als einem Jahr arbeite die russischstämmige Mühlheimerin in der Wäscherei im Seniorenpark Carpe Diem, sorgt gemeinsam mit zwei Kolleginnen und der hauswirtschaftlichen Leiterin Iris Ruppert dafür, dass täglich rund 180 Kilogramm Wäsche nicht nur gewaschen, sondern auch gefaltet und sortiert werden. Probleme in der Kommunikation gibt es kaum.
„Zum einen ist Frau Naumann bereits die vierte gehörlose Mitarbeiterin, die wir hier beschäftigen und zum anderen kommen wir – wie sagt man so schön – mit Händen und Füßen bestens zurecht“, sagt Iris Ruppert lachend, „und natürlich gibt es auch Hand- oder Armbewegungen, die für einzelne Aufgaben stehen und selbsterklärend sind.“
Notfalls schreibe man auch mal Sachen auf und wenn es um wirklich wichtige Gespräche gehe wie ein Feedback- oder Teamgespräch, dann würde sogar ein Gebärdendolmetscher über den Integrationsfachdienst gestellt.
Schwerbehinderte Mitarbeiter von Gründung an
Seit ihrer Gründung 1998 beschäftigt die Carpe Diem Gesellschaft – die derzeit Einrichtungen an 32 Standorten betreibt – Menschen mit Behinderungen. Und dabei geht es in erster Linie gar nicht mal um die Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Quote, nach der es einem Unternehmen ab einer bestimmten Größe vorgeschrieben ist, mindestens fünf Prozent seiner Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (bei Carpe Diem sind es sogar fast elf Prozent).
„Wir kommen dem nicht aus einer Auflage heraus nach, sondern weil wir es als eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung sehen, Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt normalerweise keine Chance haben, eine wirkliche Möglichkeit zur beruflichen Inklusion zu ermöglichen“, erläutert Personalleiter Thomas Schlünkes.
Inklusionsabteilungen in der Einrichtungen
Aus diesem Grund sei das Unternehmen noch einen Schritt weiter gegangen und habe zudem 2014 erstmalig eine Inklusionsabteilung mit Genehmigung durch den Landschaftsverband Rheinland (LVR) errichtet und zusätzliche Arbeitsplätze für besonders betroffene Menschen mit Behinderung geschaffen.
Mittlerweile gibt es diese speziellen Abteilungen in 15 Carpe Diem-Einrichtungen mit mehr als 70 Arbeitsplätzen – darunter drei im Langeberger Seniorenpark.
Hochmotivierte Mitarbeiter
LVR bezuschusst besondere Arbeitsplätze
Der Landesverband Rheinland (LVR) fördert nach bewilligtem Antrag die Arbeitsplatzausstattung eines schwerbehinderten Mitarbeiters mit einmalig bis zu 20.000 Euro. Darüber hinaus gibt es einen unbefristeten Lohnzuschuss sowie eine Pauschale für psycho-soziale Betreuung.
Der Lohnkostenzuschuss wird als Ausgleich für die so genannte Mindestleistung gewährt, da inkludierte Mitarbeiter nicht immer dasselbe leisten können wie ihre gesunden Kollegen. Weitere Infos: https://www.lvr.de/de/nav_main/soziales_1/inklusionsamt/foerdermoeglichkeiten/fuer_arbeitgeber/finanzielle_foerdermoeglichkeiten/finanzielle_foerdermoeglichkeiten.jsp
„Diese Mitarbeiter sind hochmotivierte Menschen, sie sind unglaublich dankbar und wirken sich ungemein positiv auf das gesamte Betriebsklima aus“, stellt Einrichtungsleiterin Katja Görtz immer wieder fest. Thomas Schlünkes kann dem nur zustimmen. „Wer glaubt, behinderte Menschen würden ja nur krank sein und nichts leisten, liegt völlig falsch. Im Gegenteil: Nicht nur, dass sie selbst selten fehlen, man hat auch festgestellt, dass die Fehlzeiten der gesamten Belegschaft über vier Jahre um die Hälfte zurückgehen, wenn Beschäftigte mit Inklusionshintergrund mit im Team arbeiten.“
Die Erklärung dafür läge auf der Hand. „Es geht um Verantwortung dem besonderen Mitarbeiter gegenüber.“
Zuerst Fachpraktikum
Alla Naumann freut sich über die Chance, die sich ihr geboten hat. Über den Verein „Organisation Handzeichen“ hatte die gelernte Schneiderin einen Fachpraktikumsplatz in der Senioreneinrichtung gefunden, anschließend wurde sie direkt übernommen. Dass sie nun täglich von Mülheim nach Velbert und zurück mit dem Zug fahren muss, nimmt sie dafür gern in Kauf.
„Ein Fachpraktikum ist generell immer ein guter Weg um zu schauen, ob man sich die Aufgaben langfristig vorstellen kann. Und wir wissen, auf wen wir uns einlassen und was wir von der jeweiligen Person erwarten können“, erläutert Katja Görtz, die in ihrem Team auch schon schwerbehinderte Menschen ausgebildet hat: Seit 2015 gibt es einen neuen Ausbildungsberuf „Fachpraktiker Service in Sozialen Einrichtungen“, dessen Herausforderungen speziell auf inkludierte Menschen abgestimmt sind. Die IHK-Ausbildung dauert zwei Jahre.