Neviges. . „Neurosige Zeiten“ heißt die neue Komödie der Theatergruppe der Kolpingsfamilie. Darin macht auch eine tote Tupper-Vertreterin alle verrückt.

Ein Problem hat Brigitte Wedler alias die liebeswahnsinnige Marianne schon gelöst: „Dass so eine große Vase hinfällt und auch dabei zu Bruch geht, das ist gar nicht so einfach.“ Nun ist die Vase zum Glück endlich kaputt, wird zu jeder neuen Probe geklebt und macht schön viele Scherben auf der Bühne. Bei der Laienspielgruppe der Kolpingsfamilie haben diesen Herbst alle einen Sprung in der Schüssel: „Neurosige Zeiten“ heißt ihre neue rasante Komödie.

Vergnüglicher Ausflug in die Abgründe der Seele

Dabei macht das ganze Ensemble einen vergnüglichen Ausflug in die Abgründe der menschlichen Seele. Der Inhalt des Dreiakters von Winnie Abel ist schnell erzählt: Agnes Adolon, herrlich überdreht gespielt von Ulla Vestweber, stammt nicht nur aus einer reichen Hoteldynastie, sie ist leider auch ziemlich sexsüchtig.

Letztens hat es Agnes allerdings übertrieben, sie machte sich an ihren Chef ran und landete in der Psychiatrie. Was ihre Mutter Cécile (Ulrike Erner) nicht ahnt – sie wähnt ihr Töchterlein in einer Luxusvilla. Als Mutter nun ihren Besuch ankündigt, ist Holland in Not und Agnes in Form. Sie hat eine Idee, die alle völlig überfordert und für Chaos sorgt: Die anderen Patienten der Wohngruppe sollen als ihr Personal und Liebhaber auftreten. Damit nicht genug, taucht auch noch eine geschäftstüchtige Tupperwaren-Vertreterin (Anna Nowak) auf, die aus Versehen eine Tür vor den Kopf geknallt bekommt – und tot umfällt.

Neurosige Zeiten: Schnell, rasant und komisch

„Neurosige Zeiten“ ist schräg, überdreht, schrill, schnell und komisch. Wer allerdings auch bei einer Komödie politische Korrektheit erwartet, muss tapfer sein. Unbekümmert ist da von „Irrenanstalt“ die Rede, von „Klappse“.

Der verhuschte Willi hat Angst vor Menschen

Doch als der menschenscheue Willi – herrlich, wie Günter Erner den verhuschten Soziopathen gibt – sich weigert, die tote Tupperfrau in den Teppich zu rollen, ist alles in Butter: „Ich kann die doch nicht einfach anpacken, ich kenne die doch gar nicht.“ Herrlich auch der zwangsneurotische Hans (großartig: Detlev Schad), der penibel darauf achtet, dass die Kaffeemaschine nur 20 Minuten benutzt wird. Und Qualen erleidet, wenn seine Hosen-Bügelfalte nicht akkurat sitzt. Ausgerechnet er soll Agnes’ heißen Lover mimen

Seit Juli laufen die Proben in der Glocke, in der akuten Phase jeden Montag und Donnerstag; bis zur Premiere am 10. November muss alles sitzen. Jürgen Wertmann, der mit Andrea Pannen Regie führt, hat nur wenig auszusetzen, zumal auch der Zufall prima mitspielt: Als Agnes’ Mutter den Fuß in die Psychiatrie setzt und Agnes mit weit aufgerissenen Augen schreit: „Mutter, du hier in Neviges?“, da läuten draußen die Kirchenglocken.

Das Ensemble lacht selbst Tränen bei der Probe

Zum ersten Mal dabei ist Martina Fohrmann. Sie spielt abwechselnd mit Wilhelm Funken den zwielichtigen Zeitungsfotografen Freddi und ist schon jetzt „sowas von aufgeregt“. Bereut hat sie ihren Entschluss noch keine Sekunde, denn riesigen Spaß haben sie hier alle. An dem Stück, vor allem miteinander. Ulrike Erner wartet auf ihren Auftritt und wischt sich die Tränen weg: „Schminken ist hier einfach nicht angesagt.“