Hilden. . Weil es in dem Segment keine Serienfahrzeuge gibt, hat Roland Schüren mit Partnern ein Konzept entwickelt. Ab 2018 rollt der Transporter.

„Wir haben den ersten Elektro-3,5-Tonner Europas entworfen.“ Der Mann, der das sagt, ist nicht etwa Autobauer – sondern Bäcker. Roland Schüren betreibt derzeit 18 Filialen zwischen Düsseldorf und Solingen und hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Gemeinsam mit anderen kleinen und mittelgroßen Unternehmen aus ganz Europa hat er das BV 1 – das steht für Bakery Vehicle 1 – entwickeln lassen. Der Prototyp ist fertig und wird getestet, ab 2018 soll der 3,5-Tonner zur Verfügung stehen.

Jetzt schon Erdgas – oder Strom

„Ich finde, das Denken hört nicht beim Produkt auf“, erläutert der zertifizierte Biobäcker sein Engagement. „Wir wollen so wenig Auswirkungen auf die Umwelt wie möglich – auch bei der Auslieferung.“ Seine Filialen müssen mehrfach täglich beliefert werden. Schüren setzt dabei jetzt schon auf eine Fahrzeug-Flotte, die entweder mit Erdgas oder mit Strom angetrieben wird.

Umrüsten kostet bis zu 120 000 Euro

Am liebsten würde er aber ganz auf E-Antrieb umsteigen, doch da gibt es ein großes Problem: „Im Segment der 3,5-Tonner gibt es einfach nichts“, sagt Schüren. Und die Umrüstung von Dieselfahrzeugen sei einfach zu teuer. „Das kostet zwischen 90 000 und 120 000 Euro, weil die Fahrzeuge in Handarbeit umgerüstet werden müssen.“ Dann gab es auch noch einen Anruf aus Stuttgart: Ein Kollege berichtete vom drohenden Fahrverbot für Diesel und dass er seine Flotte umrüsten wolle. „Das war dann der Knackpunkt“, erzählt Schüren, „und ich habe Anfang Januar bei Facebook eine ,E-Transporter Selbsthilfegruppe’ ins Leben gerufen.“ Innerhalb kürzester Zeit hatten sich Dutzende Unternehmen angeschlossen, im Februar lud der Hildener Bäcker zum Workshop in seine Backstube ein.

Testfahrt unter realen Bedingungen

„Die Resonanz war gut, es waren 30 Kollegen da – auch aus den Niederlanden, aus Nord-Italien und Österreich.“ Gemeinsam konfigurierten die Geschäftsleute ein Fahrzeug und erstellten mit einem Technikpartner ein so genanntes Lastenheft. „Das haben wir an 51 Hersteller und Umrüster geschickt und um Angebote gebeten.“ Während Schüren auf Antworten wartete, „haben wir schon einmal Testfahrten unternommen“, berichtet er. Herhalten mussten Fahrzeuge mit ähnlicher oder gleicher Technik, die auf eine 127 Kilometer lange Route geschickt wurden – unter realen Bedingungen: „Mit Ladung, mit Verkehr“, sagt Schüren. „So bekamen wir tatsächliche Verbrauchswerte und Reichweiten der Batteriegrößen.“

Prototyp des BV1 ist fertig

Mittlerweile ist der Prototyp fertig. Den Zuschlag für das BV1 erhielten zwei Firmen aus Deutschland: Streetscooter aus Aachen sorgt für die Technik, der Fahrzeugbauer TBZ aus Bretten bei Karlsruhe liefert das Niederflurfahrgestell in Leichtbauweise.

Eine Überraschung gab es bei der Vorstellung des Transporters: „Durch die Leichtbauweise haben wir sogar einen Vorteil bei der Nutzlast gegenüber herkömmlichen Transportern“, freut sich Roland Schüren. Denn trotz Batterie kann das BV 1 150 bis 180 Kilogramm mehr zuladen, als ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.

Bäcker Peter bestellt gleich vier Wagen

Ein Fakt, der auch den Essener Bäcker Peter überzeugte: Der hat nach Angaben von Roland Schüren gleich vier Transporter bestellt. „Weil er so auf kleinere Lkw verzichten kann.“ Denn in den 3,5-Tonner BV 1 bekommt er offenbar die gleiche Menge an Waren wie in die bislang genutzten 5,5-Tonner. „Die Laderampen an den Lkw sind zum Beispiel ziemlich schwer“, erläutert Schüren. Und für Bäcker Peter ergeben sich durch den E-Transporter weitere Vorteile: „Es stehen mehr Fahrer zur Verfügung, weil für den 3,5-Tonner kein Lkw-Führerschein benötigt wird.“ Außerdem muss der Wagen nur alle zwei Jahre zum TÜV und braucht keinen Fahrtenschreiber. Und dann wäre da noch das drohende Dieselfahrverbot.

Größter öffentlicher Ladeplatz Deutschlands

Und wo bekommt das BV 1 seinen Strom her? Zumindest bei Roland Schüren direkt vor der Haustür in Hilden. Mit 21 Ladeplätzen betreibt er derzeit den größten öffentlichen Ladeplatz Deutschlands. „Aber ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand diesen Titel abjagt“, sagt er. „Kopieren ist ausdrücklich erwünscht.“