Neviges. . Mit Historiker Gerd Haun die Geschichte Neviges entdecken: Dazu lädt die Serie „Stadtspaziergang“ ein. Folge eins: Von der Mühle bis zur Eiche.
Neviges hat Geschichte und steckt voller kleiner Geschichten. Sie zu entdecken, dazu möchte die Serie „Stadtspaziergänge“ anregen. Zusammen mit Historiker Gerhard Haun, der hier wohnt und in seinem Stadtteil wirklich jeden Stein zu kennen scheint, geht es auf Wanderschaft.
Die Schlosswiese war früher ein großer Teich
Der erste Weg zum Serien-Auftakt führt von der Schlossmühle zur dicken Eiche, von Nevigesern auch „Gerichtseiche“ genannt. Aber zunächst eilt Gerhard Haun schnellen Schrittes auf die große Wiese vor dem Schloss. „Hier war früher alles Wasser, daran kann ich mich noch erinnern. Nach dem Krieg wurde das zugeschüttet. Und da drüben, das ist die Oberste Mühle, auch Schlossmühle oder Hardenberger Mühle genannt.“
Es gab einst zwei Mühlen in Neviges
Das Gebäude, wie es in dieser Form an der Bernsaustraße steht, wurde 1842 erbaut. Eine Mühle, besser gesagt sogar zwei, gab es aber schon viel früher: „Bereits 1697 ist in Quellen von einer Zwangsmühle die Rede, die Bauern mussten ihr Korn hier mahlen lassen.“
Herren von Hardenberg verlangten 500 Taler im Jahr
Betrieben wurde die Zwangsmühle von einem angestellten Müller, Verpächter waren die Herren von Hardenberg. Und die ließen sich ihre Mühle ordentlich was kosten: Die Pacht betrug 500 Taler jährlich, „eine immens hohe Summe“, wie Gerhard Haun anmerkt.
Torturm und Fachwerkhaus wurden abgerissen
Im Jahr 1769 entstand der Vorgänger des Mühlenhauses, ein Fachwerkhaus, dessen Steine später beim Abriss zum Bau des neuen Gebäudes benutzt wurden. „Es gab auch einen recht großen Torturm, der wurde ebenfalls abgerissen, auch die Steine hat man genommen.“ Die neue Mühle war mit zwei Wasserrädern ausgestattet, Mühlenpächter sind bis ins Jahr 1874 nachgewiesen. Nicht von dieser Stelle aus zu sehen ist die Untere Mühle in Richtung Kuhlendahler Straße. „Sie wurde ebenfalls 1697 in Quellen erwähnt, existiert hat sie wahrscheinlich seit 1596.“
„Die Gerichtseiche ist vielmehr eine Friedenseiche“
Von der Obersten Mühle geht es über die Bahnbrücke oben auf den Waldweg. Einmal links herum, schon sieht man auf der rechten Seite einen mächtigen Baumstumpf: Traurige Reste der so genannten „Gerichtseiche“. Dass Stadtförster Peter Tunecke den Baum im April 2013 wegen Pilzbefalls fällte, regte viele Bürger und auch Politiker auf. Der Stadtförster handelte damals schnell, da er den Baum als Gefahr einschätzte.
„Gericht wurde an dieser Stelle nie gesprochen“
Es stelle sich die Frage, so Haun, ob ein Dendrologe, also ein Baumspezialist, die Eiche nicht hätte retten können. Haun spricht übrigens lieber von einer Friedenseiche statt Gerichtseiche. Der Historiker ist sich sicher: „Hier ist nie Gericht gehalten worden.“ Das passe zeitlich nicht, da früheste Spuren einer Besiedlung im Niederbergischen erst in der letzten Hälfte des 8. Jahrhunderts gefunden wurden.
Experte könnte Alter des gefällten Baumes feststellen
Trotzdem handele es sich bei der Eiche um einen ganz besonderen Baum, das besage schon seine Alleinstellung. Und dass er oberhalb des Schlosses stand. Hauns Theorie: Entweder wurde der Baum als Friedenseiche 1813 bzw. 1815 gepflanzt, also nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht von Leipzig bzw. nach der Schlacht von Waterloo. „Oder man setzte die Eiche 1648 zum Westfälischen Frieden.“ Wie alt der Baum war, darüber könne ein Gutachten auch heute noch Auskunft geben. Selbst, wenn der Stumpf morsch sei: „Es bedarf einer Bohrung in den Kern, dann kann man die Jahresringe ablesen. Das kostet natürlich.“
<<<STUDIENDIREKTOR UND AUTOR
Gerhard Haun (80) lehrte als Studiendirektor am Geschwister-Scholl-Gymnasium die Fächer Deutsch und Geschichte. Studiert hat der engagierte Pädagoge außerdem Philosophie.
Haun verfasste viele Schriften zur Stadtgeschichte, ist Ehrenvorsitzender des Bergischen Geschichtsvereins und Mitglied des Schlossfördervereins.