Velbert. . Seit zwei Jahren sitzt Martin Sträßer für die CDU im Landtag. Im Gespräch mit der WAZ-Velbert zieht der Abgeordnete eine Zwischenbilanz.

Seit fast genau zwei Jahren sitzt Martin Sträßer (CDU) als Abgeordneter für die Städte Velbert, Wülfrath und Teile Mettmanns im Düsseldorfer Landtag. Im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Yvonne Szabo zog der Abgeordnete eine Zwischenbilanz seiner Arbeit.

Wie hat sich Ihr Leben in den vergangenen beiden Jahren verändert?

Sträßer: Die Arbeit ist noch mehr geworden und geht mehr in den Feierabend und ins Wochenende. Ich bin froh, dass unsere Kinder nun schon groß sind. Formal ist man als Abgeordneter zwar selbstständiger, aber tatsächlich – zumindest was den Kalender angeht – eher fremdbestimmt.

Was beschäftigt Sie gerade am meisten?

Ganz grundsätzlich macht mir der zunehmende Egoismus in unserer Gesellschaft zu schaffen. Der Gemeinsinn nimmt meiner Ansicht nach immer mehr ab.

Haben Sie Beispiele dafür?

Alle klagen über fehlenden Wohnraum und steigende Mieten. Wenn dann aber eine Stadt ein neues Wohngebiet ausweist, dann gibt es sofort Proteste aus den Reihen der Bürgerschaft. Oder ein weiteres Beispiel sind die Straßenbaubeiträge. Jahrzehntelang war klar, dass bei Anliegerstraßen auch die Anlieger mitzahlen. Jetzt gibt es eine Initiative, diese Beiträge abzuschaffen. Die Konsequenz wäre, dass im Endeffekt die Allgemeinheit dafür aufkommen muss. Ich habe den Eindruck, dass vielfach Zusammenhänge einfach nicht mehr gesehen werden. Dies liegt auch daran, dass viele Menschen die Tendenz haben, sich nur noch in ihrer eigenen Meinung bestärken zu lassen und anderslautende Nachrichten gar nicht mehr wahrnehmen.

Das Arbeitspensum hat sich für den Landtagsabgeordneten noch einmal erhöht.
Das Arbeitspensum hat sich für den Landtagsabgeordneten noch einmal erhöht. © Uwe Möller

Was kann man dagegen tun?

Um mehr gegenseitiges Verständnis werben. Ein einfaches Beispiel: Ich empfange sehr gern Besuchsgruppen im Landtag. Da hat man dann mal eine Stunde Zeit, Zusammenhänge zu erklären. Ich bekomme immer wieder Fragen, warum das Plenum so leer ist und viele Abgeordnete nur zu den Abstimmungen reinkommen. Dann erkläre ich, dass die Themen vorher schon mehrfach in den Ausschüssen diskutiert worden sind. Und ich mich dann gerade lieber um die Besuchergruppe kümmere, obwohl ich eigentlich auch im Plenum sitzen sollte.

Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte ist die Bildungspolitik. Wo gibt es hier die größten Probleme?

Der Lehrkräftemangel ist eines. Es gibt Regionen – beispielsweise im ländlichen Bereich oder auch in Teilen des Ruhrgebietes – da ist das Fehlen der Pädagogen besonders ausgeprägt. Selbst unsere eingeleitete Ausweitung der Studienplätze bringt frühestens in fünf bis sieben Jahren Abhilfe. Da muss man dann überlegen, ob nicht doch Lehrkräfte wieder den Schulen zugewiesen werden sollten. Auch das ist eine Frage des Gemeinsinns – selbst wenn es in meinem Wahlkreis Nachteile geben sollte.

Was ist mit dem Offenen Ganztag?

Das ist auch eine Baustelle. Hier werden vom Land verbindliche Standards verlangt. Doch wenn das Land Vorgaben macht, muss es auch dafür zahlen. Kommunen und Land sollten hier wie beim Kinderbildungsgesetz einen Pakt schließen und sich auf gemeinsame Standards und deren Finanzierung verständigen.

Was halten Sie von den Fridays for future?

Ich trenne Schulpflicht und Klimaschutz . Wer Schule schwänzt, verstößt gegen das Schulrecht und muss eine Sanktion bekommen. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. Aber ein Regelverstoß kann auch mal legitim sein, um Aufmerksamkeit für das Thema Klimaschutz zu schaffen. Andererseits bin ich total begeistert, dass sich junge Leute engagieren für den Klimaschutz. Allerdings ist er schon seit mindestens 30 Jahren in Politik und Öffentlichkeit ein Thema. Und es gibt auch – gerade in Nordrhein-Westfalen – vorzeigbare Ergebnisse. Darüber müssen wir mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen. Und dem Demonstrieren müssen auch bei den Jugendlichen eigene Taten folgen. Auch hier gilt wieder, nicht nur von anderen etwas zu verlangen.

In zwei Wochen wählen wir ein neues Europaparlament. ...

Und ich appelliere an alle Bürger wählen zu gehen und für Pro-Europa-Parteien zu stimmen. Im Übrigen ist mir im Wahlkampf aufgefallen, dass junge Leute positiver zu Europa eingestellt sind als die Älteren. Die ärgern sich über vermeintliche Regelungswut aus Brüssel, obwohl sie doch noch geschlossene Grenzen und Währungswirrwarr kennengelernt haben. Es geht jetzt nicht um Details, es geht ums Ganze.

Was sind ihre politischen Projekte für die Zukunft?

Mir liegt die Politik vor Ort sehr am Herzen. Wir müssen noch mehr tun, damit die Städte stärker werden. Und ganz praktisch mache ich mich beim Thema Mobilität auch für den Ausbau der Radwege stark. Mit den technischen Neuerungen wie E-Bikes könnten auf diese Weise Straßen vom Autoverkehr entlastet werden. Pendler könnten dann kürzere Strecken bequem mit dem Rad zurücklegen. Da sollten die Städte etwa mit dem ADFC kooperieren und ausloten, was schnell machbar ist und was vielleicht etwas länger dauert. Ganz konkret gilt hier wie für die Politik insgesamt: Wir müssen die Menschen mehr in Bewegung bringen.

>>ZUR PERSON

  • Martin Sträßer wurde 1959 in Neviges geboren. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Wülfrath. Der Jurist arbeitete bei einem Industrieverband, bevor er bei der Landtagswahl 2017 direkt ins Düsseldorfer Parlament einzog. Zunächst saß Sträßer im Rat der Stadt Velbert, später im Kreistag und heute immer noch im Rat der Stadt Wülfrath. Bildungspolitik ist sein besonderer Schwerpunkt.