Langenberg. . Bundestagspräsident a.D Norbert Lammert ist Ehrengast des Abends. Und 120 Festgäste bedanken sich mit Applaus für eine beeindruckende Rede.
Sie ist ein ungewöhnlicher „Verein“ – Langenbergs „Vereinigte Gesellschaft“. Und ein ungewöhnlicher Verein, in dem man sich nicht einmal um eine Mitgliedschaft bewerben kann, darf natürlich auch ungewöhnliche Jubiläen feiern. Selbst solche, die eigentlich gar keine sind – wie etwa das 220-jährige Bestehen. Doch irgendwie spricht es dann auch wieder für diesen Verein, dass er ein solches Nicht-Jubiläum mit un-, nein, mit außergewöhnlichen Gästen feiert. Wer sonst schon hätte die Ehre, zu diesem Anlass einen ehemaligen Bundestagspräsidenten als Festredner begrüßen zu dürfen?
„Ein herzliches Willkommen“ entbot Roland Fischer, amtierender „Direktor“ der VG, denn auch dem Bundestagspräsidenten a.D. – und betonte, auch im Rückblick auf andere illustre Festgäste wie etwa weiland Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: „Es ist wahrlich keine Routine, so hochkarätige Gäste in unserem Hause begrüßen zu dürfen“. Eine Bemerkung, zu der 120 Festgäste Lammert mit stehenden Ovationen empfingen.
Ungewöhnliche Rede
Ungewöhnlich, um nicht zu sagen höchst bemerkenswert dann auch die Rede, die der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung im Hause der VG hielt. Wann auch hätte man je zuvor schon einmal erlebt, dass ein (Ex-)Politiker den Spieß so unverhofft umdreht – und, einer allgemeinen Politik(er)-Verdrossenheit entgegentretend, dem Bürger die Leviten liest?
„Die Demokratie ist ein Verfahren, das garantiert, dass wir nicht besser regiert werden, als wir es verdienen“, stellte Lammert mit einem Zitat des irischen Schriftstellers George Bernhard Shaw gleich zu Beginn klar. Und er wurde noch deutlicher, als er dann noch Ex-US-Präsident Barack Obama (O-Ton Lammert: „Vom amtierenden Präsidenten habe ich noch keinen Satz gehört, den ich in diesem Hause wiederholen würde“) zitierte: „Demokratie ist immer dann gefährdet, wenn Menschen beginnen, sie für selbstverständlich zu halten!“
Sorgen um Demokratie und Europa
Lammert erinnerte daran, wie jung diese Demokratie in Europa erst sei – dass es sie flächendeckend erst seit 25 Jahren, seit dem Zusammenbruch des Ostblocks gebe. Dieses Europa allerdings sei gegenwärtig in größerer Gefahr als je zuvor: „America first ist eine Parole, die man sich längst auch in Polen, Ungarn, Österreich und Italien zu eigen gemacht hat.“
Ohne sie ein einziges Mal zu erwähnen, übte er deutliche Kritik an der AfD: „Dass wir in nicht ganz einfachen Zeiten leben, ist wohl offensichtlich. Aber alle einfachen Antworten, die es auf die anstehenden Fragen geben soll, haben eines gemeinsam: Sie machen unser Leben keineswegs einfacher.“
Mehr bürgerschaftliches Engagement gefordert
Dabei habe es sich in Deutschland und Europa doch nie besser gelebt als gegenwärtig, stellte Lammert fest. Und angesichts der Tatsache, dass sämtliche politischen Parteien in Deutschland zusammen gerade mal 1,2 Millionen Mitglieder hätten, der ADAC allein aber 19 Millionen, forderte der CDU-Politiker mehr bürgerschaftliches Engagement für die demokratische Gesellschaft. Denn: Weimar sei nicht an seiner Verfassung gescheitert – es sei am mangelnden bürgerlichen Engagement zugrunde gegangen, erinnerte Lammert an den Niedergang der ersten deutschen Demokratie vor 85 Jahren.
Eine fast einstündige Rede, die von den Anwesenden mit anhaltendem, stehend gespendetem Applaus bedacht wurde. Als man sich dann an den Tischen an rosa Tranchen vom Kalbsrücken, leicht gerahmten frischen Pfifferlingen und anderen Köstlichkeiten delektierte, war Lammert allerdings schon wieder enteilt: In, nicht beim Essen wartete der nächste Termin.
>>> EIN „DIREKTOR“ LEITET DIE VG
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1798 wurde die Vereinigte Gesellschaft „von elf Herren in gänzlichem Einklang“ als Herrengesellschaft gegründet.
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Das Haus an der Hauptstraße 84 ließ die VG im Jahr 1895 errichten.
- Geleitet wird die VG von einem „Direktor“; das Direktorat wechselt jährlich.