Velbert/Kreis Mettmann. . Das Altlastenkataster auf dem Geoportal des Kreises Mettmann zeigt Velbert fast durchgehend in rot. Ein Experte erläutert, warum das so ist.

Rot. Beinahe die ganze Innenstadt ist rot. Wer sich auf dem Geoportal des Kreises Mettmann das Altlastenkataster anschaut könnte meinen, Velbert-Mitte sei nahezu flächendeckend belastet. Doch das stimmt so nicht – denn rot sind lediglich die Umrandungen einzelner Areale. Wichtig ist aber auf der Karte, wie diese Umrandung ausgefüllt wird. Denn Gebiete mit – möglichen – Altlasten werden in acht Klassen eingeteilt: Von Klasse 1 „noch keine Verdachtsbewertung“ bis Klasse 8 „betriebene Deponien, Verfüllungen“.

Umweltamt erstellt das Altlastenkataster

Nach zahlreichen Schutzmaßnahmen – unter anderem Bodenaustausch, Abdeckung – durfte dann auf dem ehemaligen Woeste-Gelände gebaut werden.
Nach zahlreichen Schutzmaßnahmen – unter anderem Bodenaustausch, Abdeckung – durfte dann auf dem ehemaligen Woeste-Gelände gebaut werden. © Hans Blossey

„Diese Einteilung ist eine Vorgabe des Landesumweltamtes“, erläutert Rolf Schneeweiß. Er ist Diplom-Geologe und vertritt die Untere Bodenschutzbehörde im Umweltamt des Kreises Mettmann. In seine Zuständigkeit fällt es auch, das so genannte Altlastenkataster zu erstellen – eben jene Übersicht, die jeder Internetnutzer von zu Hause aus aufrufen kann. Allerdings ist die online veröffentlichte Version keine amtliche Auskunft, betont Schneeweiß: „Das wird nur einmal im Jahr aktualisiert.“

Zurück zur Klassifizierung: „Die Klasse 1 gibt es bei uns im Kreis nicht“, sagt Geologe Schneeweiß. „Das ergibt für uns keinen Sinn.“ Wenn eine Fläche gemeldet wird, die eventuell belastet sein könnte, wird die sofort in die Klasse 3, „altlastverdächtige Fläche“, einsortiert. „Und dann prüfen wir.“ Das ist zum Beispiel bei Arealen der Fall, „bei denen wir aufgrund der Historie Bodenveränderungen nicht ausschließen können“, erläutert Schneeweiß – etwa bei Alt-Standorten von Industrie oder Steinbrüchen.

Industrialisierung begann in der Innenstadt

Bei den rot markierten Flächen in Velbert muss man daher auch genauer hinschauen, denn viele Gebiete fallen etwa in die Klasse 2, „keine Gefahr bei derzeitiger Nutzung“ – etwa das Gelände rund um das Sportzentrum oder an der A 44 östlich des Dreiecks Velbert-Nord. „Dass Velbert so viele markierte Flächen hat, spiegelt einfach die Geschichte der Stadt wieder“, erläutert Rolf Schneeweiß. „Im Innenstadtbereich gab es viele Gießereien, viel Industrie. Daher gibt es auch viele verdächtige Flächen.“

Deutlich sichtbar ist auf der Karte auch, wie sich die Industrie ausgebreitet hat – nämlich entlang wichtiger Verkehrsachsen Richtung Essen (Friedrich-/Werdener Straße), Düsseldorf (Heide-/Heiligenhauser Straße) oder Wuppertal (Nevigeser Straße). Zu Rolf Schneeweiß’ Aufgaben gehört angesichts der bunten Geschichte der einzelnen Städte auch die Recherche – unter anderem in Stadtarchiven oder in Publikationen von Heimat- bzw. Geschichtsvereinen. „Das sind für uns hilfreiche Quellen“, sagt er, „oft gibt es alte Fotografien oder Bilder und dann können wir vergleichen.“

Im Optimalfall wird keine Verunreinigung festgestellt

Wird ein Gelände der Klasse 3 überprüft, erfolgt danach eine neue Klassifizierung. Im Optimalfall ist der „Verdacht generell ausgeräumt“ (Klasse 4) – etwa wenn die angebliche Nutzung der Fläche so gar nicht stattgefunden hat. Ebenfalls unproblematisch sind zunächst die Klassen 7 (sanierte Fläche ohne Überwachung) und 8 (sanierte Fläche mit Überwachung/Nachsorge). Kritisch ist eine Einstufung in Klasse 5 (Altlast) oder 6 (Altlast mit dauerhafter Beschränkung).

„Das sind Flächen, auf den nachgewiesener Maßen Schadstoffe im Boden oder im Grundwasser sind“, erläutert Rolf Schneeweiß. „Stand dort zum Beispiel ein metallverarbeitender Betrieb können etwa Öle in den Boden gelangt sein. Oder auch Schwermetalle.“ Hier sind dann in der Regel Maßnahmen erforderlich – zum Beispiel Bodenaustausch oder eine Grundwassersanierung.

Bis zu 20 Flächen werden aus eigenen Mitteln überprüft

Rund 15 bis 20 Flächen prüfen Rolf Schneeweiß und seine Kollegen aus eigenen Mitteln. „De facto sind es aber mehr, weil zum Beispiel Investoren ein Gutachten brauchen, bevor sie einen Bauantrag stellen können.“ Die Bodenschutzbehörde erstellt dann eine Gefährdungsabschätzung: „Der wichtigste Pfad, den wir dabei überprüfen, ist der Pfad Boden-Mensch“, sagt Schneeweiß. Anders: Besteht eine Gefährdung für den Menschen? Es folgen die Pfade Boden-Pflanze, Boden-Grundwasser und Boden-Luft.

„Die meisten Flächen landen in der Klasse 2“, sagt Geologe Schneeweiß – also „keine Gefahr bei derzeitiger Nutzung.“ Das bedeutet: „Der ehemalige Betrieb hat Schäden im Untergrund verursacht, die Giftstoffe sind noch da.“ Ist die Fläche aber versiegelt, etwa weil der Betrieb weiter produziert, „dann können wir das erstmal tolerieren.“ Sobald aber eine Änderung der Bebauung stattfindet, „wird die Fläche auch neu bewertet“, sagt Schneeweiß.

Woeste-Gelände ist Beispiel für Flächenrecycling

Neben der Bewertung von Gebieten gehört auch das so genannte Flächenrecycling zu den Aufgaben der Unteren Bodenschutzbehörde. Ein Beispiel dafür ist die Bebauung auf dem ehemaligen Woeste-Gelände in Velbert. „Unser Ziel ist es eben, das Areal nicht nur zu sanieren, sondern auch weiter nutzen zu können“, sagt Geologe Rolf Schneeweiß. Schließlich sei Boden „eins schützenswertes Gut: Er ist Schadstoffspeicher, dient der Feuchtigkeitsregulierung, der Kühlung und ist auch für Landwirte sehr wichtig.“ Gerade weil immer mehr Flächen für Siedlungsbau genutzt werden müssten, sagt Schneeweiß.

Auf dem Woeste-Gelände, so erläutert es der Experte, „haben wir drei Meter sauberen Boden aufgebracht.“ Das Material werde doppelt geprüft – erst bei der Abholung, später dann noch einmal auf der Baustelle. Und wo kommt das saubere Material her? „Am besten von Bauvorhaben aus der Umgebung“, sagt Rolf Schneeweiß. Unter dem neuen Boden gibt es zusätzlich eine Schicht, die das Wasser ableitet, das zum Beispiel nach regnerischen Tagen durch die Erde sickert – damit auch ja nichts mit dem Untergrund in Kontakt tritt, der durch die industrielle Nutzung belastet ist.

>>ES GIBT IMMER WIEDER SCHWARZE SCHAFE

  • „Natürlich gibt es auch immer wieder schwarze Schafe“, sagt Rolf Schneeweiß von der Unteren Bodenschutzbehörde des Kreises Mettmann. „Das ist zum Beispiel bei Hinterhof-Werkstätten häufiger der Fall.“ Allerdings seien solche Betriebe die Ausnahme.
  • „Gerade die großen Firmen müssen so viele Umweltschutzauflagen erfüllen – auch von ihren Auftraggebern her – dass die Gefahr für solch massive Schäden wie früher nicht mehr gegeben ist“, betont Schneeweiß.