Neviges. Gut, dass Malermeister Benjamin Steinhage erst auf Umwegen seinen Traumberuf entdeckt hat. Denn sonst hätte er nie sein größtes Glück gefunden.

Um Malermeister Benjamin Steinhage in seiner Werkstatt in der Emil-Schniewind-Straße anzutreffen, muss man Glück haben oder mit ihm verabredet sein. Denn der 45-Jährige, den die WAZ in der Serie „In besten Händen. Handwerk in Neviges“ vorstellt, ist mit seinen zwei Gesellen ansonsten den ganzen Tag auf Tour. Verschönt Treppenhäuser, bringt Farbe und frischen Wind in Küchen und Wohnzimmer. „Ich hab so viel zu tun wie nie. Deshalb hab ich im Dezember noch einen zweiten Mann angestellt, sonst ist das gar nicht zu schaffen.“ Dabei strahlt Benjamin Steinhage über das ganze Gesicht, schließlich liebt er seinen Beruf. Und dass die Menschen jetzt in der Corona-Krise mehr Wert legen auf ein schönes Heim – einfach wunderbar. „Viele sind im Moment auch viel mehr zuhause, arbeiten im Home-Office.“ Da geht einem plötzlich der grieselgraue Flur auf den Wecker, und das Esszimmer könnte auch mal neue Farbe vertragen. „Besonders Spaß macht es natürlich, wenn man dabei ein bisschen beraten kann.“

Der Großvater hat die Werkstatt aufgebaut

Das Büro ist an der Lukasstraße

Die Werkstatt liegt in der Emil-Schniewind-Straße, Benjamin Steinhages Büro ist in seinem Elternhaus an der Lukasstraße 6. Hier hat oft auch Mutter Rosemarie Telefondienst unter 02053 3738. Ab etwa 16.30 Uhr ist häufig auch Malermeister Steinhage persönlich zu erreichen.Weitere Informationen zu dem Handwerksbetrieb gibt es im Netz auf www.malermeister-steinhage.de.

Bis unter die Decke stapeln sich die Farbeimer, von der Decke baumeln Pinsel in allen Varianten, an der Wand hängen Kellen und Spachtel. Eine Werkstatt mit Geschichte, aufgebaut von Großvater Albert. „Er kam 1949 aus russischer Gefangenschaft heim, seitdem gibt es das hier“, erzählt Benjamin Steinhage, der auf Umwegen in die Fußstapfen seines Vaters Ferdinand trat. „Bei uns war es nie so, dass mein Vater mich zu irgendetwas gedrängt hätte. Im Gegenteil, er war ganz froh dass ich damals erstmal was anderes gemacht habe.“ Nämlich zur Uni ging und Lebensmittelchemie studierte.

Ehefrau im Studium kennengelernt

Eimer, Pinsel, Spachtel, Kellen – die Werkstatt an der Emil-Schniewind-Straße ist bis unter die Decke voll.
Eimer, Pinsel, Spachtel, Kellen – die Werkstatt an der Emil-Schniewind-Straße ist bis unter die Decke voll. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Sein Studium zum staatlich geprüften Lebensmittelchemiker schloss Benjamin Steinhage mit dem zweiten Staatsexamen ab, merkte aber schon im Anerkennungsjahr: „Das war nichts für mich. Die Laborarbeit war ja noch ganz schön, aber sonst?“ Das Studium hat sich trotz allem mehr als gelohnt, und dass er das Labor in besonders guter Erinnerung hat, dafür gibt’s einen triftigen Grund: Hier lernte er seine jetzige Ehefrau Claudia kennen, mittlerweile chemisch-technische Assistentin an der Uni. „Und sie kommt lustigerweise aus einer Malerfamilie“, erzählt Steinhage, der in den Semesterferien immer im heimischen Betrieb ausgeholfen hat und nach seinem Examen plötzlich merkte: Das ist es, was ich wirklich machen will.

Während in vielen anderen Familienunternehmen die Senior-Chefs nur schlecht los lassen können, ging es Vater Ferdinand nicht schnell genug, das Zepter abzugeben. „Aber wenn mal Not am Mann ist, dann ist er sofort zur Stelle.“ Und als vor vier Jahren die Steinhages den Auftrag bekamen, im Mariendom im neuen Dach in schwindelerregender Höhe die Scheiben in die Gauben zu setzen, da war Vater Steinhage mit 76 Jahren dabei. „Das hat keiner so gut drauf wie er.“

Der Dom war eine besondere Baustelle

Kopfüber und einsatzbereit: Ein guter Malerpinsel hält umso länger, wenn er nach jedem Einsatz gesäubert wird.
Kopfüber und einsatzbereit: Ein guter Malerpinsel hält umso länger, wenn er nach jedem Einsatz gesäubert wird. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Ja die Dombaustelle, das sei schon etwas ganz Besonderes gewesen. „Allein die Bombensicht da oben, als die Zeltplane dann weg war.“ Überhaupt hätten die beiden Kirchengemeinden in Neviges immer interessante Aufträge zu vergeben. „Wir haben auch den Wetterhahn oben auf der Stadtkirche vergoldet, auch da hatte man einen schönen Blick auf die Stadt.“ In einen nebligen Herbstwald schaute Benjamin Steinhage letztens bei einem privaten Auftraggeber. „Das war eine ganz besondere Fototapete aus Schweden. Hinter dem Sprossenfenster war dieser Wald, das war nicht ganz einfach zu kleben.“ Überhaupt, so erzählt der Handwerksmeister, sei eine Renaissance der Tapete zu beobachten. „Eine Zeit lang wurde ja viel glatt gespachtelt, aber in letzter Zeit tapezieren wir so viel wie schon lange nicht mehr.“ Nicht nur Raufaser und einfarbige Strukturtapete, auch florale Muster seien wieder stark im Kommen. „Besonders auch englische Tapeten mit erdigen, gedeckten Tönen, nichts Grelles, eher so im Landhaus-Stil.“

Sohn Emil zeigt Interesse

Ob die Nachfolge des Traditionsbetriebes in der vierten Generation gesichert ist, bleibt abzuwarten. Sohn Emil (11) verkünde wohl in letzter Zeit häufiger: „Ich werd Maler.“ Was allerdings für Benjamin Steinhage noch kein Grund ist, an den Ruhestand zu denken: „Das ist jetzt ein neuer Beruf, den er kennt. Letztens wollte er noch Lokomotivführer werden.“ Naja, Papa hat ja auch erst über Umwege sein Glück gefunden.