Neviges. Holz ist hier mehr als nur ein Material: In der Tischlerei Häger in Neviges entstehen Küchen, Schränke, Spielzeug. Und ein Boot mit Geschichte.
Fast liebevoll streicht Guido Häger über den Eichenholzstamm. „Das wird eine Küchen-Arbeitsplatte. Ein schönes Stück mit feiner Maserung, es wird natur-geölt, die Leute wollen wieder mehr Leben. Die wollen sehen, dass da ein Baum war.“ Und sie wollen individuelle Beratung, eine Küche oder einen Kleiderschrank, den es kein zweites Mal gibt, ein echtes Unikat – wo doch schon der Urlaub ausfällt, man auf vieles verzichten muss.Seit dem ersten Lockdown in der Corona-Pandemie kann sich Tischlermeister Guido Häger vor Arbeit kaum retten, wie er erzählt. „Im März ging es plötzlich los. Die Leute haben mehr Zeit, legen Wert auf ein schönes Zuhause.“
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Die Renaissance der Eiche
Und das ist es, was Guido Häger an seinem Beruf so mag: „Wir fahren raus, sehen, wie die Leute leben, machen Vorschläge, die wir dann gemeinsam mit den Kunden weiterentwickeln.“ Schön sei auch, „aus dem rohen Material selber etwas zu schaffen, wir sind ja nicht auf Anfertigungen angewiesen“. Sein eigenes Meisterstück steht in einem behaglichen Raum direkt neben der Werkstatt: Ein höchst praktischer Schrank mit mehreren variabel verstellbaren Fächern, der auch als repräsentativer Raumteiler gut daherkommt. „Aus Birnbaum, mag ich besonders gern. Oder auch Ahorn und Kirschbaum, das sind schöne feinporige Hölzer.“ Dass die gute, alte Eiche in den letzten Jahren eine wahre Renaissance erlebt und den Mief der Schrankwand a la „Gelsenkirchener Barock“ losgeworden ist, freut Häger besonders: „Eiche ist einfach ein schönes Holz. Im Trend ist auch die Kombination mit Weiß, etwa Eichentreppen mit weißen Wangen.“ Bei seinen Neuanfertigungen arbeitet Häger ausnahmslos mit hiesigen Unternehmen zusammen, zum Beispiel mit einem Elektrofachhandel oder Schloss- und Beschlagfirmen. „Das Geld sollte in Velbert bleiben.“
Stehtische aus Sturmschaden-Holz
Natürlich geht es in seiner Werkstatt nicht ohne moderne Maschinen, die zum Beispiel auf den Millimeter genau hobeln. Aber das fachliche Auge, das sei durch nichts zu ersetzen. „Ich guck mir genau den Querschnitt an: Wie sieht das Holz von innen aus? Manche Leute mögen es ganz rustikal und die Löcher behalten, aber da muss man muss natürlich auch gucken, alles hat Grenzen.“ So eigne sich eine Platte mit tiefen Einkerbungen nicht als Küchen-Arbeitsplatte, stattdessen für andere Möbelstücke. „Hier, das ist ein Baumstamm aus einem Sturmschaden, da mach ich Stehtische raus.“
Ein altes Schaukelpferd wird aufgemöbelt
Betrieb vom Großonkel übernommen
Die Tischlerei Häger, Donnenberger Straße 4 - 6, ist von Montag bis Freitag von 7.15 bis 16 Uhr geöffnet und nach Vereinbarung unter 02053 96 95 43. Mehr auf www.tischlerei-haeger.de.
Guido Häger hat den Betrieb 1996 von seinem Großonkel Klaus Bock übernommen, 2006 zog der Betrieb von Tönisheide nach Neviges. Zum Team gehören drei Gesellen und Ehefrau Gudrun, die sich um die Buchhaltung kümmert.
Aus Alt wird Neu, das gilt auch für den Holzverschnitt, der hier im Laufe eines Tages anfällt. In einem Silo werden die Späne aufgefangen und zu Briketts verarbeitet, „damit heizen wir unsere Werkstatt.“ Besser kann ein ökologischer Kreislauf nicht aussehen. „Das ist uns schon wichtig. Und wir produzieren ja auch keinen Verpackungsmüll“, so Häger . Spaß machen ihm, bei aller Arbeit, nach wie vor auch kleinere Aufträge wie die Restaurierung eines Schaukelpferdes. „Ein Familienstück, fast 30 Jahre alt. Es wurde einst für die Kinder angeschafft, jetzt möchte es der Großvater seinem Enkel zum ersten Geburtstag schenken. Klar, ein neues wäre wohl preiswerter, aber hier geht es ja um den ideellen Wert“, sagt Guido Häger, der die Intention gut versteht. „Ich bin jetzt auch zum ersten Mal Großvater geworden. Unsere erste Wiege, die wurde ganz schön herumgereicht.“ Und was ist mit dem Boot, das da von der Decke baumelt?
Ein Boot für die Pfadfinder
Der Tischlermeister, der den Betrieb 1996 von seinem Großonkel Klaus Bock übernommen hat, lächelt: „Das hatte mal der erste Geselle meines Vorgängers für die Pfadfinder gemacht. Es lag dann jahrelang im Kloster herum, wir hatten es uns dann wieder geholt und ich bin damit zum Junggesellenabschied vor 30 Jahren die Lenne runtergefahren, die Jungs in Kanuboten nebenher.“ Irgendwann soll das Schätzchen noch mal auf Vordermann gebracht und zu Wasser gelassen werden – wenn Tischlermeister Häger wieder durchatmen kann und all die Küchen, Schränke und Schaukelpferde bei ihren Besitzern gelandet sind.