Velbert. Als RWE bei den Stadtwerken Velbert einstieg, wurde im Vertrag eine Ausstiegsklausel verankert. Der Rat muss nun über einen Rückkauf entscheiden.

In der Ratssitzung geht’s an diesem Dienstag hinter verschlossenen Türen um ein Thema, das es in sich hat und von weitreichender Bedeutung ist. Denn hinter dem nichtöffentlichen Tagesordnungspunkt „Angelegenheiten der Stadtwerke Velbert – Ermächtigungsbeschluss“ steckt nicht weniger als die große Frage, ob die hiesigen Stadtwerke wieder zu 100 Prozent ein rein kommunales Unternehmen werden oder ob die Konzerne RWE bzw. künftig EON weiterhin 30,4 Prozent der Anteile an dem Velberter Versorger halten.

Es geht um ganz oder gar nicht

Irgendetwas dazwischen steht allerdings nicht zur Diskussion, es geht tatsächlich ausschließlich um hop oder top, um ganz oder gar nicht – oder anders ausgedrückt: „Entweder die Stadtwerke Velbert werden wieder vollständig rekommunalisiert oder die private Beteiligung bleibt so wie jetzt bestehen“, sagte Stefan Freitag auf WAZ-Anfrage. Seine eigene Meinung bzw. Einschätzung zu Sachverhalt und Vorgehensweise rückt der Stadtwerke-Geschäftsführer aber partout nicht heraus: „Dazu will ich mich aus Respekt vor dem Stadtrat nicht äußern.“

Stadtrat tagt heute im Saal Velbert

Die Mitglieder des Stadtrats kommen heute um 17 Uhr im Saal Velbert des Rathauses (Thomasstraße 1) zusammen. Auf der Tagesordnung ihrer Sitzung stehen u. a. der Bebauungsplan Jahnsportplatz, der Lärmaktionsplan Stufe 3 und die Festlegung des Stadtumbaugebietes „Ortszentrum Neviges“. Weitere Themen sind die Schulentwicklungsplanung, die Vermarktung des ehemaligen Hertie-Standortes und das lokale integrierte Energie- und Klimakonzept.

Interessierte Bürger sind zur Teilnahme an der öffentlichen Sitzung eingeladen. Die vollständige Tagesordnung nebst der veröffentlichten Beratungsvorlagen können im Ratsinformationssystem auf velbert.ratsinfomanagement.net eingesehen werden.

Tausch von Vermögenswerten und Geschäftsbereichen

Eine ähnliche Debatte wird u. a. auch bereits in Städten wie Duisburg, Dortmund, Neuss oder Meerbusch geführt. Dahinter steckt in den Kommunen nicht zuletzt oft die Sorge, dass man in Zukunft mit seinen Stadtwerken nur noch eine vergleichsweise verschwindende Größe sein wird. Denn zurzeit steht eine wichtige Weichenstellung an. Hintergrund: EON und RWE haben vereinbart, im Zuge eines beträchtlichen Tauschs von Vermögenswerten und Geschäftsbereichen den kompletten durch RWE gehaltenen Innogy-Anteil – es handelt sich immerhin um fast 77 Prozent – an EON zu übertragen. Das Ganze mit der Zielsetzung, zwei gestärkte europäische Energieunternehmen zu schaffen, beide übrigens mit Sitz im benachbarten Essen.

Die Stadtwerke haben den Rückkauf eines Teil-Paketes für mehr als 20 Millionen Euro selbst geschultert.
Die Stadtwerke haben den Rückkauf eines Teil-Paketes für mehr als 20 Millionen Euro selbst geschultert. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Nun hat Velbert einst im Gegensatz zu vielen anderen Städten in dem Vertrag von 2002, als RWE erstmals eine Beteiligung eingegangen war, eine so genannte Change-of-Control-Klausel eingebaut und verankert. Diese ermöglicht den Stadtwerken einen Genehmigungsvorbehalt sowie ein Kündigungsrecht für den Fall, dass bei ihrem Partner ein vollständiger oder teilweiser Wechsel der Gesellschafter vollzogen wird. Der Fall ist jetzt eingetreten. Die Stadtwerke haben Innogy bereits Anfang vergangenen Jahres darüber informiert, dass man von dieser Option gegebenenfalls Gebrauch machen werde. Und jetzt geht’s konkret um die Frage, ob man diese Karte zieht.

Liberalisierung der Märkte gab den Anstoß

Die Stadtwerke Velbert haben die „RWE Rheinland Westfalen Netz AG“ 2002 zum Minderheitsgesellschafter gemacht, um sich damals angesichts der Liberalisierung der Märkte „fit zu machen und einen starken Partner mit ins Boot zu nehmen“, erläutert Stefan Freitag. Die Aufstockung auf letztlich 49,9 Prozent in 2009 erfolgte in mehreren Schritten. Für das gesamte RWE-Paket sollen 60 Millionen Euro geflossen sein. Die Entscheidung pro RWE sei damals aufgrund eines Auswahlverfahrens getroffen worden. „Das Ganze galt als Win-Win-Situation, wir bekamen Know-How und Rückendeckung“, erklärt Freitag, „es hat sich eigentlich über Jahre bewährt.“

Teil-Paket ist bereits rekommunalisiert

Vor anderthalb Jahren hat Velbert bekanntlich schon einmal ein Teil-Paket zurückgekauft. Sein Volumen betrug 19,5 Prozent. Die Stadtwerke haben den Rückkauf – es handelte sich angeblich um mehr als 20 Millionen Euro – aus eigener Kraft bestritten. Kommt es jetzt zu einem vollständigen Rückkauf der verbliebenen 30,4 Prozent, so wäre die Beteiligungsverwaltungsgesellschaft der Stadt Velbert (BVG) handelnder Akteur. Sie ist eine 100prozentige Tochter der Stadt Velbert.