Velbert-Mitte. . „Spielart“ fragte sich in seinem neuen Stück: „Und? Sind wir jetzt glücklich?“ Tiefgründige Texte und vielseitige musikalische Einlagen
Zeit haben, Geld besitzen, Liebe finden oder Erfolge verbuchen – die Vorstellungen von dem, was Glück bedeutet, gehen weit auseinander. Was im Leben tatsächlich glücklich macht und, was auf andere lediglich wirkt, als mache es glücklich, damit beschäftigte sich das Ensemble „Spielart“ in seinem neuen Theaterstück.
Ein schwieriges Thema
„Glück, das ist so ein schwieriges Thema“, leitet Regisseurin Ute Kranz vor der Aufführung ein: „Alle wollen es, alle jagen ihm hinterher“, sagt Kranz. Und steuern dabei oft geradewegs an dem vorbei, was sie tatsächlich erfüllen würde.
Die Texte haben die jungen Schauspieler selbst geschrieben
Das Stück „Und? Sind wir jetzt glücklich?“ feierte am Samstagabend seine Uraufführung im Gebrauchtwarenhaus. Die Texte hat das junge Schauspielensemble selbst geschrieben. Und bildet mit diesen scheinbar auch die Gedanken vieler Besucher ab, die an manchen Stellen betreten schweigen, an anderen beherzt applaudieren.
Eine „bescheuerte“ Skala
Denn die Texte regen zum Nachdenken an, und das ganz bewusst, gesteuert von den Schauspielern: „Auf einer Skala von eins bis zehn“, fragt Nora (Melissa Quiter), eine der Figuren, einen Zuschauer. „Wie bequem sitzen Sie und wie glücklich sind Sie?“ Unverzüglich antwortet der Besucher: „Zehn und zehn!“ Kopfschütteln, Unverständnis. „Und Sie fragen sich überhaupt nicht, was das für eine bescheuerte Skala ist?“ Denn Glück, das lasse sich nicht bemessen, zumindest nicht an Zahlen.
Über die Zeit
Zeit hingegen, das ist eine messbare Einheit. Eine Ressource, die vielen zu knapp erscheint. Die Zeit (Mahmoud Alfayad) sitzt den jungen Menschen ständig im Nacken. „Die Zeit ist ein mieser kleiner Dieb.“ Das spürt auch die Figur Lia (Miriam Spätling), die mit ihrem Einser-Abi doch eigentlich die besten Voraussetzungen für ein Leben voller Glück hat. Doch das Medizin-Studium macht sie nicht glücklich, es setzt sie unter Druck.
Den eigenen Weg nicht blockieren
„Wenn du für alles Zeit hättest, was würdest du dann machen?“, will ein Freund wissen. „Dann würde ich Schreinerin werden.“ Und obwohl das Glück dank dieser Erkenntnis nah zu sein scheint, müssen Vorurteile erst überwunden werden, um den eigenen Weg nicht zu blockieren. Die Gruppe setzt sich so kritisch mit Klischees auseinander. Hinterfragt, wieso jeder aus reicher Familie ein Jahr im Ausland verbringen muss, wieso Mädchen ihr Glück beim Shoppen suchen müssen.
Die Grenzen des Theaters verschwimmen
Die Verbindung aus theatralen Momenten, musikalischen Einlagen, tänzerischen Darbietungen und vielen weiteren Elementen spiegelt in seiner unübersichtlichen Vielzahl die wirren Gedanken über das Glück wider. Pfeifen auf Flaschenhälsen, Beatbox-Einlagen, Sprechgesänge und das Nutzen von Alltagsgegenständen wie Besen, Regenschirme oder Lampen als Instrumente lassen die Grenzen des Theaters verschwimmen, und damit auch die Grenzen des Glücks.
Stehende Ovationen
Denn nach fast drei Stunden ist dieser Zustand noch immer nicht eingegrenzt. Aber vielleicht, so könnte die Botschaft lauten, ist das auch nicht möglich: Denn das Glück ist „das schelmische Kind“, wie die Darsteller singen. Jeder muss es für sich selbst definieren. Und überhaupt, muss man immer glücklich sein? Doch sichtbar wurde Glück am Samstagabend: Als sich die Schauspieler verneigten, brach das Publikum in tosenden Applaus aus und bedankte sich mit stehenden Ovationen.