Neviges. Lichtdurchflutete Räume und viel Luft zum Atmen: Ein Investor und seine Architektin schufen in der maroden Stadthalle Neviges modernen Wohnraum.
Von außen ist auf den ersten Blick alles so geblieben, wie es den Nevigesern ans Herz gewachsen ist. Die unterteilten Sprossenfenster, sogar der Schriftzug „Stadthalle Neviges“ – nur, dass jetzt alles freundlich aussieht, geradezu strahlt. Wer jedoch durch die Eingangstür kommt und wie früher an der alten braunen Garderobe seinen Mantel abgeben will, dem stockt zum ersten Mal der Atem.
Der Wuppertaler Investor Harjit Singh-Georg und die Architektin Katharina Schneider haben aus der abbruchreifen Stadthalle an der Wilhelmstraße ein tollkühnes Wohnprojekt mit einem Haus und diversen Wohnungen geschaffen. Lichtdurchflutet, modern, aber auch stets der Tradition verpflichtet.
Investor liebt Häuser mit Geschichte
Zwar sollte die völlig marode Stadthalle abgerissen werden, stand aber gleichwohl bis zum Schluss unter Denkmalschutz. Und das bedeutet, dass die beiden eng mit dem LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland zusammenarbeiten. „Das ist natürlich wichtig und klappt auch gut“, sagt Investor Harjit Singh-Georg, dem man die Freude an seinem neuen Projekt ansieht. Der gebürtige Inder, der seit 1987 in Wuppertal lebt, ist geradezu verliebt in alte Gebäude, die eine Geschichte haben, etwas Besonderes sind. Wie die 1928 erbaute Stadthalle, laut Amt für Denkmalpflege das einzige Gebäude in Velbert, das im Stil der Bauhaus-Architektur errichtet wurde.
Stadthalle wurde 2012 geschlossen
Das Erntedankfest der Landjugend 2012 war die letzte Veranstaltung vor der Schließung, dann gammelte das Haus vor sich hin. Die Wobau hatte es schließlich der Stadt 2016 abgekauft, wollte nach dem Abriss hier Reihenhäuser bauen. Doch parallel zur Ausschreibung für ein Abriss-Unternehmen bemühte man sich bis zuletzt, einen Käufer zu finden. „Ich habe dann die Anzeige bei Immoscout gesehen“, erinnert sich Harjit Singh-Georg, der die Stadthalle im Oktober 2018 kaufte. „Ich mag so etwas einfach. Ich hätte auch gern den Velberter Wasserturm gekauft.“ Und auch an der alten Textilfabrik in der Sambeck sei er sehr interessiert.
Spagat zwischen Moderne und Tradition
Doch zurück zur Stadthalle: Vier Wohnungen mit einer Größe von 48 bis 120 Quadratmetern liegen vorn an der Wilhelmstraße mit Blick auf den Stadtgarten, der Zutritt zu den Wohnungen erfolgt über den ehemaligen Haupteingang. Und schon hier im Foyer merkt man, dass dem Investor und seiner Architektin Katharina Schneider der Spagat zwischen Moderne und Tradition wirklich am Herzen liegen und sie nicht einfach nur Vorgaben des Denkmalschutzes erfüllen. So sind die fein gemusterten Bodenfliesen zwar neu, passen aber wunderbar zu dem alten geschwungenen Treppenhaus, das original erhalten blieb. „Aus der Garderobe haben wir Trockenraum und Waschküche gemacht“, erzählt die Architektin, die in der Stadthalle vor allem folgende Herausforderung sah: „Licht war ein großes Thema. Es war ja alles ziemlich duster, und dann noch diese Hanglage.“
Auch gleich das Nachbarhaus gekauft
Ein erbittertes Ringen um den Erhalt
Die Stadt Velbert wollte das Haus erst an die Technischen Betriebe Velbert verkaufen. Es sollte für Parkraum abgerissen werden. Doch die Denkmalbehörde des LVR machte die Pläne zunichte und stellte das Gebäude unter Denkmalschutz.
Drei Jahre dauerte das erbitterte Ringen zwischen Stadt und LVR Amt für Denkmalschutz. Die Stadthalle war schließlich zum Abriss frei gegeben, da fand sich ein neuer Käufer.
Licht, Luft, Sonne – diese Schlagworte der Bauhaus-Ära hat die Architektin konsequent überall in der früheren Stadthalle umgesetzt. Etwa im hinteren Bereich, nicht einsehbar von der Wilhelmstraße: Wo einst im Saal gefeiert wurde, gibt es jetzt zwei große, helle Wohnungen zu je 140 Quadratmetern und einen Innenhof, der noch mit Pflanzkübeln begrünt wird. Damit die Bewohner einen schönen Anblick haben, kaufte Investor Harjit Singh-Georg auch gleich das Nachbarhaus an der Denkmalstraße und sanierte die Fassade. „Es hätte sonst nicht gepasst, wäre nicht stimmig gewesen.“
Vermarktung soll bald starten
Ein Clou des Gesamtprojektes ist das 325 Quadratmeter große „Mehrgenerationenhaus“, wie es der Investor nennt, mit seiner imposanten Eingangshalle. „Oben könnten die Großeltern wohnen, unten die Familie mit Kindern.“ Verbunden werden die Etagen mit einer modernen Treppe aus Buchenholz und Stahl. Apropos Stahl: Die ursprünglichen Stahlträger in dem großzügigen Wohnraum wurden nicht etwa verschämt versteckt, sondern schwarz lackiert. Trotzdem ist es hier alles andere als duster, dafür sorgen sage und schreibe 15 Fenster, zum Teil elektrisch zu öffnen. Alle Wohnungen und auch das Mehrgenerationenhaus werden vermietet, über den Quadratmeterpreis möchte der Investor im Moment noch nichts sagen. „Es ist ja noch nicht alles fertig.“
Schon in der nächsten Woche, so schätzt Harjit Singh-Georg, könnte die Vermarktung starten. „Jetzt werden noch die letzten Parkplätze vor dem Haus angelegt, dann kann es von uns aus losgehen.“ Sein größter Wunsch: „Es soll den Nevigesern gefallen.“