Langenberg. Petra Halfmann aus Langenberg schreibt gerne: Lieder und Slam Poetry. Nun hat sie einen Text über die aktuelle Corona-Situation verfasst.
Singen, Musik machen und – vor allem – Texte schreiben, das liegt Petra Halfmann im Blut. Seit sie Kind war, aufgewachsen in Remscheid-Lüttringhausen, liebt sie die Musik, als Teenagerin kam die Gitarre dazu und sie fing an, eigene Songs zu schreiben.
Inzwischen lebt Petra Halfmann mit ihrem Mann in Langenberg, arbeitet als Lehrerin am Berufskolleg Bleibergquelle. Musik und Texte aber sind nach wie vor genau ihr Ding. Und auch sie hat sich mit dem Thema Corona und allem was dazu gehört befasst, eben auf ihre Art und Weise.
Begriffe aus den Nachrichten gesammelt
„Ich habe einen Text geschrieben, in dem ich auf die ganzen neuen Begriffe eingehe, die uns im Zusammenhang mit der Krise jetzt jeden Tag begegnen“, erzählt die Künstlerin. Ein ganz frischer Text sei das, „Corona Poetry: In aller Munde“ hat sie das Werk betitelt.
Einen Text wie diesen erarbeitet Petra Halfmann akribisch. „Ich habe zunächst einmal Begriffe gesammelt, die jetzt die Runde machen.“ Virologe, Mortalität oder Übersterblichkeit. Durchseuchung, Mundschutz und Fakenews. Und viele mehr. „Daraus habe ich dann meinen Text entwickelt.“
Einen überraschenden Schluss gefunden
Poetry-Slam Texte können sich durchaus Reimen. Dazu gilt es, passende Begriffe zu finden, die dann auch einen sinnvollen Inhalt ergeben: „Das ist intensiv, das geht schon teilweise Richtung Wortakrobatik“, erläutert die Langenbergerin.
Und dann braucht sie auch einen Schluss: „Am Anfang mancher Texte weiß ich noch gar nicht, wo die Reise hingeht“, sagt Petra Halfmann und lacht. So sei es auch bei dem aktuellen Werk gewesen. „Das ist das Spannende an Slam Poetry“, sagt die Lehrerin für Musik und Religionspädagogik. „Es gibt so viele Möglichkeiten, sich auszudrücken, man ist an kein Schema gebunden und kann unglaublich viel Dichte erzeugen.“
Seit der Schulzeit für Sprache begeistert
Ihr sei es ein Anliegen, „Dinge, die andere auch kennen oder erlebt haben, in Worte zu bringen, auf den Punkt zu bringen.“ Bei ihren Auftritten – sie ist weltweit unterwegs – könne sie beobachten, dass die Texte die Zuhörer tatsächlich ansprechen. „Da passiert was“, sagt Petra Halfmann. Immer wieder komme es vor, dass einer der Besucher sie frage, ob er (oder sie) einen bestimmten Text haben könne.
Die Begeisterung für Sprache entdeckte Petra Halfmann schon früh, „ich habe schon in der Schule gerne Aufsätze verfasst und überhaupt gerne geschrieben.“ Auch Gedichte lernte sie gerne auswendig, das hat sich bis heute gehalten. „Meine Slam-Poetry trage ich auswendig vor“, sagt die Künstlerin.
Mit Musik fing alles an
Begonnen hat sie ihre Karriere aber zunächst mit Musik: Erst mit Coversongs, später mit eigenen Stücken. „Da habe ich dann Themen aus dem Schulalltag zum Beispiel verarbeitet“, blickt sie zurück. „Umweltschutz, Liebeslieder, solche Sachen.“ Später dann schlug sich in den Texten ihr christliches Umfeld nieder.
Zur Slam Poetry sei sie dann vor etwa fünf oder sechs Jahren gekommen, erzählt die gebürtige Remscheiderin. „Ich habe mitbekommen, dass es das gibt, habe mir Auftritte im Internet und auf der Bühne angeschaut.“ Was sie sah und hörte, habe ihr gefallen. „Eine tolle Kunstform.“ Und so habe sie selbst angefangen, solche Texte zu schreiben „und in meine Konzerte einzubauen.“ Die Resonanz sei bislang überwiegend positiv gewesen.
Workshops für ihre Schüler
Am Berufskolleg Bleibergquelle werden Erzieher ausgebildet. Zum Unterricht gehören auch Kreativworkshops. In diesem Rahmen hat Petra Halfmann auch mit den Schülern Slam Poetry erarbeitet.
„Ich stelle die Werkzeuge zur Verfügung, die Schüler verfassen dann eigene Texte.“ Die Ergebnisse seien beachtlich, lobt die Pädagogin. Allerdings hat Corona ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht: Bis auf einen Text, der Teil eines Online-Gottesdienstes geworden war, werden die anderen erst einmal keinem Publikum vorgeführt: „Der Slam Poetry Abend musste leider ausfallen.“
Über den Verein „Gefährdetenhilfe Scheideweg“ kam Petra Halfmann mit 19 zu einem Auftritt in einem Gefängnis. „Diese Begegnung hat mich so sehr bewegt“, schreibt sie auf ihrer Homepage, „dass ich mich entschloss, regelmäßig in Gefängnisse zu fahren.“
Ob der Text zu Corona irgendwann einmal auf der Bühne zu hören sein wird, das weiß Petra Halfmann jetzt noch nicht: „Ich dachte mir, diese Zeilen sind jetzt relevant. Wer weiß, ob sich nächstes Jahr noch jemand für das Thema interessiert.“
Petra Halfmann, „In aller Munde“ – der komplette Text
Nicht nur das Leben hat sich in den letzten Wochen stark verändert,
auch die Themen,
die uns in Beschlag nehmen,
die wir diskutieren.
Wir interessieren
uns für jede Menge
komplexe Zusammenhänge,
über die wir bis vor kurzem nie nachgedacht haben.
Das erweiterte sogar
unser Vokabular.
Wortneuschöpfungen machen die Runde.
Neue Begriffe in aller Munde.
Die Kurve flach halten beispielsweise,
etwas, was man höchstens im Kreise
der Virologen bisher kannte,
aber nicht der so genannte
Normalsterbliche.
Apropos normalsterblich:
Mortalität, Übersterblichkeit,
das sind häufige Worte in dieser Zeit.
Geringhalten der Todesfälle,
die Gefahr einer zweiten Welle.
Auch Begriffe wie: Testkapazität,
Durchseuchung, Herdenimmunität
inzwischen versteht
jeder was gemeint ist.
Infektionsketten nachvollziehen,
Fakenews, Verschwörungstheorien,
Hygieneregeln und Abstand halten.
Ob Behelfsmasken helfen,
darüber ist man gespalten.
Eine flächendeckende Maskenpflicht
gab es anfangs erst mal nicht.
Mundschutz mit einer Papierserviette?
Beachten der Hust- und Niesetikette.
Belastbare Zahlen, Neuinfektionen,
Risikopersonen schonen.
Wie viele Personen sind vorerkrankt?
Der R-Faktor, der dauernd schwankt.
Der Anteil der schweren Krankheitsverläufe,
Panikmache und Hamsterkäufe,
Kontaktbeschränkungen, Selbst- Quarantäne,
Pandemie, Hygienepläne,
Untertreiben, übertreiben?
Lockdown für alle, zu Hause bleiben!
Wann ist eine Lockerung in Sicht?
Überstürzen wir es lieber nicht.
Wie‘s weitergeht, ist ungewiss.
Bis dahin heißt es: Homeoffice.
Vieles geht auch von zu Haus
vom Laptop aus.
Ein Klick per Maus,
und wir schalten uns zu in Konferenzen,
Online Meetings ohne Grenzen.
So lange das Internet funktioniert,
wird virtuell kommuniziert.
Livestream Konzerte, die neue Devise,
Balkonsingen in der Coronakrise.
Ausdruck von Hoffnung, Solidarität:
Das Glockenläuten zum Coronagebet.
So viele Begriffe,
Wortkreationen
und Kombinationen
die es so noch nicht gab.
Wortneuschöpfungen machen die Runde.
Neue Begriffe in aller Munde.
Sie werden zu unseren Worten,
beschreiben unser Leben,
unsere Themen,
nehmen uns in Beschlag
immer wieder
jeden Tag
und ich frag mich:
Sind sie nicht eigentlich
etwas zu einseitig?
Wie wird das Leben nach Corona sein?
Welche Worte fallen uns dann wieder ein?
Was für Themen werden uns dann interessieren?
Worüber werden wir kommunizieren?
Vielleicht verschwinden dann all die Corona-Begriffe
nach und nach wie sinkende Schiffe.
Und wenn unsere Nachkommen in vielleicht 200 Jahren
im Geschichtsunterricht etwas von Corona erfahren,
denkt mancher vielleicht im ersten Moment,
der sich historisch nicht so gut auskennt,
Corona sei ein Dorf in der Normandie
und ahnt nichts von der Corona Pandemie.