Neviges. „Nacht über Neviges. Widerstand und Verfolgung 1933-1945“ heißt Rainer Kösters neues Buch. Die geschilderten Schicksale gehen unter die Haut.

Einen Moment lang ist es vollkommen still im Awo-Stadtteiltreff. Was Buchautor Rainer Köster über den Terror der Nazis in Neviges sagt, über das unvorstellbare Elend, das der Zweite Weltkrieg auch in das beschauliche Neviges gebracht hat – all das lässt hier niemanden kalt. Ein Zuhörer fasst sich als erster: „Für mich ist die Erinnerung wichtig, wir müssen wachsam sein. Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Wir müssen uns immer wieder verdeutlichen: So etwas darf nie wieder geschehen.“ Rainer Köster ist das Datum wichtig, an dem er seine Forschungen vorstellt: der Antikriegstag am 1. September. Auch, wenn sich der Druck seines neuen Buches „Nacht über Neviges. Widerstand und Verfolgung 1933-1945“ aufgrund der Corona-Krise verschoben hat und der Band voraussichtlich erst Mitte September im Handel ist. Mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 entfesselte Hitler den Zweiten Weltkrieg. Rainer Köster: „56 Millionen Tote. Sechs Millionen ermordete Juden, eine halbe Million tote Sinti und Roma. Das sind Zahlen, die dürfen wir auch nach 81 Jahren nicht vergessen.“

Jahrzehntelang in Archiven geforscht

Zweiter Termin ist am 8. September

Rainer Köster wirkte bereits bei der Verlegung einiger Stolpersteine und dem Aufstellen anderer Mahnmale für Opfer von NS-Verbrechen mit.

Am Dienstag, 8. September, 18 Uhr, stellt Rainer Köster im Awo-Stadtteiltreff noch einmal einen Teil seiner Forschungen vor. Außerdem geht es dann um das Thema „Arbeitsverhältnisse.“ Eine Anmeldung ist erforderlich unter 02053 7312 oder per Mail an neviges@awo-velbert.de

Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich der mittlerweile pensionierte Gesamtschullehrer mit dem Thema NS-Zeit, hat dazu bereits ähnliche Abhandlungen über Erkrath, Mettmann, Langenberg und Heiligenhaus geschrieben. Und nun Neviges. Jahrzehntelang hat Köster in diversen Archiven geforscht und dabei 270 Namen aus Neviges und Umgebung gefunden, die in irgendeiner Weise etwas mit dem Thema „Widerstand und Verfolgung“ zu tun haben. Sein ausdrücklicher Dank gilt bei seinen Arbeiten auch Christoph Schotten, Leiter des Stadtarchivs, sowie dem Stadthistoriker Gerhard Haun.

Bomben auf Neviges

Im Awo-Stadtteiltreff gibt Rainer Köster am 8. September,18 Uhr, noch ein zweites Mal Einblicke in seine Forschungen zum Thema „Widerstand und Verfolgung in Neviges“.
Im Awo-Stadtteiltreff gibt Rainer Köster am 8. September,18 Uhr, noch ein zweites Mal Einblicke in seine Forschungen zum Thema „Widerstand und Verfolgung in Neviges“. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Zwar ist das Thema des Buches „Widerstand und Verfolgung“, doch anlässlich des Antikriegstages beschrieb Rainer Köster im Awo-Stadtteiltreff auch das Leid, das die Nevigeser durch die Kriegsschrecken erlitten haben. So wurde die Altstadt zweimal massiv zerstört: Bei einem Luftangriff der Amerikaner am 26. März 1944 starben zwölf Menschen. Die gesamte Klosterstraße, Teile der Pfarrkirche, ein Großteil der Wilhelmstraße mit der Stadthalle wurden getroffen. Und ganz kurz vor Kriegsende, in einer Nacht, bevor am 16. April 1945 der Bürgermeister von Neviges das Rathaus an die Amerikaner übergab, starben bei einem massiven Artilleriebeschuss noch 60 Menschen. „Zwei Drittel des Wohnraums waren vernichtet. Neviges war die am zweitschlimmsten zerstörte Stadt im damaligen Kreisgebiet“, erläutert Rainer Köster. Ein Grund sei gewesen, dass die Alliierten auf ihrem Rückflug aus Wuppertal, dem eigentlichen Ziel, noch Bomben über Neviges abgeworfen hätten.

Mehr Stolpersteine gefordert

Was Rainer Köster wichtig ist: Nie dürfe man die Opfer des Dritten Reiches vergessen. Nicht die ermordeten Juden, nicht die rund 2200 Zwangsarbeiter, die vor allem in den Fabriken in Tönisheide geschuftet hätten. So begrüße er sehr die neue Skulptur am Neanderthal-Museum in Mettmann, die an die Verfolgten der NS-Terrorherrschaft erinnert. Köster, der als Abgeordneter der Fraktion „Die Linke“ im Kreistag sitzt und aktuell zu den Landratskandidaten zählt, hatte sich für dieses Mahnmal stark gemacht. Was er sich für Neviges wünscht, sind mehr Stolpersteine, die an die Schicksale der jüdischen Mitbürger erinnern. „In Neviges und Tönisheide haben wir bisher sieben, wir brauchen aber 20 mehr.“