Velbert. Lange Arbeitszeiten, Sonn- und Feiertagsdienste: Das Image von Gastronomie-Jobs ist schlecht. Viele Wirte suchen händeringend Personal.

Lange Arbeitszeiten, Sonn- und Feiertagsdienste, viele Überstunden, mitunter geringe Bezahlung: Das Image von Jobs in der Gastronomie ist denkbar schlecht. Kein Wunder, dass viele Wirte händeringend Personal suchen. Dabei bietet eine Ausbildung im Restaurantbereich viele Perspektiven, die vielen gar nicht bekannt sind. „Junge Leuten wissen gar nicht, dass ihnen anschließend die ganze Welt offensteht und sie innerhalb der Branche sensationelle Aufstiegsmöglichkeiten haben“, sagt Sternekoch Walter Stemberg.

Der Inhaber von Haus Stemberg kann eigentlich nicht klagen: „Aufgrund unseres Namens kriegen wir bundesweit Köche, die bei uns arbeiten wollen.“ Problematischer sei es da schon im Bereich der Ausbildung im Restaurantbereich: „Früher hieß es Kellner, heute Restaurantfachmann – ich selbst nenne es aber am liebsten Gastgeber. Und das ist ein Beruf, in dem man richtig gut Karriere machen kann.“ Dennoch: An Bewerbern fehlt es – nicht nur im Haus Stemberg.

Mehr als 22.000 offene Stellen deutschlandweit

689 offene Stellen im Gastronomiebereich listet die Online-Börse gastrojobs.de allein im Umkreis von 20 Kilometern zu Velbert auf. Deutschlandweit sind es mehr als 22.000. Und das ist nur eine von vielen Jobbörsen. „Wir brauchen Arbeitskräfte in allen Bereichen – in ganz Deutschland“, sagt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA. Dafür gebe es vor allem externe Gründe. „Zu den Dingen, die wir nicht beeinflussen können, gehören geburtenschwache Jahrgänge, von denen viele lieber studieren wollen, statt eine Ausbildung zu beginnen“, sagt Hellwig. „Das sind die Rahmenbedingungen, mit denen wir umgehen müssen.“

Auszubildende für den Beruf des Restaurantfachmanns, früher Kellner, finden die Gastronomen nur schwer.
Auszubildende für den Beruf des Restaurantfachmanns, früher Kellner, finden die Gastronomen nur schwer. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Ein Problem seien auch die Arbeitszeiten: „Das muss man natürlich vorher wissen. Aber wenn ich am Wochenende arbeiten muss, habe ich dafür in der Woche frei.“ Für die Arbeit in der Branche benötige man aber wohl eine Art „Gastronomie-Gen“: „Dann passt das auch.“ Dafür habe man einen Job, bei dem man im Team und mit Menschen arbeite, gute Aufstiegschancen habe und vor allem eine internationale Ausbildung genieße.“

Mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten

Die aktuelle Situation sei eine akute Herausforderung für die Branche. Thorsten Hellwig: „Arbeitnehmer sind da in einer sehr guten Position. Gegen die Mitarbeiter zu arbeiten geht schon lange nicht mehr.“ Um Gastronomiejobs attraktiver zu machen, würde er sich vor allem Änderungen in den politischen Rahmenbedingungen wünschen wie eine Anhebung des Betrags bei 450-Euro-Jobs oder mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. „Wir wollen weg von Tages-Höchstarbeitszeiten hin zu Wochen-Höchstarbeitszeiten.“

Gastgewerbe: Zehntes Wachstumsjahr in Folge

Trotz Personalsorgen steuert das Gastgewerbe auf das zehnte Wachstumsjahr in Folge zu: Im ersten Halbjahr 2019 setzten Hotels und Restaurants 2,7 Prozent mehr um als in den ersten sechs Monaten des bereits starken Vorjahres, teilt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA mit.

Mit der steigenden Nachfrage hätten die Betriebe auch mehr eingestellt: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Mai 2019 sei erstmals auf über 1,1 Millionen gestiegen. Das bedeute ein Plus von 2,2 Prozent bzw. von 23.400 Beschäftigten gegenüber dem Vorjahresmonat.

„Wir haben das gleiche Problem wie alle anderen auch: Wir suchen händeringend in allen Bereichen“, sagt auch Martin Seidl vom Restaurant Zum Parkhaus. „In diesem Job ist es halt so: Entweder man mag den Beruf oder man mag ihn nicht. Dazwischen gibt es nichts.“ Seidl selbst ist in den Familienbetrieb aufgewachsen: „Ich war von Klein auf dabei. Mit elf Jahren habe ich meinem Opa das erste Mal beim Gläserspülen geholfen.“ Kein Wunder, dass Seidl sich entschlossen hat, den Beruf des Kochs zu lernen. Doch schon während dieser Ausbildung durfte er feststellen, dass nicht alle seine Liebe teilen. „Wir waren 32 Leute in der Klasse – und davon haben nur drei mit mir den Abschluss gemacht.“ Die Realität sehe halt anders aus als das, was man so im Fernsehen zu sehen bekomme: „Da ist das immer so schön - da liegen Zwiebeln und Gemüse schon klein geschnitten bereit. Aber in echt muss man alles vorbereiten.“

Das Lob der Gäste ist die größte Belohnung

„In manchen Bereichen suchen wir schon“, sagt auch Frank Wiehoff von der „Kleinen Schweiz“. Er sieht das Problem der Branche in den Arbeitszeiten. „Viele langjährige Mitarbeiter gehen irgendwann in Kantinen, weil sie dann am Wochenende frei und dadurch Zeit für Kumpels und Familie haben.“ Allerdings kenne jeder, der den Beruf wähle, von vornherein die Arbeitszeiten. Er selbst möge seinen Job auch nach vielen Jahren noch: „Ich habe montags und dienstags frei – und wenn ich dann Radfahren will, ist der Radweg frei. Ganz anders als am Wochenende.“ Martin Seidl kann das nur bestätigen: „Wenn man den Beruf mag, ist es ein toller Beruf. Und für mich ist das Lob der Gäste mehr Belohnung als das Gehalt.“