Velbert. . Das Nikolaus-Ehlen-Gymnasium stellt auf Dalton-Pädagogik um. Dabei bestimmen die Jugendlichen zum Teil selbst, was, wann und wo sie lernen

  • Freiarbeit statt Frontalunterricht heißt es künftig am Velberter Nikolaus-Ehlen-Gymansium
  • Ein Drittel der Unterrichtszeit wird in sogenannte Dalton-Stunden umgewandelt
  • Die Lehrer machen dann keinen Unterricht, sondern sie sind Ansprechpartner im Klassenraum

Freiarbeit statt Frontalunterricht: Die Schüler am Nikolaus-Ehlen-Gymnasium lernen in Zukunft ganz anders, nämlich nach dem Dalton-Prinzip. Im kommenden Schuljahr geht es mit den Klassen 5 bis 9 los, ein Jahr später kommt die gesamte Oberstufe dazu. Schulleiter Michael Anger und Lehrerin Stephanie Schlaak erklären, was dahinter steckt.

Wieso wollen sie das pädagogische Konzept ihrer Schule umstellen?

Anger: Wir haben uns, als ich im Februar 2015 als Schulleiter angefangen habe, zusammengesetzt und überlegt: „Was braucht die Schule?“ Also was ist bereits da und an welcher Stelle haben wir blinde Flecken. Direkt war eigentlich klar, dass wir im Bereich „Individuelles Lernen“ ziemlich blank waren. Wir sind dann auf das Dalton-Konzept gestoßen und haben eine Schulentwicklungsgruppe gegründet und viele Dalton-Schulen besucht, um für uns ein passendes, eigenes Konzept zu entwickeln.

Und wie wird das aussehen?

Anger: Der normale Unterricht fällt natürlich nicht komplett weg. Ein Drittel der Unterrichtszeit wird umgewandelt in sogenannte Dalton-Stunden. Die ersten beiden Schulstunden à 45 Minuten sind Regelunterricht, im Idealfall eine 90-minütige Doppelstunde, dann folgt eine 45-minütige Dalton-Stunde. Dann nochmal zwei „normale“ Schulstunden und wieder ein Dalton-Stunde. Einerseits geht es darum, das Interesse der Schüler abzurufen, die können selber steuern, was sie tagesaktuell eigentlich wollen. Diese Bedienhaltung, ich gehe in den Unterricht, lasse mich beschallen, davon wollen wir weg.

Auch die Lehrer müssen sich an die neuen Lernformen gewöhnen
Auch die Lehrer müssen sich an die neuen Lernformen gewöhnen © Alexandra Roth

Was passiert denn in den Dalton-Stunden?

Anger: Es gibt beim Dalton-Konzept den Leitspruch „Gebundenheit in Freiheit“. Das ist also keine Freiarbeit, sondern eine Pädagogik, die zur Selbstständigkeit erzieht. Der Schüler kann in der Dalton-Stunde wählen, welches Fach, welchen Lehrer und welchen Raum er anwählt. Aber für das Fach, für das er sich dann entscheidet, gibt es einen Lernplan, der 5 Wochen umfasst, mit Aufgaben, die der Schüler in der Dalton-Stunde bearbeiten muss. In den Dalton-Stunden sollen nicht Arbeitsblätter abgearbeitet, sondern kreative Transferaufgaben gelöst werden, beispielsweise ein Gedicht schreiben.

Also nie mehr Mathematik, wenn ich das nicht mag?

Anger: Dafür gibt es den Dalton-Plan, eine Art Kalender. Der Schüler muss selbstständig am Ende der Woche entscheiden, wie seine nächste Woche aussehen soll. Also welche Fächer er an welchem Tag in den Dalton-Stunden machen möchte, aber orientiert am Lernplan. Die Schüler wissen, dass es eine Deadline gibt, bis zu der sie die Aufgaben beispielsweise für Mathematik erledigt haben müssen. Ich bin also nicht komplett frei und kann sagen, Mathe mach ich nie, weil das liegt mir nicht.

Wie stehen die Schüler zu der Umstellung?

Anger: Die Schüler sind sehr sehr positiv eingestellt. Die Idee „ich hab das mal selber in der Hand“ und die Möglichkeit einen Lehrer wählen zu können, ist so spannend für die Schüler, das motiviert sie, das Modell anzunehmen.

Welche Rolle spielen die Lehrer in diesem Konzept?

Anger: Die Lehrer machen in der Dalton-Stunde natürlich keinen Unterricht, sondern sie sind als Ansprechpartner im Raum und helfen den Schülern bei Bedarf. Das ist wirklich eine Abkehr von der alten, der klassischen Lehrerrolle. Der Lehrer muss sich aktiv zurückhalten, aber zugewandt und empathisch sein. Und vielleicht auch mal Hilfestellung leisten, bei einem Fach, das er eigentlich nicht unterrichtet.

Schlaak: Kern ist, dass man nicht die Lösung vorgibt, sondern Denkanstöße gibt. Selbstständigkeit ist so ein hohes Gut. Wenn ich weiß, ich kann die Schüler irgendwann ins Leben entlassen, und die kommen mit ihren Aufgaben klar und haben dafür das Handwerkszeug – ich würde sagen, mehr kann eine Schule fast nicht leisten. Gerade in Zeiten des Internets ist der selbstständige Umgang mit Wissen etwas ganz Großes.