Neviges. . Seit 60 Jahren sorgt das 1. Fanfarencorps Neviges 1957 für gute Stimmung bei Schützenfesten und mehr. Dabei wird das Ensemble immer jünger.

Nachwuchsprobleme? Ist kein Thema. Überalterung? Der musikalischer Leiter ist 20 Jahre alt, trägt Jeans mit modischen Löchern und gibt gerade dermaßen Gas, dass die Wände des Antonius-Pfarrheims in Tönisheide wackeln. Das 1. Fanfarencorps Neviges 1957 wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. Kein bisschen leise, mit frechen Tönen und jungen Gesichtern feiert das traditionsreiche Orchester Geburtstag. Die Proben laufen auf Hochtouren, in gut einer Woche, am 1. Mai, steht der erste Auftritt im Jubiläumsjahr an: das Frühlingskonzert im Parkhaus Seidl.

Gute Puste ist wichtig für einen Trompetenspieler wie Lothar Häger.
Gute Puste ist wichtig für einen Trompetenspieler wie Lothar Häger. © Uwe Möller

Einen 1. Mai ohne Trommelwirbel und Fanfarenklänge, ohne Tschinderassabum, nein, das kann und will Lothar Häger sich nicht vorstellen. Und auch keine Hubertusmesse, keine Himmelfahrts-Prozession, keinen Martinsumzug. Seit 57 Jahren ist der 72-Jährige dabei, und auch, wenn er eine Trompete natürlich nicht mehr liebt als seine Frau: „Ich hab bei der Hochzeit gesagt: Solltest du je auf die Idee kommen, mir das zu verbieten, dann geh ich zum Anwalt.“

Die Ehe geriet zum Glück nie in Gefahr, dafür spielte das Fanfarencorps anderweitig Schicksal: „Ich habe hier meine große Liebe gefunden“, so erzählt Heike Röser.

Zugang auch für Frauen

Der junge musikalische  Leiter Jan-Philipp Stolz  hat genau so viel Spaß bei den Proben wie das Ensemble.
Der junge musikalische Leiter Jan-Philipp Stolz hat genau so viel Spaß bei den Proben wie das Ensemble. © Uwe Möller

Als sich das Orchester vor fünf Jahren entschloss, auch Frauen aufzunehmen, gab es für sie kein Halten mehr: „Ich bin schon als Kind beim Altstadtfest immer hinter denen hergelaufen, ich fand die Musik einfach toll.“ Dass sie kein Instrument beherrschte, war dabei kein Hinderungsgrund, hier bekommt jeder auf Wunsch eine kostenlose Grundausbildung. Die hat Trompetenlehrer Andreas Fischer in diesem Fall besonders ernst genommen: Die beiden wurden ein Paar, er ist zudem 1. Vorsitzender, sie zweite Vorsitzende.

Die Bilanz ist prima im Jubiläumsjahr. Während viele andere Vereine und Chöre händeringend Verstärkung suchen, kann sich Geschäftsführer Heinz Josef Pröpper den Satz leisten: „Im Moment haben wir keine Nachwuchsprobleme. Aber wir freuen uns natürlich nach wie vor über jeden.“

Instrumemente werden zur Verfügung gestellt

Der offizielle Festakt zum
60-jährigen Bestehen ist am
22. September in der Glocke.

Geprobt wird jeden Dienstag ab 18.30 Uhr im Pfarrheim St. Antonius in Tönisheide.

Die Mitgliedschaft kostet 20 Euro im Jahr. Die Instrumente werden kostenlos zur Verfügung gestellt, auch der Unterricht ist kostenlos. Info: Andreas Fischer, 0172/617 756 3.

Von den 23 Musikern sind acht Frauen, gespielt werden Blechblasinstrumente wie Trompeten, Melophone und natürlich Fanfaren, dazu kommen Trommeln und Schellen. So bunt das Ensemble, so groß das Repertoire. „Märsche, Seemannslieder, Choräle. Von der Herz-Schmerz-Polka bis Schlager, wir machen alles“, bringt es Alfredo Fischer auf den Punkt.

Und Jan-Philipp Stolz, der junge musikalische Leiter, macht alles mit. Gibt Tipps, wie man das beste aus der Landsknechttrommel herausholt, dreht richtig auf, als der Hit „Moskau“ durchs Pfarrheim dröhnt. Auch Kinder sind von der Wucht dieser Instrumente fasziniert. „Ich war in der Kirche, da habe ich das gesehen“, sagt Daniel Johann (10) schüchtern. „Auf der Hubertusmesse“, ergänzt Vater Franz Hurek. Daniel Johann ließ nicht locker, am 1. Mai hat er seinen ersten Auftritt. Die Verjüngungskur des Fanfarencorps hält also weiter an.