Langenberg. . Viel bekam die Theaterwerkstatt im Alldiekunsthaus für ihre Aufführung „Iphigenie auf Tauris.“ Inszeniert hatte das Stück ein Jurist.
- Tosenden Applaus bekam die Theaterwerkstatt Aldiekunst für den Klassiker „Iphigenie auf Tauris“
- Ein Rechtswissenschaftler hatte das Stück mit viel Dynamik und Tanzeinlagen inszeniert
- Die Männergesellschaft wird in entlarvt. Es siegt die Menschlichkeit über das politische Kalkül
Das Land der Griechen mit der Seele suchend - wem ist es heute noch vergönnt, seine Seele in diese sibyllinische Gefilde wandern zu lassen? Johannes M.H.Demmer hat es gewagt und hat sich dem Iphigenie-Stoff zugewandt. Er schuf ein großartiges Theaterstück, mit dem die Theaterwerkstatt Alldiekunst das Publikum begeisterte.
Das Stück spannt einen Bogen von Euripides über Goethe und Hauptmann bis in heutige Problematik. Eine Männergesellschaft – ein Gott, ein Priester, ein König, ein Geliebter, ein Feldherr. Alle werden sie sich einig: Krieg vor Gefühl, Pflicht vor Neigung, Politik vor Humanität. Das Opfer ist Iphigenie, die hingeschlachtet werden soll wie ein Tier auf dem Altar. Das Kriegsglück verlangt es so.
Die Männergesellschaft wird entlarvt
Gott hat den Mord verboten und jetzt hat Gott den Mord verlangt – aus diesem Konflikt gelangen sie zu der Überzeugung: Mord. Iphigeniens Aufruf: Handeln wie ein Mensch, verhallt. Doch die Männergesellschaft wird entlarvt: Gott wollte den Mord nicht (durch den Sterbewillen von Iphigenie - so die individuelle Deutung des Mythos durch Demmer).
Martina Mann, Leiterin der Alldie-Theaterwerkstatt, hat eine Truppe von jungen, fähigen Schauspielern ausgewählt, die überzeugend die Rollen vertraten: Iphigenie (Katrin Mattila), Agamemnon (Müydat Yüksel), Achill (Paul Behrens), Odysseus (Jan Philip Keller), Kalchas (Michael Zier). Vier Darstellerinnen verkörperten eine Art „Chor“, der das Geschehen kommentiert und vorantreibt. Alles eher statuarisch, trotzdem mit geballter Expressivität, wozu auch die Kostüme und Masken beitrugen. Vor allem der Tanz (Antonia Newi und Tyshea Suggs) dynamisierte die Szenerie. Die großen Auseinandersetzungen der Protagonisten – das Für und Wider, Vorwärts und Resignation, Täter und Opfer - das wurde tänzerisch- pantomimisch durchdrungen. Variable Flötenmusik (Heike Zehe) der einfühlsamsten Art vollendete das Gesamtkunstwerk.
Das Stück brachte Publikum zum nachdenken
Die Reaktion des Publikums reichte von Betroffenheit bis Begeisterung. Richard Geisen aus Dortmund befand, dass Grundsatzfragen angesprochen wurden, die zur Reflexion über die eigene Entscheidungsfreiheit anregen. Er lobte die sprachliche Stringenz, die die bedeutsamen Aussagen des Stücks gut transferiert. Rita Hüttenbrink aus Münster war besonders von den tänzerischen Darstellungen überzeugt. Inhaltlich meint sie: „Das Stück ließ mich nachdenken über die Möglichkeiten eines Menschen zur Selbstbestimmung“.
Rechtswissenschaftler lehrte einst in Münster
>>Johannes Demmer stammt aus Neviges. Der Rechtswissenschaftler hatte eine Rechtsanwaltskanzlei und war Professor für Jugend- und Sozialrecht an der Kath. Hochschule Münster.
Auch vor seinen Studenten hat er oft die Antigone von Sophokles zitiert, um zu zeigen, welche Faszination in einer solchen Figur stecken kann