Velbert. . Henri Schmidt schrieb ein Buch über die Ruhrbesetzung im Niederbergischen. Es ist eine Geschichte von Not und Elend, aber auch von Gewalt

Es ist noch nicht einmal hundert Jahre her, da plünderten wütende Velberter die Geschäfte und wollten vor dem Rathaus zwei Polizisten lynchen. Es war die Zeit der Ruhrbesetzung durch die Franzosen und die Menschen litten Not. „Velbert in französischer Hand“ hat Henri Schmidt sein Buch betitelt, das er der Zeit von 1923 bis 1925 gewidmet hat.

Wuppertal war Ausland

Das Ausland begann damals in Tönisheide am Keffhäuschen, bis dort regierten die Franzosen, während Wuppertal frei war. Als Deutschland nach dem ersten Weltkrieg keine Reparationen mehr zahlte, besetzten die Franzosen das wirtschaftsstarke Ruhrgebiet. Diese Zeit war in Velbert so gut wie nicht erforscht. Henri Schmidt, ehemaliger Leiter der Velberter Polizeiwache, hat bereits drei historische Bücher geschrieben, die sich vor allem mit Polizei und Sicherheit befassen. Dabei entdeckte er die Lücke in der Geschichtsschreibung. Zwei Jahre lang arbeitete sich der heute 78-Jährige vor allem im Stadtarchiv durch Bände der Velberter Zeitung und Akten der Verwaltung. Im Buch schildert er nun die konkreten Auswirkungen der Besetzung auf den Alltag der Bürger. In zahlreichen Velberter Häusern waren französische Offiziere einquartiert, die Zeitungen wurden zensiert, Feste wurden verboten.

Fast alle Männer waren arbeitslos

Die Velbert Industrie musste hohe Zölle für die Lieferung ins deutsche „Ausland“ zahlen, war bald nicht mehr konkurrenzfähig. Fast alle Männer wurden arbeitslos. Zugleich stieg die Inflation ins unermessliche. Die Not wurde immer größer, es kam zu Plünderungen von Geschäften und Hungerdemonstrationen. Die Velberter erhielten Brot, das die Sowjetunion gespendet hatte. All das schildert Henri Schmidt anschaulich. Das Buch ist illustriert mit zahlreichen Fotos, die Velbert in den 20-er Jahren zeigen.

„Die Ereignisse beweisen auch hier, dass Not und Elend zu Gewalt führen“, sagte Schmidt bei Vorstellung des Buches. Zeitzeugen von damals gibt es nicht mehr. Da war es Henri Schmidt umso wichtiger, das Geschehen, das sich vor nicht einmal einem Jahrhundert in der Stadt abspielte, den jetzt Lebenden ins Gedächtnis zu rufen.