Langenberg. . Der Kabarettist Jürgen Becker über Sex, Stress und Samenstau – und den langen Weg des simplen Einzellers zum komplexen Fortpflanzungsgeschöpf.

Bewaffnet mit Laser-Pointer und seinem typischen Lausbuben-Charme führt Jürgen Becker das Publikum durch eine Galerie von Gemälden berühmter Maler – von Manet bis Hopper und Pop-Artist Mel Ramos, von historischen und aktuellen Abbildungen sexy-gruseliger Wahlplakate aus der bundesdeutschen Geschichte bis zu antiken Wandfresken mit Kopulationsverrenkungen und dem Portrait des marokkanischen Königs, dem über 300 gezeugte Kinder nachgesagt wurden.

Querverweise aus zahlreichen Fachgebieten

Bild auf Bild, Fakt auf Fakt referiert Jürgen Becker über seine kuriose Recherche, hintergründige Forschung und heimliche Beobachtung zu Fortpflanzung, Sex und wie es dazu kommen konnte. Und so zahlreich sind dabei seine wissenschaftlichen Querverweise aus Biologie, Zoologie, Theologie, Psychologie, Mythologie und Statistik, dass es dem Zuhörer schwindelig werden könnte bei so viel Wissen und Sachverstand.

Fast wie eine Uni-Vorlesung

Es war zwar keine kunstgeschichtliche Vorlesung an der Uni, hätte aber durchaus eine sein können. Und es war auch kein übliches Kabarettprogramm mit politischen Abrechnungen, die den an der Politik verzweifelten Zuhörer durch Lachen zu besänftigen sucht. Trotzdem haben die Parteien auch ihr Fett abgekriegt.

Das rappelvoll besetzte Bürgerhaus jedenfalls hing an seinen Lippen, die sich in freundlich-rheinländischer Art bewegten und all die unartigen Worte sagen durften – wie etwa Penis oder AfD. So oder so ähnlich funktioniert Beckers Humor. Er legt eine falsche Fährte und macht skurrile Vergleiche, in denen etwa Joschka Fischer in sexueller Attraktivität eine männliche Blattlaus aussticht, obwohl beide gemeinsam als grün, lästig und unattraktiv zu beschreiben seien.

Autogramme schreiben in der Pause

Bis zur Pause verfliegt damit die erste Vortragsstunde. Im Foyer verkauft und signiert Jürgen Becker sein Buch, dem dieses Programm zu Grunde liegt. „Alle Witze“, so der Autor zwischendrin lapidar, „kann man im Buch nachlesen“. Die Frage „Zu dir oder zu mir?“, so der Titel des Werkes, stellt sich im Bürgerhaus gar nicht, denn er ist ja schon da. Also wollten die meist silberlockigen Zuhörer in der zweiten Hälfte noch mehr zum Mysterium der Fortpflanzung von ihm hören. Seine lustvoll lustigen Einfälle erlebt das Publikum doch lieber von ihm selbst. Denn seine kunstvoll gesetzten Pointen könnten die Meisten sich selber so gar nicht vorlesen. Und beim Lesen tappt man auch nicht so schön in seine Gedankenfallen.

Augenzwinkernde Menschenfreundlichkeit

Vielleicht lag der Publikumsandrang an der Faszination des tabubesetzten Themas, vielleicht aber auch an Becker selbst, der es schaffte, dass sich niemand im Publikum bei etwas Schlimmem ertappt fühlen musste oder sich beim lachenden Sturz auf dem witzigen Glatteis seines Humors wehtun konnte. Eigentlich ist es wurscht, ob er über Pornografie oder Krankheitserreger-Abwehr spricht, es ist eher die Art und Weise, mit wie viel augenzwinkernder Menschenfreundlichkeit und liebevollem Verständnis Becker seine Zuhörerschaft mit einem spöttischen und einem wissenden Auge von der Dunkelheit der Ahnungslosigkeit ins Licht der Tatsachen geleitet.

<<< DAS BUCH ZUM PROGRAMM

Die Printgrundlage zu Jürgen Beckers „Volksbegehren“ ist seit April 2016 erhältlich.

„Zu mir oder zu dir? Das Mysterium der Fortpflanzung“ von Jürgen Becker, Dietmar Jacobs & Martin Stankowski ist als Taschenbuch bei Kiepenheuer & Witsch erhältlich (ISBN: 3462049003, EAN: 978-3462049008).