Langenberg. Rainer Köster las in Velbert-Langenberg zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz aus seinem Buch „Langenberg im 3. Reich“.
Es war ein überschaubarer Kreis von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die sich um Rainer Köster zu einer Lesung in der Gaststätte Alt-Langenberg versammelt hatten. Köster hatte zusammen mit Hans-Werner Rimpel – beide sind Mitglieder des VVN/BdA, des Verbands der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten – dazu eingeladen.
Köster wollte mit der Veranstaltung der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedenken und an die Machtergreifung der NSDAP erinnern – „die ja keine Ergreifung war“, führte der Kommunalpolitiker aus: Man habe ihnen die Macht in die Hände gelegt.
Köster liest Passagen aus seinem Buch
Köster hatte sein Buch „Langenberg im 3. Reich“ dabei und las kurze Passagen vor. So etwa die über Paul G., der 1933 für Schüsse auf einen NSDAP-Umzug verantwortlich gemacht wurde und später angeblich im Konzentrationslager (KZ) Flossenburg an einer Herz-Kreislauf-Schwäche gestorben sei.
Köster erläuterte die Umstände – die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Not, die damals in Deutschland herrschten. Und die zweifelhaften Anschuldigungen, unter denen man den Mann damals verurteilt habe.
Zuhörer ziehen Parallelen zwischen 1933 und heute
Dann sprang er zurück zum 30. Januar 1933, einem Feiertag für die Nationalsozialisten, und verlas die Stimmen, die damals SPD, KPD und NSDAP auch in Langenberg bekommen haben. Ein Teilnehmer äußerte seine Besorgnis und verglich die derzeitige Entwicklung in Deutschland mit damals.
Denn: 1933 sei die NSDAP nicht ohne die Ruhrbarone, ohne die großen Industriellen und Banker an die Macht gekommen. Habe man die Faschisten vor zehn, 20 Jahren noch mit Glatzkopf und Bomberjacken identifiziert, so träfe man sie heute in Nadelstreifen an.
Stolperstein für einen toten Langenberger gefordert
Auch der damalige Langenberger Bürgermeister Penner, der mit seiner Aussage Paul G. belastet habe, sei nicht bedroht oder zu dieser Aussage gedrängt worden, sondern habe sie freiwillig gemacht.
Köster schlug vor, auch Paul G. für einen Stolperstein in Langenberg vorzusehen: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum man in Neviges und in Langenberg so zögerlich mit den Stolpersteinen ist.“ Damit leitete er über zu einem weiteren „empörenden Tatbestand“: die Grabplatte für den NS-Außenminister und Hauptkriegsverbrecher Joachim von Ribbentrop auf dem Friedhof Hohlstraße.
Ribbentrop-Grab sorgt für viel Unmut
Nicht nur, dass die Grabplatte erst im Januar 2016 dort entdeckt wurde, inzwischen haben auch weitere Beerdigungen dort stattgefunden. Mitglieder der Familie Ribbentrop haben seit 2000 das Nutzungsrecht an mehreren nebeneinander liegenden Wahlgrabstätten.
Bis 2015 erfolgten dort zwei Beisetzungen (Pierre Marie Painvin, Ilse Marie von Ribbentrop). Außerdem wurde 2015 Anna Elisabeth von Ribbentrop, genannt Annelies, die Frau des ehemaligen Reichsaußenministers, nach Langenberg umgebettet. Dazu kommt noch das Grab von Olga Margarethe Ribbentrop, geborene Prittwitz, seiner Stiefmutter.
Der Leichnam des ehemaligen Reichsaußenministers wurde verbrannt
Obwohl die sterblichen Überreste von Joachim von Ribbentrop in dem Grab nicht beigesetzt sind – sein Leichnam wurde nach seiner Hinrichtung im Oktober 1946 durch die Alliierten eingeäschert und die Asche in einen Bach gestreut – sind Name und Lebensdaten von Joachim von Ribbentrop auf der Grabplatte eingraviert. Mit der Umbettung wurde auch diese Grabplatte auf den Langenberger Friedhof verlegt und in die Grabstätte eingefügt.
Alles rechtlich einwandfrei, ließ die Stadt Velbert dazu nach ausgiebiger Prüfung Anfang 2016 verkünden. Im Dezember 2018 verschwand die Platte kurzzeitig, nur, um dann mit einem weiteren Namen wieder aufzutauchen: Im Juni 2018 hatte es eine große, pompöse Bestattung gegeben und Sohn Barthold von Ribbentrop fand seine letzte Ruhe in Langenberg.
Langenberg soll kein Wallfahrtsort für Ewiggestrige werden
Am 31. Mai 2019 kam ein weiterer Sohn, dieses Mal der älteste Sohn von Hitlers Außenminister, hinzu. Rudolf von Ribbentrop war selbst ein hochdekorierter Waffen-SS-Offizier und starb am 20. Mai 2019 in Ratingen. Zwei Schleifen zum Begräbnis zeigten die Aufschrift der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“, eine Vereinigung, mit denen Bundeswehrangehörige der Umgang verboten ist, da sie 1999 als revanchistisch und dem Rechtsradikalismus nahestehend eingestuft wurde.
„Ich finde es doch sehr bedenklich, dass nun unser Langenberg langsam Wallfahrtsort dieser ‚Ewiggestrigen‘ wird“, äußerte sich dazu ein besorgter Bürger kurz nach dieser Beisetzung. In der Diskussion im Anschluss an die Lesung von und mit Rainer Köster steht die Grabplatte im Mittelpunkt. Seit 2016 gebe es deswegen Ärger, aber die Stadtverwaltung scheue die gerichtliche Auseinandersetzung, man wolle keine schlafenden Hunde wecken.
„Reiht sich ein in Verharmlosungen“
Die Ribbentrops
Rudolf von Ribbentrop fand im Juli 1943 mit der Verleihung des Ritterkreuzes offizielle Anerkennung im Nazi-Regime. Als Obersturmführer stand er an der Westfront als Chef des Panzerregiments der SS-Division „Hitlerjugend“, wurde verwundet und mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet. Er arbeitete nach dem Krieg erfolgreich als Geschäftsmann.
Nach Kriegsende wurde Joachim von Ribbentrop vor dem Nürnberger Tribunal angeklagt. Ihm wurden Verschwörung, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Während der Verhandlung zeigte Ribbentrop keinerlei Reue. Er wurde schließlich 1946 in allen Anklagepunkten für schuldig befunden, zum Tod durch den Strang verurteilt und am 16. Oktober 1946 hingerichtet.
Harry Gohr von der Partei Die Linke war auch unter den Gästen und hatte sich schon damals gegen die Grabplatte aufgestellt: „2010 hätte man diese Argumentation vielleicht noch gelten lassen können. Das Ignorieren hält keine Nazis ab.“ Und wie sich in 2018 und 2019 zeigte, wohl auch nicht deren Leichname.
„Wenn jemand wie Ribbentrop in Langenberg liegt...“, frustriert und emotional suchte Köster nach Worten: „So einen hier zu dulden, das ist keine Nichtigkeit. Das reiht sich ein in die Verharmlosungen.“