Neviges. 80 Tipps von Zuschauern gingen bei der Sendung „Aktenteichen XY“ für zwei Frauenmorde ein. Ein Opfer wurde 1979 zerstückelt in Velbert gefunden.
„Darf man einen Menschen als Bestie bezeichnen?“, fragt Rudi Cerne am Mittwochabend in die Kamera. Es ist kurz vor halb neun und der Moderator der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ leitet einen neuen Fall ein. Seit 1967 läuft die Reihe zur besten Sendezeit, stellt grausige Verbrechen filmisch nach und versucht so, der Polizei bei den Ermittlungen zu helfen.
Schon mit dem ersten Einspieler stehen Velbert und Umgebung für einige Minuten im Mittelpunkt der deutschen Fernsehlandschaft: Es geht um den Fall Regina Neudorf. Die damals 17-Jährige wurde 1979 brutal ermordet, zerstückelt und in einem unübersichtlichen Teil der Elfringhauser Schweiz abgelegt. Der Film läuft, die bekannten Details werden an die Öffentlichkeit gebracht: Disco, Heimweg, Mord.
Dann aber nimmt die Sendung eine neue Wendung. Details, die der Öffentlichkeit bis zum gestrigen Abend noch vorenthalten wurden, finden ihren Weg ans Licht: Es sei wahrscheinlich, dass der Täter aus der Umgebung von Velbert stamme, heißt es etwa. Er habe Neudorf vermutlich an einem Ort – möglicherweise sogar bei ihm Zuhause – umgebracht, wo er die Leiche nicht mehr loswerden konnte; deswegen das Deponieren in der abgelegenen Natur. Auch neue Ermittlungsmethoden und deren Ergebnisse werden vorgestellt. Zwar war bereits vor der Sendung bekannt, dass der Täter Schlacht-Erfahrung gehabt haben muss; wie die Ermittler zu diesem Schluss kamen, wird allerdings erst in der Sendung offengelegt.
Studentin stieg in Sportwagen
An Neudorfs Leichenteilen wurde Sägemehl mit Rinder- und Schweineblut gefunden. Und noch etwas fällt den Ermittlern im Laufe der Zeit auf: Bei einem DNA-Abgleich landen die Beamten einen Treffer und können die gleiche Täter-DNA wie bei einem Mordfall im Kölner Raum feststellen. Dort war im August 1984 die 20-jährige Psychologiestudentin Ulrike Hingkeldey aus Bonn tot an der Landstraße 192 zwischen Wesseling und Bornheim aufgefunden worden. Der wichtigste Zeuge in diesem Fall ist ein junger Engländer, der die Studentin kurz vor ihrem Verschwinden gesehen hat. Sie sei in einen roten, orangefarbenen oder rot-braunen Sportwagen mit Wuppertaler Kennzeichen gestiegen.
Gute Hinweise, aber noch keine heiße Spur
Am Ende der Sendung gibt es ungefähr 30 Hinweise zum Fall Neudorf. Die meisten sind eher oberflächlich, einer aber erscheint den Ermittlern im Studio als besonders wichtig: Ein Anrufer berichtet von einem Mann, der dem veröffentlichten Phantombild sehr ähnlich sehe und zu fraglicher Zeit einen Sportwagen gefahren haben soll. Der Anrufer beschreibt ihn als „äußerst brutal und skrupellos“.
Ulrich Löhe von der Kreispolizeibehörde Mettmann bremst die neue Euphorie aber etwas: „Dass es diesen Hinweis tatsächlich gegeben hat, kann ich gerade weder bestätigen noch dementieren – einfach, weil ich ihn weder von der Polizei Düsseldorf noch der Polizei Bonn bestätigt bekommen habe.“ Trotzdem ist man bei der Polizei zuversichtlich: Etwa 50 Hinweise seien noch in der Nacht eingetroffen, sodass man aktuell über etwa 80 Tipps verfüge. Zwar gebe es noch keine heiße Spur, in der Gesamtheit böten die Hinweise aber Grundlage und gute Ansätze für neue Ermittlungen in beiden Mordkommissionen in Düsseldorf und Bonn. Die Polizei bleibt am Ball, so Ulrich Löhe. „Wir geben den Leuten noch ein bisschen mehr Zeit zum nachdenken.“