Velbert. Hannah (10) aus Langenberg hat bei „Jugend musiziert“ gewonnen. Unterrichtet wird das Mädchen von einer ehemaligen Konzertpianistin.
Dienstagmorgen in der Hattinger Innenstadt. Hannah-Siyao Wu sitzt mit dunklen, zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren am Klavier. Wie in Trance lässt sie ihre Hände über das Instrument fliegen, die Töne schweben durch den Raum. Die Präzision ihrer Finger ist beeindruckend, besonders für eine Zehnjährige. „Wir erzählen Geschichten, wenn wir Klavier spielen. Die Musik geht durch das Herz“, wird Viktoria Ackermann später sagen. Sie ist Diplom-Musikerin und die Klavierlehrerin von Hannah, die mit ihren Eltern in Langenberg lebt.
Gemeinsam mit ihrem Schützling ist sie vor kurzem zum Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“ gefahren – wo Hannah schließlich als Siegerin hervorging; mit 24 von 25 Punkten. Gespielt hat sie dort ein Stück von Karl Czerny, eines von Händel und ein chinesisches Stück namens „Fröhlicher Hüterjunge“ von Huwei Huang. Letzteres ist es auch, dass sie an diesem Dienstagmorgen vorträgt. Ihre Haltung ist auffällig gerade, die Technik sauber. Alles kein Zufall. Denn in China, wo Hannah bis zum Sommer 2019 lebte, weht ein strenger Wind: Ihr Vater Zufeng Wu erzählt, dass in dem riesigen Land kaum auf Emotion beim Klavierspielen geachtet werde. „Die ersten zehn Jahre sind nur Technik, Technik und Technik.“
Die Emotionen müssen gelernt werden
So kommt es, dass Viktoria Ackermann ihrem Schützling zuerst die Emotion, die gefühlvolle Begeisterung für die Musik nahebringen musste. Das aber – so scheint es heute – ist ihr relativ schnell gelungen. Kaum ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft in Deutschland – wo sie bereits ihr erstes Lebensjahr verbracht hatte – sagt Hannah: „Klavierspielen mit Gefühl macht sehr viel Spaß.“ Und kann durchaus erfolgreich sein.
„Ich bin sehr stolz auf sie“
„Ich gebe zwar immer Verbesserungsvorschläge, aber in mir drin bin ich schon sehr stolz auf sie“, sagt Papa Zufeng Wu. Besonders unterstützt habe sie auch immer ihre Mutter, sagt er. „Von mir kam eher die finanzielle Unterstützung“, fügt er hinzu und grinst. Als Hannah mit fünf Jahren angefangen hat, Klavier zu spielen – übrigens nur deshalb, weil sie sich in ein Stück verliebt hatte, das sie irgendwo aufgeschnappt hat – spielte Familie Wu schon mit dem Gedanken, nach Deutschland zu gehen. „Deshalb“, sagt ihr Vater heute, „habe ich damals kein Klavier mehr gekauft“.
Mit großer Selbstdisziplin
Dieser Umstand führte dazu, dass Hannah in ihrer chinesischen Heimat jeden Tag eine halbe Stunde zur Schule laufen musste, eine Stunde am dortigen Klavier übte und eine halbe Stunde zurücklief. Dann war es oft bereits dunkel. „Und sie musste noch essen und Hausaufgaben machen“, sagt ihr Vater, der bewundert anfügt: „Sie hatte schon immer große Selbstdisziplin.“
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Mit dem Klavierspielen Geld zu verdienen, darüber denkt Hannah heute noch nicht nach. Sie träumt eher davon, Klavierlehrerin zu werden. „Konzertpianistin zu sein“, sagt ihre Lehrerin Ackermann zustimmend – und sie muss es wissen, weil sie jenen Beruf für Jahre ausübte – „ist unglaublich anstrengend. Jeden Tag acht Stunden am Klavier.“ Dieser Teil der Zukunft aber ist für Hannah sowieso noch weit weg. Demnächst geht es erstmal für Konzerte nach Heiligenhaus und Düsseldorf, wo die Zuschauer wieder darauf warten, dass ihre Finger über das Klavier fliegen.
Chinesische Wurzeln
Hannahs Vater Zufeng kam 2003 zum Studium nach Deutschland. Anschließend machte er sich selbstständig. Gemeinsam mit seiner Frau und der damals einjährigen Hannah ging er 2011 zurück nach China.
2019 beschloss die Familie dann erneut, nach Deutschland zu kommen. Mittlerweile lernt Hannah Schrift und Sprache. Seit einigen Monate spielt sie bei Klavierlehrerin Viktoria Ackermann in Hattingen