Langenberg. Der Verein Tierrettung International aus Velbert-Langenberg holt Hunde aus Tötungsstationen und vermittelt die Tiere an neue Besitzer.

Groß ist die Aufregung am Gutsweg, ein fremdes Auto biegt auf den Parkplatz ein. Xulu und Olivia, die beiden Irischen Wolfshunde, bellen, gucken neugierig über den Gartenzaun. Dazwischen ist das fast kieksige Gebell von Sammy und Lissy fast zu überhören. Grinsend schaut Carmen Luthe-Kohnen aus der Eingangstür: „Ich hoffe, Sie haben keine Angst vor Hunden?“ – Nein, Angst nicht, nur Respekt.

Die Langenbergerin ist nicht nur Hundebesitzerin, sie ist auch engagierte Tierschützerin. 2018 gründete sie den Verein Tierrettung International, der Hunde aus Tötungsstationen holt und an neue Halter vermittelt.

Auf den Azoren fing alles an

Ein Hund in einer rumänischen Auffangstation. Auch in dem osteuropäischen EU-Mitgliedsland ist der Verein Tierrettung International aus Velbert-Langenberg inzwischen aktiv.
Ein Hund in einer rumänischen Auffangstation. Auch in dem osteuropäischen EU-Mitgliedsland ist der Verein Tierrettung International aus Velbert-Langenberg inzwischen aktiv. © IKZ | Nicole Sagel

Doch von vorne. Nachdem die vier Hunde gemerkt haben, dass der fremde Mann ins Haus darf und nett zu sein scheint, ist die Aufregung schnell vorbei. Dafür gibt es jetzt Streicheleinheiten. Währenddessen erzählt Carmen Luthe-Kohnen, warum sie überhaupt den Verein gegründet hat.

Angefangen habe alles 2015, auf den Azoren. „Da waren wir wandern“, berichtet die 66-Jährige. „Und überall liefen kleine weiße Pudel umher.“ Straßenhunde, ohne Besitzer. „Ich hab’ gedacht: ,Das gibt’s doch nicht!“ Zunächst fliegt sie aber nach Hause. Der Gedanke an die herrenlosen Hunde lässt ihr jedoch keine Ruhe.

Seit 2018 gibt es den Verein Tierrettung International

„Ich habe mich dann im Internet schlau gemacht.“ Schnell findet sie den Verein „Rettung der Tötungshunde auf den Azoren“, nimmt Kontakt auf, hilft. „Erst im Hintergrund, dann bin ich nach und nach tiefer reingerutscht.“ Xulu und Lissy haben es sich mittlerweile auf einer Matratze gemütlich gemacht, Olivia lässt sich wohlwollend den Kopf kraulen. Sammy ist irgendwo unterwegs.

Irgendwann aber überwirft sich Carmen Luthe-Kohnen mit dem Verein, gründet 2018 ihren eigenen – „Tierrettung International“. „Mein Herzensprojekt sind immer noch die Azoren“, erzählt die passionierte Hundefreundin. Bis 2022 dürften dort Hunde noch getötet werden, drei Stationen gibt es dafür.

Hintergrund der Interessenten wird genau geprüft

Straßenhunde wie hier in Pitesti (Rumänien) werden gefangen und in Tötungsstationen gebracht. Carmen Luthe-Kohnen aus Velbert-Langenberg und ihr Verein versuchen, wenigstens einige dieser Tiere zu retten.
Straßenhunde wie hier in Pitesti (Rumänien) werden gefangen und in Tötungsstationen gebracht. Carmen Luthe-Kohnen aus Velbert-Langenberg und ihr Verein versuchen, wenigstens einige dieser Tiere zu retten. © dpa | Jens Kalaene

„Wir besuchen diese Stationen, machen Fotos, stellen die auf Facebook und warten auf Interessenten“, schildert Carmen Luthe-Kohnen das Vorgehen. Wer sich meldet, kann aber nicht einfach den Wunschhund abholen. „Die Leute müssen einen Fragebogen ausfüllen, etwa zum Wohnumfeld, zur Lebenssituation, ob Kinder im Haushalt wohnen.“

Passen die Ergebnisse, muss der Interessent eine Anzahlung leisten. Denn zum Einen müsse der Transport des Vierbeiners gebucht werden, und „außerdem sehe ich dann schon, ob das Interesse auch wirklich echt ist“, sagt die Vereinsgründerin. Ist die Anzahlung eingegangen, gibt es einen Hausbesuch von Experten, die ein vierseitiges Protokoll ausfüllen müssen.

Zehn Pflegestellen in ganz Deutschland

Denn manchmal lassen die Interessenten wichtige Informationen weg, diese Erfahrung hat Carmen Luthe-Kohnen auch schon mal gemacht: „Da stellte sich dann raus, dass eine Bewerberin Alkoholikerin ist. Da vermitteln wir natürlich nicht hin.“ Ist das Resultat aber positiv, dann wird der Restbetrag fällig und die Übergabe wird organisiert.

Aktuell arbeitet Tierrettung International mit zehn Pflegestellen in ganz Deutschland zusammen, 20 Hunde warten dort auf neue Besitzer. Die Tiere kommen aber längst nicht mehr nur von den portugiesischen Atlantik-Inseln, sondern auch aus Rumänien und Bulgarien. „Das ist so schrecklich da“, beginnt die Langenbergerin zu erzählen, schnell wird sie emotional.

Auch in Rumänien und Bulgarien aktiv

„Wer einmal in einem Auffanglager in einem dieser Länder war“, sie bricht ab, muss sich sammeln. „Aktuell haben wir zwei Hunde, als wir die besichtigt haben, standen die knietief im eigenen Kot. Andere sind verletzt. Ganz, ganz schlimm ist das.“ Sie suchte Kontakt zu einem deutschen Verein, der in Rumänien einen Schutzhof hat und arbeitet nun mit diesem Verein zusammen.

Vermittelt werden von Tierrettung International vor allem Hunde, die unter der 40-20-Regelung bleiben: „Bis zu 40 Zentimeter groß, bis zu 20 Kilogramm schwer“, erläutert Carmen Luthe-Kohnen. „Da braucht man keinen Sachkundenachweis. Deshalb bleibe ich in 90 Prozent der Fälle unter dieser Marke.“

Mitarbeiter gesucht, Spenden benötigt

Außerdem sei der Verein zweigleisig unterwegs: Neben der Vermittlung der Tiere aus den Tötungsstationen finanziert Tierrettung International auch die Kastration von Straßenhunden. „Damit nicht so viele Tiere nachkommen“, erläutert Carmen Luthe-Kohnen, „sonst ist das ja ein Fass ohne Boden.“

Damit das funktioniert, ist der Verein neben den Einnahmen aus den Vermittlungsgebühren auf Spenden angewiesen. Und: „Wir suchen noch Pflegestellen in der näheren Umgebung, die haben wir nämlich nicht“, sagt die Langenbergerin. Auch Unterstützung im Verein – zum Beispiel für administrative Aufgaben oder als Webmaster – „wäre nicht verkehrt“, sagt sie lachend. Vielleicht, so hofft Carmen Luthe-Kohnen, „findet sich ja noch eine Rentnerin, die an meiner Seite mitmacht.“