Velbert. Die Mäzenin Helga Barnhusen (97) wirft einen Blick in die Vergangenheit und auf die Gegenwart. Dabei geht sie mit der Stadt hart ins Gericht.
In ihrem langen Leben hat Helga Barnhusen viel erlebt: Die Weimarer Republik, die NS-Zeit, den Zweiten Weltkrieg, die Gründung der Bundesrepublik, den Wiederaufbau, zu dem auch sie und ihr Mann mit ihrer Velberter Gießerei beigetragen haben, die Wiedervereinigung und nun Corona. Im WAZ-Gespräch wirft die 97-Jährige, die mit ihrem Mann Alfred die bekannte Barnhusen-Stiftung gegründet hatte, einen Blick in die Vergangenheit, aber auch auf die Gegenwart – und geht mit einigen städtischen Projekten hart ins Gericht.
Ärger wegen eines zu nahen Wohnblocks
Die Stadt und die Barnhusens: Das war in den vergangenen Jahrzehnten keine ungetrübte Beziehung: Etwa Anfang der 1970er Jahre, als die städtische Wohnungsbaugesellschaft Wobau gegenüber der Gießerei an der Langenberger Straße einen großen Wohnblock errichtete.
Doch: Auch vor knapp 40 Jahren galten Schutzvorschriften, die etwa besagten, dass der Mindestabstand zwischen Fabriken und Wohnbebauungen 500 Meter zu betragen habe. Im Falle der Gießerei waren es aber lediglich 60 Meter. Und obwohl Alfred Barnhusen natürlich nicht an der Planung des Wohnblocks beteiligt gewesen war, sollte er 800.000 Mark für eine neue Staubfilter-Anlage und einen höheren Schornstein zahlen. „Das war wirklich ein Unding“, erinnert sich Helga Barnhusen.
Stadt musste 30.000 Euro an Stiftung zurückzahlen
Auch eine weitere Episode sorgte für Missmut: Vor rund drei Jahren stellte die „Alfred und Helga Barnhusen Stiftung“ der Stadt 30.000 Euro zur Verfügung – diese waren allerdings zweckgebunden und sollten für bestimmte Projekte zur Förderung von Kindern verwendet werden. Die Stadt hatte allerdings da zum Teil andere Vorstellungen. Es kam erneut zum Krach, die 30.000 Euro mussten wieder an die Stiftung zurückgezahlt werden.
Auch heute noch liegt Helga Barnhusen, deren Mann 2006 starb, in manchen Punkten mit der Stadt überkreuz. Zum Beispiel bei dem geplanten Gewerbegebiet „Große Feld“, das sie für gänzlich überflüssig hält. „Dafür werden Millionen Euro verpulvert, obwohl das Gebiet ökologisch wertvoll ist und die kälteste Schneise in Velbert ist. Die Landschaft dort wird zerstört“, empört sie sich. Zudem würden bei einer Realisierung des Projektes 800 bis 1000 Lkw täglich über die Langenberger Straße donnern. „Warum könnte man ein solches Gewerbegebiet nicht hinter Möbel Rehmann bauen, wo ein Autobahnanschluss ist?“
Stadtgalerie ist „eine Fehlplanung“
Auch die Stadtgalerie betrachtet die Velberterin als eine Fehlplanung: „Ich bin nur einmal dort gewesen. Nun ist auch noch Mensing weg, es ist so viel Geld versenkt worden.“ Den Umbau des Forums Niederberg hält sie ebenfalls für völlig unangemessen: „Das ist nur noch Beton und kostet so viel Geld.“ Dagegen wünscht sich die 97-Jährige mehr Grünflächen in Velbert.
Ansonsten ist Helga Barnhusen mit der Stadt so weit im Reinen, in der sie fast ihr gesamtes Leben verbracht hat. Geboren wurde sie an der Langenberger Straße und zog später nach Tönisheide. Es folgten ein paar Jahre auf dem Internat in Düsseldorf-Kaiserswerth, ehe sie 1938 wieder nach Velbert zurückkehrte und ihren Mann kennenlernte. Doch schon ein Jahr später wurde dieser als 18-Jähriger zum Arbeitsdienst eingezogen, den Zweiten Weltkrieg erlebte er bei der 11. Panzerdivision in Frankreich und an der russischen Front.
Schreckliche Erinnerungen an NS-Zeit
Die Zeit des Nationalsozialismus’ hat Helga Barnhusen in schlimmer Erinnerung: „Ich bin am Tag nach der Reichspogromnacht mit meinem Vater durch Velbert gelaufen. Es war ganz schrecklich.“ Sie machte auch aus ihrer Überzeugung kein Geheimnis: „Wegen regimekritischer Äußerungen bin ich 1944 dann zur Fliegerabwehr nach Nürnberg einberufen worden.“ Dank ihrer Heirat am ersten Weihnachtstag 1944 kam sie aber wieder nach Hause.
Nach dem Krieg zog sie mit ihrem Mann in eine kleine Wohnung an der Poststraße, „mit einer Toilette im Hof“. In den 1950ern gründeten die Barnhusens ihre Gießerei und bauten sie zu einem erfolgreichen Unternehmen aus. Doch Mitte der 80er Jahre rentierte sich alles nicht mehr: „Wir waren aber die einzige Gießerei in Velbert, die bei ihrer Schließung einen Sozialplan erfüllt hat.“
Stiftung unterstützt Kinder-Projekte
Der Kontakt zur Stiftung
Die „Alfred und Helga Barnhusen Stiftung“ wurde 2004 gegründet, 2019 kam noch ein Verein für kranke Kinder hinzu. Wer Unterstützung für Kinder-Projekte oder auch für einzelne Kinder erhalten möchte, kann sich mit der Stiftung in Verbindung setzen.
Dies kann per Post an Alfred und Helga Barnhusen Stiftung, Langenberger Straße 215, 42551 Velbert, oder per E-Mail an auh.barnhusen@t-online.de erfolgen. Die Nummer ist 02051/ 252545. Weitere Informationen auf www.barnhusen-stiftung.de.
Der soziale Gedanke trieb die Barnhusens auch weiter um: Sie wandelten das Gelände der ehemaligen Gießerei in Wohnungen um und gründeten 2004 ihre Stiftung, „weil wir selbst kinderlos waren und unsere Familienangehörigen genug Geld hatten“. Die Stiftung schüttet jedes Jahr rund 100.000 Euro für Projekte für Kinder aus, das Geld kommt aus den Immobilien-Mieteinnahmen. „Wir unterstützen vor allem Lern-Projekte und geben nicht milde Gaben“, schildert Helga Barnhusen. Begünstigte sind beispielsweise verschiedene Schulen und Kitas, auch das Lehrschwimmbecken im Nierenhof soll gefördert werden.
Nicht zuletzt deshalb ist die 97-Jährige glücklich, in Velbert zu sein – trotz mancher Meinungsverschiedenheit mit der Stadt. Und hier wird sie auch bleiben, denn: „Ich bin auf der Langenberger Straße geboren, und dort werde ich wohl auch sterben.“