Wuppertal. Nach einer Akupunkturbehandlung schwebte eine Patientin in Lebensgefahr. Die Velberter Akupunkteurin wehrt sich nun gegen ihre Verurteilung.
Ihr Fall hatte bundesweit entsetzt: Eine 56 Jahre alte Nackenschmerz-Patientin aus Niederberg war nach einer Akupunktur-Behandlung in Velbert mit schwerster Entzündung und Lebensgefahr in eine Klinik gekommen. Laut Ärzten wird die Frau auf Dauer unter den Folgen zu leiden haben. Das Landgericht in Wuppertal begann Donnerstag (13. August 2020) die strafrechtliche Berufungsverhandlung gegen die angeklagte Akupunkteurin (58): Sie wehrt sich gegen ein Urteil wegen Körperverletzung, Behandlung ohne Zulassung und Abgabe eines nicht zugelassenen Medikaments.
Behandlung kostete 80 Euro
Die fragliche Nadelbehandlung im März 2013 soll grade einmal 80 Euro gekostet haben. Im Untergeschoss eines Velberter Wohnhauses habe die Angeklagte ein Zimmer dafür benutzt. Die Patientin berichtete im Zeugenstand, sie habe von ihren Schmerzen berichtet. Die Angeklagte habe erklärt: „Das machen wir wieder gut.“ Nein, es habe keine Untersuchung gegeben. Auch keine Warnung vor möglichen Risiken, nur einige Nadeln im Nacken und an einer Hand. Zum Abschluss habe sie ein rosa Fläschchen mit bekommen, mit chinesischen Schriftzeichen darauf. Der Mann der Patientin sagte: „Das roch so ein bisschen wie China-Öl, was man schon mal bei Erkältung nimmt“.
Frau bekam schnell stärkere Schmerzen
Laut Zeugenaussagen bekam die Frau schnell stärkere Schmerzen. Sie sei noch einmal zu der Akupunkteurin gegangen. Danach sei es noch schlimmer geworden. Der Mann berichtete: „Meine Frau war richtig grau.“ Sie selber sagte: „Irgendwie hat es einen Ruck in mir gegeben. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist.“ In der Uni-Klinik Essen wurde die Frau mehrfach notoperiert, abgestorbenes Gewebe musste entfernt werden. Die Zusammenfassung des Mannes: „Vier Monate war sie im Krankenhaus, vier Wochen davon hat sie um ihr Leben gekämpft.“
Zivilrecht und Strafrecht
Bei Taten wie Körperverletzung können sich Geschädigte dem Strafprozess anschließen und ihre Interessen vertreten. Ansonsten verhandeln Gerichte über Schmerzensgeldforderungen in getrennten Zivilverfahren.
Bei Forderungen von mehr als 5000 Euro wird das Landgericht zuständig. Berufung ist möglich. Ein Urteil in einem Strafprozess nimmt die Entscheidung im Zivilprozess nicht vorweg, weil unterschiedliche Maßstäbe gelten.
Zivilverfahren läuft
Parallel zum Strafprozess läuft ein Zivilverfahren um Schmerzensgeld. Das Landgericht hat der Geschädigten nicht rechtskräftig mindestens 60.000 Euro zugesprochen - plus Entschädigung für Folgen, die später kommen. Demnächst muss das Oberlandesgericht in Düsseldorf darüber verhandeln.
Es bleiben Zweifel
Strafrechtlich geht es für die Angeklagte um Praktizieren ohne Erlaubnis. Laut früheren Urteil des Amtsgerichts bleiben Zweifel, dass sie die schwere Erkrankung der Geschädigten verschuldete. Die Staatsanwaltschaft hat das anders gesehen, aber nicht angegriffen. Eine ärztliche Zulassung allerdings soll die Angeklagte nur vorübergehend bis 2001 gehabt haben. Die vorsitzende Richterin im Berufungsprozess stellte klar: „Vereinfacht sagt das Urteil des Amtsgericht: Sie hat etwas gemacht, was sie berufsrechtlich nicht durfte.“ Die Nadelbehandlung wäre damit Körperverletzung, nicht Therapie. Schließlich muss das Gericht klären, ob es sich bei dem rosa Fläschchen um ein Medikament handelte, das die Angeklagte nicht hätte abgeben dürfen.
Von Angehörigen empfohlen
Zur Verhandlung sagte die Geschädigte, die Akupunkteurin sei ihr von Angehörigen empfohlen gewesen. Und wenn sie gewusst hätte, dass sie keine Ärztin vor sich hatte? „Dann hätte ich es wohl trotzdem machen lassen“, sagte die Frau. Das Gericht will Dienstag, 18. August 2020, weiter verhandeln. Hier lesen Sie weitere Berichte aus Velbert.