Die Sozialpsychiatrische Gesellschaft Niederberg in Velbert bietet vielschichtige Hilfe an. Seit diesem Jahr gibt es dort ein besonderes Projekt.

Ein Problem kommt selten allein: Das weiß kaum jemand besser als die Mitarbeiter der Sozialpsychiatrischen Gesellschaft Niederberg (SGN) an der Nordstraße. Die Klienten, die hierherkommen, leiden unter vielfältigen psychischen Erkrankungen, häufig in Kombination mit einer Suchtproblematik. Eine regelmäßige Arbeit ist nicht zu bewältigen, manchmal sind Kinder im Spiel, die mitunter in die Verantwortung für ihre erkrankten Eltern oder den erkrankten Elternteil rutschen: Sie versorgen kleinere Geschwister, schmeißen den Haushalt, gehen einkaufen.

Förderung bis Ende 2022

Die Sozialpsychiatrische Gesellschaft Niederberg an der Nordstraße.
Die Sozialpsychiatrische Gesellschaft Niederberg an der Nordstraße. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Diesem komplexen Konstrukt an innerfamiliären Schwierigkeiten wird seit Mai dieses Jahres mit einem neuen Projekt begegnet: Es nennt sich „ANKER“ (Auf Augenhöhe nachhaltig Kinder und Eltern erreichen – rundum) und wird durch den europäischen Sozialfond und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2022 gefördert. „Wir haben bereits 17 Familien in der Betreuung“, erklärt SGN-Mitarbeiterin Dörte Jeß und strahlt über das ganze Gesicht, „dieses Projekt ist einfach großartig, weil es nicht ein Problem in den Fokus rückt, sondern ganzheitlich funktioniert.“

Probleme werden ganzheitlich gelöst

Die Sozialarbeiterin erzählt von einer jungen Familie, in der die Eltern arbeitslos sind und nur schlecht deutsch sprechen, zudem lebt die pflegebedürftige Großmutter mit im Haushalt. Sie ist schwer krank und hat keine Aufenthaltsgenehmigung. Aus diesem Grund ist sie nicht krankenversichert, ein Großteil des zur Verfügung stehenden Geldes wird für die Medikamente benötigt. Die Familie lebt an der Armutsgrenze, das älteste von vier Kindern (8 Jahre) fungiert als Dolmetscher. „Wir hatten und haben hier verschiedene Probleme, die es zu lösen gilt“, erklärt die Expertin, „zuerst haben wir Kontakt mit der Ausländerbehörde aufgenommen und erreicht, dass die erkrankte Großmutter zumindest schon mal eine Aufenthaltserlaubnis für einige Monate bekommen hat. Für die Eltern haben wir Deutschkurse organisieren können und den Kindern im Rahmen des Bildungspaketes die Teilnahme an Sportvereinen und kulturellen Angeboten ermöglicht.“

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Wege aus der Armut

Oberstes Ziel der Projektarbeit ist, die Familien darin zu stärken, irgendwann unabhängig von Sozialleistungen zu sein, zumindest aber große Armut abzuwenden. Weil Bedürftige aber nicht immer von sich aus Hilfe suchen, arbeiten in diesem Modellprojekt verschiedene Einrichtungen und Behörden mit der SGN zusammen, unter anderem das Jobcenter Kreis Mettmann und die sozialpsychiatrischen Zentren in Langenfeld (VPD) und Mettmann (SKFM).

Zusammenarbeit mit anderen Institutionen unverzichtbar

SGN - Geschäftsführerin Karin Wiechmann freut sich über die Teilnahme an dem Förderprogramm.
SGN - Geschäftsführerin Karin Wiechmann freut sich über die Teilnahme an dem Förderprogramm. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Die Zusammenwirkung mit dem Jobcenter ist enorm wichtig, die Mitarbeiter informieren uns etwa dann, wenn ein arbeitslos gemeldeter Klient nicht zu vereinbarten Terminen erscheint oder nicht auf Post reagiert. Das könnten Indizien dafür sein, dass dieser Mensch nicht einfach nur arbeitslos ist, sondern noch andere Probleme hat“, informiert Karin Wichmann, Leiterin der SGN. „Wie bieten dann unsere Hilfe an und sofern der Klient darauf positiv reagiert bereit ist, sich etwa bei einer Sucht therapieren zu lassen, kann so auch verhindert werden, dass der Leistungsbezug gestrichen wird, so wie es normalerweise üblich wäre.“ Dies sei ein ganz wichtiger Baustein innerhalb der Hilfsmaßnahme. „Man kann nicht auf der einen Seite dem Menschen seine Existenzgrundlage entziehen und gleichzeitig erwarten, dass er sein Leben an anderer Stelle besser geregelt kriegt“, weiß Wichmann aus langjähriger Erfahrung.

Alles auf freiwilliger Basis

Wer wird in das Förderprogramm aufgenommen?

Voraussetzung für eine Teilnahme an dem Förderprogramm „AktiF“ (das in Velbert Anker genannt wird) ist, dass in der Familie (oder bei einem alleinerziehenden Elternteil) mindestens ein minderjähriges Kind lebt und der Lebensunterhalt aus Transferleistungen (vom Staat gewährte Geld- oder Sachleistungen) bestritten wird.

Weitere Informationen und Kontakt zur SGN, Nordstraße 29, Velbert, auf www.sgn-niederberg.de oder unter 02051/80232-0.

Jede Familie, die in das Programm aufgenommen wird, soll die maximale Hilfe bekommen, die sie benötigt: Kinder, die mit depressiven Eltern aufwachsen, werden durch den in der SGN ansässigen Verein KIPKEL (Kinder psychisch kranker Eltern e. V. ) unterstützt. Hier lernen sie, dass sie keine Schuld an der Situation tragen, sie dürfen Kind sein, erleben Entlastung. Eltern wird bei der Arbeitssuche geholfen, es wird gemeinsam gezielt nach anderen Hilfsleistungen geschaut: Wo gibt es Hausaufgabenbetreuung für mein Kind? Welche Sprachkurse eignen sich? Würde das Jugendamt mir einen Familienhelfer zur Seite stellen? „Diese Arbeit ist unglaublich facettenreich und vielschichtig“, schwärmt Dörte Jeß, „und dabei ist es uns ganz wichtig zu betonen, dass die Annahme aller Hilfsangebote freiwillig passieren soll. Niemand wird zu irgendetwas gezwungen. Das wäre auch nicht konstruktiv, hier geht es um eine Vertrauensbildung die aufgebaut werden muss und das funktioniert nur, wenn alles absolut ohne Druck passiert.“ Weitere Berichte aus Velbert lesen Sie hier.