Neviges. Die Jubiläumsfeier fällt aus, doch die gute Laune bleibt: Voller Stolz blicken die Mitglieder des Pfarrcäcilienchors auf 140 bewegte Jahre zurück

Viele Traditions-Chöre in Velbert gaben in den letzten Jahren ihr Abschiedskonzert. Zu wenig und zu alte Sänger, mal fehlte ein Bass, mal ein Sopran. Auch der Pfarrcäcilienchor Neviges hing schon am seidenen Faden, aber das ist lange her. 1948 verstärkte der Jungfrauenchor den damals reinen Männerchor und sicherte dessen Überleben. Denn hatte der Pfarrcäcilienchor noch den ersten Weltkrieg überstanden, so drohte er nach 1945 auseinander zu brechen. Heute schallen immerhin 35 kraftvolle Stimmen durch Pfarrkirche und Dom. Mit Stolz blicken die Sängerinnen und Sänger mit ihrer engagierten Chorleiterin Ursula Klose auf 140 Jahre Chortradition zurück. Nur schade, dass aufgrund der Corona-Krise nicht richtig gefeiert werden kann.

Schon die Wallfahrtseröffnung fiel aus

„Um unser Sommerkonzert, das im Juni gewesen wäre, tut es mir natürlich leid, und im Oktober wollten wir alle zusammen nach Berlin fahren. Das Stiftungsfest im November mit vielen Gästen fällt auch aus, man kann ja nichts planen“, sagt die 56-jährige Chorleiterin und ausgebildete Kirchenmusikerin. Auch der Auftritt zur feierlichen Wallfahrtseröffnung fiel der Corona-Krise zum Opfer.

Singen mit sechs Metern Abstand

Die Pfarrkirche ist ihre musikalische Heimat (v. l.) Franz Röwer, Maria Großmann, Chorleiterin Ursula Klose und der Vorsitzende Hubert Rudolf.
Die Pfarrkirche ist ihre musikalische Heimat (v. l.) Franz Röwer, Maria Großmann, Chorleiterin Ursula Klose und der Vorsitzende Hubert Rudolf. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

„Ja, das ist eine absolute Durststrecke. So lange sind die Chorproben noch nie ausgefallen, noch nicht mal im zweiten Weltkrieg“, so der Vorsitzende Hubert Rudolf (67) seufzend. Umso größer war nach dem Lockdown die Freude, als Ursula Klose im Juni zu einem „Singen im Dom“ einlud. Keine Probe, aber ein erster Versuch, ganz vorsichtig, mit sechs Metern Abstand zum Nebenmann. „Alle waren glücklich. Es war wie eine Befreiung. Und ich hab mich sooo gefreut, dass ich sie alle wieder gesehen hab“, sagt die Chorleiterin strahlend. Klar, alle hier finden es schade, dass die geplanten Aktionen ins Wasser fallen. Aber so richtig trüben kann das die gute Laune nicht – denn immerhin gibt es einen Grund zum Feiern, immerhin gibt es noch diesen Traditionschor.

Seit 64 Jahren Mitglied

Wenn nicht gerade Corona-Zwangspause ist, proben 35 Männer und Frauen jeden Freitagabend oben im Pfarrheim Glocke. „Nur, wenn ich im Urlaub bin, oder krank, dann komm ich nicht“, erzählt Maria Großmann (84). Singen scheint jung zu halten. „Früher wurde man aufgefordert, mit 80 zuhause zu bleiben. Das ist vorbei“, sagt Franz Röwer (80) und kichert dabei schelmisch. Keine Frage, ohne den zweiten Bass läuft hier nichts. Seit 64 Jahren ist der Nevigeser aktives Mitglied. „Ja, das war 1956, ich weiß noch genau, wie mein Vater mich mitgenommen hat. Man musste den Ton treffen, der einem vorgegeben wurde. Und dann war man eben drin.“ Unvergessen die Festmesse 1968 zur Einweihung des Mariendoms: „Das war rappelvoll, es war wirklich beeindruckend“, erinnert sich Maria Großmann.

Budenzauber vor dem Dom

Informativ und mit Liebe gemacht ist die kleine, feine Ausstellung „140 Jahre Pfarrcäcilienchor“, die zurzeit im Mariendom zu sehen ist.
Informativ und mit Liebe gemacht ist die kleine, feine Ausstellung „140 Jahre Pfarrcäcilienchor“, die zurzeit im Mariendom zu sehen ist. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Schon immer sei dieser Chor mehr gewesen als nur eine Gemeinschaft von Menschen, die gern geistliche Lieder singen. Was wäre die Adventszeit ohne den kleinen, feinen Weihnachtsmarkt vor dem Dom? Als man 1979 auf die Idee kam, schönes Selbstgemachtes zugunsten der Chorarbeit und für einen gemeinnützigen Zweck zu verkaufen, da kam Maria Großmanns Ehemann Erhard (83) groß heraus. „Drei Buden hab ich damals selbst gebaut.“ Und überhaupt, so werfen die anderen ein, habe er all die Jahre viel für den „Budenzauber“ getan. Nie selbst gesungen, aber im Hintergrund ganz viel mitgewirkt, damit alles fluppte.

Aufbau eines eigenen Archivs

Ausstellung im Mariendom

Pfarrer Basilius Pfannenschmidt gründete 1880 mit 25 männlichen Sängern den Pfarrcäcilienchor Neviges. Die Heilige Cäcilie gilt als Schutzpatronin der Kirchenmusik. Ihr Gedenktag ist der 22. November. Im November ist auch immer das Stiftungsfest des Chores.

Im Mariendom ist zurzeit eine Ausstellung zur Geschichte des Pfarrcäcilienchors zu sehen. Geöffnet täglich von 9 bis 17 Uhr.

Lang ist die Liste der Chorleiter, die Maria Großmann und Franz Röwer haben kommen und gehen sehen. Natürlich nicht den ersten Chorleiter Loh, der 1880 jedes Mal aus Wuppertal-Dornap zu Fuß nach Neviges kam. Willi Sander, Walter Bettinger, Hans-Georg Hanf und Paul-Ernst Lindner hießen die Vorgänger von Ursula Klose, die seit 1993 die Geschicke des Chores lenkt. In der Zwangspause machte sie aus der Not eine Tugend und baute erstmals ein Chor-Archiv auf. Hockte wochenlang auf dem staubigen Dachboden, sichtete, sortierte, erstellte ein Findbuch für die Liedliteratur. Damit man bald wieder bei den Proben aus dem Vollen schöpfen kann. Franz Röwer und Marianne Großmann können es kaum abwarten. „Singen macht glücklich“, sagt die 84-Jährige. Franz Röwer nickt: „Man ist irgendwie beschwingt. Einfach schön danach.“