Neviges. . Auf Tour sechs der „Stadtspaziergänge“ erläutert Stadthistoriker Gerhard Haun die Elberfelder Straße, ab 1863 Hauptverkehrsader von Neviges.

Sie war schon immer die Straße mit den meisten Geschäften in Neviges: Die Elberfelder Straße gilt seit 1863, seitdem eine Liste mit Nevigeser Straßen existiert, als Hauptverkehrsader. Als die Wilhelmstraße als Parademeile noch in Planung war, spielte sich hier schon das pralle Leben ab. Jenen Ort, an dem Tour sechs der Stadtspaziergänge startet, hat es da jedoch noch nicht gegeben.

Heute prägt auch großer Leerstand die frühere Hauptverkehrsader.
Heute prägt auch großer Leerstand die frühere Hauptverkehrsader. © Carsten Klein

„Hier stand ein großes Haus, das 1945 bei einem Artilleriebeschuss vollständig zerstört wurde“, sagt Historiker Gerhard Haun, der mitten auf dem Brunnenplatz steht. Und an dieser Stelle an ein dunkles Kapitel Nevigeser Stadtgeschichte erinnert. „Aus einem weiteren Haus ein paar Meter weiter haben sie im Morgengrauen eine jüdische Familie herausgeholt.“ In den zwölf Jahren der nazionalsozialistischen Schreckensherrschaft hieß die Hauptgeschäftsstraße auch Adolf Hitler Straße: „Die Elberfelder musste dran glauben, weil sie sich an die Wilhelmstraße nicht rangetraut haben. Die war ja nach dem Kaiser benannt.“

Der Schaffner musste sportlich sein

Doch zurück zu den blühenden Anfängen: Vom Brunnen aus geht es zunächst rechts herum in Richtung Gassmann. „Hier, das ist die originale Straßenbreite“, sagt Gerhard Haun und bleibt in Höhe des Ladens „S.O.S Tragbar“ stehen. Ab 1897 fuhr hier auch die Straßenbahn. Wer in dieser Linie der „Bergischen Kleinbahnen“ seinen Dienst versah, der musste sportlich sein.

An der Apotheke endete einst das Dorf Neviges

An der Ecke der jetzigen Spielhalle, so weiß Haun aus schriftlichen Überlieferungen zu berichten, sprang der Schaffner jedesmal aus seinem Wagen. „Er rannte dann bis zur nächsten Ecke, also an der Gaststätte Eisernes Kreuz und schaute, ob kein Auto kam.“ War dies der Fall, musste die Straßenbahn zurücksetzen. „Das ging damals einfacher als beim Auto“, fährt Haun fort und zeigt die Elberfelder Straße herunter in Richtung Pfarrkirche. „Und unten an der Ecke, das gelbe Haus, wo jetzt das griechische Restaurant ist, da stand einst die alte Apotheke. Da endete auch das Dorf.“

Ein Blickfang an der Elberfelder Straße: Die alte Apotheke, erbaut im Jahr 1895. Sie ist der Nachfolger der ersten Apotheke, die einst  gegenüber der Pfarrkirche lag.
Ein Blickfang an der Elberfelder Straße: Die alte Apotheke, erbaut im Jahr 1895. Sie ist der Nachfolger der ersten Apotheke, die einst gegenüber der Pfarrkirche lag. © Carsten Klein

Die Konzession, die der König von Preußen 1865 dem Apotheker Ernst Vormann zur Errichtung dieser ersten Apotheke erteilte, hängt heute in der Schwanen-Apotheke seines Ururenkels Thomas Bellers. Ernst Vormann – in der Apothekerdynastie kam es lediglich zu einem Namenswechsel – errichtete 20 Jahre später, also 1895 seine „neue“ Apotheke im oberen Bereich der Elberfelder Straße. Eine bessere Geschäftslage gab es damals nicht: 1897 richtete die Bergische Kleinbahnen AG just unterhalb der Apotheke die „Weiche“ ein – Haupthaltestelle und Knotenpunkt mehrerer Linien.

Bei einem schweren Unfall krachte die Straßenbahn 1917 in das Restaurant „Kaiserhof“, bekannt auch als „Bredtmann“.
Bei einem schweren Unfall krachte die Straßenbahn 1917 in das Restaurant „Kaiserhof“, bekannt auch als „Bredtmann“. © Carsten Klein/Stadtarchiv Velbert

„Das Straßenbahndepot lag auf dem heutigen Parkplatz Auf der Beek“, erläutert Gerhard Haun. Bahnen nach Elberfeld, Velbert, Werden,Langenberg – alles hielt hier, manchmal im 10-Minuten-Takt. Ein Verkehrszentrum mit Tücken: In der engen Kurve Ecke Wilhelmstraße kam es durch Entgleisung der Bahn zu schweren Unfällen, zum Teil sogar mit Toten. Einmal krachte die Bahn gar in das Gebäudes des Restaurants „Kaiserhof“. Bis 1952 fuhr die Bahn durch die Elberfelder Straße. Gerhard Haun: „Wenn ich morgens als Schüler die Treppe herunterkam und die Bahn stand da schon, musste man Gas geben.“

<<<ERSTMALS 1220 URKUNDLICH ERWÄHNT

Urkundlich erwähnt wurde Neviges erstmals um 1220. Der Name leitet sich ab von „navigisa“, einem frühgeschichtlichen Flussnamen und bedeutet „fließendes Gewässer.“ So wurde auch einst der Hardenberger Bach genannt.

Die Ansiedlung wurde 1354 als Dorf bezeichnet, sie gehörte zur Herrschaft Hardenberg und bestand aus 17 Häusern. Bis ins Jahr 1810 stieg die Einwohnerzahl auf 1119. Im Jahr 1814 verzeichnet die Urkarte 128 Häuser. Einzelne Straßen sind schon ab 1746 bekannt, wie etwa die Löher Straße. Eine Liste mit den Namen Nevigeser Straßen gibt es seit 1863.