Velbert. Individualrezepturen sind wichtig für einige Patienten. Damit mit alles ordnungsgemäß abläuft, gilt das Vier-Augen-Prinzip bei der Produktion.
Der Tod einer 28-jährigen Frau und ihres Neugeborenen nach der Einnahme eines Medikaments, lässt aktuell viele Patienten aufhorchen. Das Glukose-Präparats, das für den Routine-Test auf Diabetes in der Schwangerschaft genutzt wird, war in einer Kölner Apotheke hergestellt worden. Dabei ist vielen gar nicht bewusst, dass Apotheken Arzneien auch selbst herstellen müssen.
Die WAZ hat bei den Apotheken in Velbert umgehört und nachgefragt, wieso Apotheken Medikamente selbst produzieren und welche Sicherheitsmaßnahmen es gibt, damit solche Fehler nicht auftreten.
Cremes und Salben bei Hauterkrankungen
Jessica Kitzelmann ist Pharmazeutisch-technische Assistentin bei der Velberter Rats-Apotheke und erklärt: „Wir stellen hauptsächlich Cremes und Salben her, die bei Hauterkrankungen wie Rosazea helfen“. Die Herstellung im Labor der Apotheke sei notwendig, da industriell gefertigte Arzneien nicht immer die vom Arzt verschriebene Wirkstoffkonzentration aufweisen, so die Expertin.
Individualrezepturen je nach Krankheitsbild
Je nach Krankheitsbild des Patienten muss eine solche individuelle Wirkstoffkonzentration vom Arzt verschrieben und passend zubereitet werden. „In Apotheken hergestellte Individualrezepturen sind daher immer noch unersetzlich“, sagt Apotheker Jochen Pfeifer von der Adler-Apotheke. Dazu gehörten beispielsweise Arzneimittel mit angepassten Dosierungen für Kinder.
Zum Schutz der Patienten wird ein Rezepturarzneimittel vor der Herstellung immer erst auf Plausibilität geprüft. Bei dem Vorgang wird unter anderem die Dosierung, Art, Menge und Kompatibilität der Ausgangsstoffe untereinander sowie die Anwendungsdauer geprüft.
Unter Aufsicht des Apothekers
Damit dann während der Herstellung alles richtig abläuft „erfolgt sie ausschließlich durch pharmazeutisches Personal unter Aufsicht des Apothekers“, beschreibt der Pfeifer weiter. Und auch die Mengenberechnung sowie die Einwaage werde stets von einer zweiten Person nach dem Vier-Augen-Prinzip überwacht.
„Das Arzneimittel ist nach der Herstellung mit der vollständigen Dokumentation dem Apotheker wieder zur persönlichen Freigabe vorzulegen“, so Pfeifer.
Patienten müssen oft auf ihr Medikament warten
„Die Plausibilitätsprüfung und die Protokollierung ist Pflicht und wird immer durchgeführt“, versichert Patrick Fitzon, PTA und Inhaber der der Apotheke zum Schlotschmet. Wie oft eine Apotheke Medikamente selbst zubereiten muss, hänge davon ab welche Arzte sich im Umfeld befänden, so Fitzon. Da seine Apotheke auf der Blumenstraße in Nähe zu mehreren Arztpraxen befindet würden Eigenherstellungen oft notwendig werden. „An manchen Tagen stellen wir vier Salben für Patienten her“, sagt PTA Kitzelmann.
38,7 Milliarden Euro für Arzneimittel
38,7 Milliarden Euro wurden 2018 nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel ausgegeben, was einem Anteil von 17,1 Prozent an den Leistungsausgaben entspricht.
Somit ist dieser Sektor der drittgrößte nach den Ausgaben für den stationären Bereich (Krankenhaus), jedoch weniger als halb so groß wie dieser. In Deutschland gibt es pro 100.000 Einwohner 25 Apotheken, im EU-Durchschnitt sind es 31.
Da Rezepturarzneimittel nicht im Voraus hergestellt werden können ist eine Rezeptur auch nicht sofort fertig. Patienten müssen daher warten bis sie ihre individuell hergestellten Medikamente bekommen. „Da wir unsere benötigten Wirkstoffe immer vorrätig haben, müssen sich unsere Kunden in der Regel nur einen Tag gedulden“, sagt Fitzon.