Neviges. Kirchenmusikerin Ursula Klose baut auf dem Dachboden der Glocke ein Chor-Archiv auf. Dabei entdeckt sie auch so manche Kuriosität.

„Ein guter Gesang wischt den Staub von den Herzen“, dieser Spruch des Komponisten Christoph Lehmann hängt eingerahmt im Probenraum des Pfarrcäcilienchores. Ein paar Treppenstufen höher, auf dem Dachboden des Pfarrheims Glocke, kämpft Kirchenmusikerin Ursula Klose zurzeit jeden Tag gegen Staub. Staub, der dick auf zum Teil 140 Jahre alten Noten liegt. Der einem entgegen fliegt, wenn man eine Schranktür öffnet. Und doch ist Ursula Klose, die auch den Pfarrcäcilienchor leitet, hier jeden Tag aufs Neue glücklich: Die 56-Jährige erstellt ein Chor-Archiv, damit erfüllt sie sich einen langgehegten Wunsch.

Alle Veranstaltungen abgesagt

Gegen den Staub trägt Kirchenmusikerin Ursula Klose eine Schutzmaske. In den Schränken verbergen sich Kostbarkeiten und viel Kurioses.
Gegen den Staub trägt Kirchenmusikerin Ursula Klose eine Schutzmaske. In den Schränken verbergen sich Kostbarkeiten und viel Kurioses. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

„Das ist toll, ich kann etwas ganz Neues schaffen. Das wollte ich schon lange, aber hatte nie die Zeit dazu.“ Bis Mitte März die Corona-Krise das öffentliche Leben lahm legte und damit plötzlich auch für Ursula Klose viele Aufgaben wegbrachen. „Keine Proben, das offene Projekt-Singen für Karfreitag fiel aus, meine Musikwoche im Kindergarten, einfach alles. Die erste Woche habe ich nur damit verbracht, Leute anzurufen und ihnen abzusagen“, erzählt die seit 27 Jahren fest angestellte Kirchenmusikerin der Katholischen Kirchengemeinde Maria, König des Friedens. Als das Gröbste erledigt war, blitzte dann wieder die Idee auf, die ihr seit Jahren im Kopf herumschwirrte: All die Schätze durchzusehen, die oben auf dem Dachboden liegen.

Alles lag unsortiert herum

Die Jubiläumsfeier im Juni wackelt

Ursula Klose (56) ist gebürtige Kölnerin und hat in Regensburg Kirchenmusik studiert. Anschließend absolvierte sie ein Aufbaustudium Alte Musik. Ursula Klose lebt in Neviges, erkundet gern die Gegend mit dem Fahrrad, liest leidenschaftlich gern, geht viel ins Theater und ins Kino.

Das Jubiläumsfest 140 Jahre Cäcilienchor ist für den 19. Juni geplant. Falls aber erst im Mai mit den Proben angefangen werden dürfe, wolle man das Fest verschieben.

„Ich hab das ganz furchtbar vorgefunden, es war wirklich nichts sortiert, ein Chaos. Ich bin dann erstmal zu unserer Verwaltungsleiterin Frau Rehrmann gegangen, die hat mir eine Maske gegen den Schmutz beschafft“, erzählt Ursula Klose, öffnet einen der Schränke und legt einen Stapel Blätter auf ihren „Schreibtisch“, wie sie sagt: ein großer alter Karton, „da kann man aber prima Sachen drauf legen, das reicht mir.“ In einem ersten Arbeitsschritt wird nun erstmal alles aus den Schränken geholt, alles gesichtet. 140 Jahre Pfarrcäcilienchor, da kommen neben Kostbarkeiten auch Kuriositäten zutage.

Spaß an den „Lustigen Sängerknödeln“

Sichten, sortieren, entscheiden, was oben im Chorraum eingelagert wird. Ursula Klose hat jede Menge Arbeit auf dem Dachboden der Glocke.
Sichten, sortieren, entscheiden, was oben im Chorraum eingelagert wird. Ursula Klose hat jede Menge Arbeit auf dem Dachboden der Glocke. © Funke Foto Services | Uwe Möller

„Hier, das ist der Hammer“, sagt Ursula Klose und schwenkt lachend das Heft mit dem Titel „Lustige Sängerknödel“. Auch schön: Der „Fidele Stammtisch“, versprochen werden die „Possen-Schlager der Saison“, das alles für 40 Pfennig. „Allein die Werbung durchzuschauen und diese ganzen liebevollen Illustrationen, da muss man schon aufpassen, dass man keine Zeit vertrödelt.“ Denn bei allem Vergnügen, das hier ist harte Arbeit: „Die Kopien kamen sofort in die Tonne. Gerettet hab ich die Chorpartituren, auch Einzelausgaben wie Liedhefte und Liedbücher.“

Alles wird sortiert nach weltlicher und geistlicher Literatur, per Laptop eingepflegt und somit entsteht eine Findbuch für den Chorbestand. „Ich hab auch Klavierauszüge großer Chorwerke gefunden und Taschenpartituren, ganz herrlich“, sagt Ursula Klose, die mit Musik aufgewachsen ist und sich ein Leben ohne einfach nicht vorstellen kann.

Täglich an der Orgel üben

Daher beginnt ihr Tag auch an der Orgel: Jeden Morgen übt sie etwa drei bis vier Stunden, zurzeit für den Gottesdienst am Ostersonntag im Dom. Der ist zwar nicht öffentlich, wird aber im Internet auf Youtube übertragen. „Und es soll ja besonders festlich sein, also muss alles sitzen.“ Geübt wird in der Pfarrkirche, „da hab ich meine ganzen Sachen, das hat sich so eingebürgert.“ Daher ist sie besonders froh, dass die Orgel hier kürzlich umfangreich gestimmt und repariert wurde. Ostern kann kommen – ganz anders dieses Jahr, aber mit festlicher Orgelmusik und einem picobello sortierten Chor-Archiv.