Velbert-Mitte. Deutlich verjüngt präsentiert sich der neue Vorstand des Alevitischen Kulturzentrums Velbert. Die Verantwortlichen haben sich einiges vorgenommen
Das Alevi Bekatsi Kulturzentrum in Velbert hat einen neuen Vorstand. Das ist eigentlich nicht ungewöhnlich, muss ein Verein doch regelmäßig seine Vorsitzenden (neu) wählen. Was hier aber besonders ist: Die frisch gewählten Verantwortungsträger sind nicht nur relativ jung, sie haben sich auch umfangreich auf die Aufgaben vorbereitet und ein langfristiges Konzept entwickelt.
„Etwa vor einem halben Jahr haben wir uns zusammengesetzt“, erzählt Yüksel Kolcak. der Familienvater ist nun erster Vorsitzender. „Wir haben festgestellt: Es läuft gut, aber wir möchten die Strukturen gerne professionalisieren.“ Und den Verein mehr an die Öffentlichkeit bringen.
Akribische Vorbereitung auf das Amt
„Dazu haben wir rund vier Monate so etwas wie Marktforschung betrieben“, sagt Kolcak. Dazu setzte sich die Gruppe derjenigen, die gerne Verantwortung übernehmen wollte, zunächst mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zusammen. „Wir wollten wissen: Was erwarten die von uns, was benötigen die?“.
Danach waren die Frauen des Vereins an der Reihe. „Diese Sitzung war auch proppevoll“, sagt Kolcak. „Und das war wichtig, denn wir wissen: wenn die Frauen mitziehen, dann haben wir auch die Männer auf unserer Seite.“
Es folgte ein Workshop, „in dem wir einen Aktionsplan erarbeitet haben: Was wollen wir in einem Jahr erreichen?“, sagt Yüksel Kolcak. Herausgekommen ist eine Neuorganisation der Vereinsstruktur und ein ambitioniertes Programm.
Bildungsangebote für junge Erwachsene und Jugendliche
„Wir wollen einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben leisten“, berichtet der neue Vorsitzende. „Dazu gehören Bildungsangebote, wir wollen aber auch Ansprechpartner für Arbeitgeber sein oder eine Azubi-Börse auf die Beine stellen.“ Geplant ist außerdem eine Fahrt nach Berlin, außerdem hat der Vereinen eine Förderzusage für ein Projekt zur Demokratie erhalten.
Aufgeteilt ist die Arbeit auf den aus sieben Mitgliedern bestehenden Hauptvorstand – „davon drei Frauen, das ist doch eine ganz ordentliche Quote für den Anfang“, sagt Yüksel Kolcak – und verschiedene Ausschüsse. So gibt es eine Schiedskommission für interne Angelegenheiten, einen Frauen-, einen Jugend-, einen Sport- sowie einen Kunst- und Kulturausschuss. Hinzu kommt ein geistlicher Rat und ein Ausschuss für die Mitgliederbetreuung.
Die Aktivitäten sind offen für alle Velberter
Kein Ausschuss arbeitet dabei alleine, sagt Sevinc Tasten vom Frauenausschuss: „Für das Programm zum Weltfrauentag haben wir zum Beispiel mit dem Kulturausschuss zusammengewirkt.“ Herausgekommen war ein Theaterstück mit Jugendlichen („Gewalt gegen Frauen? Nein!“) und eine Lesung zu Rosa Luxemburg.
„Wir wollen uns stärker einbringen in das öffentliche Leben in Velbert“, sagt dazu Yüksel Kolcak. Der Verein, das Kulturzentrum seien dabei offen für alle: „Wir stehen für Solidarität und Gleichberechtigung“, ergänzt die stellvertretende Vorsitzende Rezan Halis. „Wir lehnen niemanden ab, jeder Mensch ist gleich wertvoll. Das ist ja auch der Grundsatz der Aleviten: Keinen Menschen und keine Nation gering zu schätzen.“
Ziel ist ein Dialog der Kulturen
Das liege einfach in der Natur des Alevitentums, „schließlich sind wir nicht auf eine Nation begrenzt. Aleviten kommen aus allen möglichen Nationen.“ Das Zentrum stehe selbstverständlich auch Christen oder weniger religiösen Menschen offen.
„Unser Ziel ist ein Dialog der Kulturen“, sagt dazu der Vorsitzende des Kulturausschusses, Erkan Kolcak. „Wir wollen nicht nur intern für den Verein arbeiten, sondern auch mit Kitas, Schulen und Vereinen zusammenarbeiten und so Vorurteile abbauen.“ Das sei eine große Herausforderung, „aber wir sind sehr positiv gestimmt.“
Jugendausschuss bringt sich im Stadtjugendring ein
Dazu beitragen soll auch der Jugendausschuss. Seit 2017 ist der Verein Mitglied im Stadtjugendring, das Alevitische Kulturzentrum engagiert sich seit dem beim Kinderfest am 1. Mai am Schloss Hardenberg in Neviges oder bei der Disco „Time2Dance“.
Der Ausschuss sieht seine Aufgabe aber auch darin, die Jugendlichen der Gemeinde fit für die Zukunft zu machen – etwa durch Bewerbungstrainings – und den Heranwachsenden eine Verbindung zur Stadt Velbert und zum Alevitentum zu vermitteln.
„Wir sind dabei überparteilich“, betont Yüksel Kolcak, „wir sind offen für all diejenigen, die demokratische Werte vertreten.“ Trotzdem will sich der Verein auch politisch mehr einbringen, „und zwar zu allen gesellschaftlichen Themen, nicht nur, wenn es die Türkei betrifft“, sagt Kolcak. Das sei „eine Menge Arbeit, aber wir werden das mit Leben füllen.“
Aleviten und Alevitentum
Das Alevitentum ist ein humanistischer Glaube aus Anatolien. Gleichstellung der Geschlechter, Nächstenliebe, Naturverbundenheit, Toleranz, Weltoffenheit, Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft sind Kernelemente des alevitischen Glaubens.
Das Alevitentum ist ein synkretistischer Glaube, der insbesondere vom Islam, aber auch vom Christentum, Judentum, Zorotraismus, Schamanismus, Buddhismus und vielen anderen Glaubensrichtungen beeinflusst wurde.
In Deutschland sind etwa ein Drittel der aus der Türkei stammenden Migranten Aleviten. Somit leben ungefähr 800.000 Aleviten in der Bundesrepublik. Organisiert sind die Aleviten zumeist in der Alevitischen Gemeinde Deutschland e. V. mit Sitz in Köln.
Die Aleviten bilden auch in der Türkei mit schätzungsweise 15 bis 20 Millionen Menschen nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft.
In NRW ist seit dem Schuljahr 2008/2009 das Alevitentum ein versetzungswirksames Schulfach. Zuständig für die Ausbildung der Lehrkräfte ist die Alevitische Gemeinde Deutschlands.