Velbert. . Die Kommunalreform verband 1975 Langenberg, Neviges und Velbert zu einer neuen Stadt. Dabei hatten sich diese bis zuletzt dagegen gewehrt.
- Ursprünglich sollten sogar alle Gemeinden des Landes in Regionalkreise zusammengefasst werden
- Velbert war 1973 aus dem Schneider, doch für die Zukunft von Neviges und Langenberg wurde es eng
- 1975 wurden die drei Städte verbunden – eine Klage dagegen vor dem Verfassungsgericht scheiterte
Von Offenheit und Transparenz sollte das Verfahren geprägt sein, das in den 1960er-Jahren startete und mit dem die Politik leistungsstarke Städte für die Bürger in Nordrhein-Westfalen schaffen wollte. Doch schon bald mokierte sich die Presse über die damit verbundenen Dauerdebatten und Gutachtenschwemme. Dass am Ende alle Beteiligten einmal Nutzen von der Reform haben würden, schien schon bald mehr als unwahrscheinlich.
Die drastischste Lösung lag im Oktober 1968 auf dem Tisch des Innenministers in Düsseldorf. Ohne Rücksicht auf die Größe von Städten oder ihren Status sollten alle Gemeinden des Landes in zwölf oder 25 Regionalkreise zusammengefasst werden. Velbert, Neviges oder Langenberg als eigenständige Städte hatten in diesem Konzept keinen Platz mehr, selbst ein Kreis Mettmann mit annähernd 400 000 Einwohnern hatte aufgehört zu bestehen. Ob die Verwirklichung dieses Plans tatsächlich eine Verbesserung städtischer Leistungen gebracht hätte, wird man wohl nie erfahren. Zweifellos aber hätten sich unzählige Bürger heimatlos gefühlt. Dass diese Lösung zu radikal ausfallen würde, schien Ministerialbeamten und Politikern irgendwann zu dämmern, denn spätestens ab 1970 war der Plan vom Tisch.
Dass kleine Gemeinden mit 700 oder 1000 Einwohnern in den weiteren Überlegungen keine Zukunft mehr haben würden, wurde nach und nach immer mehr Kommunalpolitikern klar. Doch Städte wie Velbert mit weit über 50 000 Einwohner oder Langenberg und Neviges, deren Einwohnerzahlen um die 20 000 pendelten, spielten in den Vorstellungen ihrer kommunalen Vertreter in einer anderen Liga und schienen damit vor nachteiligen Veränderungen geschützt. Dass dies auch ein Trugschluss sein könnte, darauf machte die Kreisverwaltung in Mettmann frühzeitig aufmerksam. Freiwillige Gebietsänderungsverträge mit entsprechenden Grenzverschiebungen wurden von ihr als eine Möglichkeit gesehen, selbst Einfluss auf die Gestaltung der Zukunft nehmen zu können.
Regierungskommission unterwegs
Im Oktober 1972 reiste schließlich eine Regierungskommission unter der Leitung des Ministerialbeamten Paul Eising durch den Kreis. Besprochen wurden die gewonnenen Erkenntnisse am 25. Oktober in Wuppertal. Für Langenberg und Neviges wurde es zunehmend enger, wie die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung erkennen mussten. Willi Willebrand, Stadtdirektor in Neviges, ließ gleichwohl keinen Zweifel daran, dass Neviges selbstständig und ungeteilt bleiben müsse. Vehement wehrte er sich dagegen, in seiner Stadt zukünftig einen bloßen Vorort von Wuppertal oder Essen zu sehen.
Allein Velbert schien aus dem Schneider zu sein, nachdem im Dezember 1973 das Innenministerium einen Vorschlag zur Neugestaltung des Kreises veröffentlicht hatte, in dem die Stadt als eine von sieben Städten genannte wurde, aus denen sich der neue Kreis Mettmann einmal zusammensetzen sollte. Am 7. März 1974 beschloss der Nevigeser Rat vorsorglich einen Zusammenschluss mit Velbert und Langenberg, falls es für die Unabhängigkeit der Stadt doch nicht reichen sollte, und vier Tage später unterzeichneten die Spitzen aus Verwaltung und Politik der drei Städte einen entsprechenden Gebietsänderungsvertrag. Geregelt wurde darin der Zusammenschluss zu einer neuen Stadt, was Langenberg und Neviges aber nicht daran hinderte, weiterhin alle Hebel in Bewegung zu setzen, um doch noch unabhängig zu bleiben.
Sonderlich zu interessieren schien dies alles aber niemanden, wie der weitere Verlauf der Diskussionen in den darauffolgenden Wochen im Landtag deutlich machte. Der Entwurf des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Mönchengladbach/Düsseldorf/Wuppertal vom 19. März 1974 sah für Langenberg als eigenständige Stadt keine Chance. Dass Velbert weiterhin zum Kreis gehören sollte, begründete Willi Weyer am 4. April 1974 im Landtag allein damit, dass „nach den gegebenen räumlichen Verhältnissen eine andere Zuordnung von Velbert einfach nicht möglich“ sei. Das sah man in Velbert natürlich ganz anders. Zur allgemeinen Verblüffung der übrigen Beteiligten ließ Bürgermeister Heinz Schemken bei einer Anhörung am 2. Mai 1974 durchblicken, dass seine Stadt durchaus das Potential besitze, Leistung für 130 000 Einwohner zu erbringen. Von welchen Erkenntnissen Velberts ehemaliger Bürgermeister Franz Waider geleitete wurde, als er am 17. Mai gegenüber der Presse erklärte, „Auflösung des Kreises ist in 10 bis 15 Jahren nicht mehr zu umgehen“, war offenkundig. Wenn auch nur für kurze Zeit, plötzlich stand er wieder im Raum: Der alte Wunsch der Schloß- und Beschlägestadt, endlich kreisfrei zu sein.
Die Entscheidung – Landtag beschließt den Zusammenschluss
Unbeirrt von alledem erklärte Dr. Heinz Engelhardt, sozialdemokratischer Abgeordneter aus Wuppertal, am 10. Juni 1974 im Landtag: „Neviges will unter allen Umständen selbstständig bleiben...“ Um dann aber sogleich die Richtung zu weisen: „Aber auch dies kommt aus Nevigeser Mund: Wenn schon nicht selbstständig,...dann lieber nach Wuppertal als nach Velbert!“
Dass vor diesem Hintergrund die Presse nicht umhin kam, von einem „bühnenreifen“ Verlauf des Neugliederungsspektakels zu sprechen, dürfte kaum noch jemanden verwundert haben. Und ganz falsch lag wohl auch der Nevigeser Kommunalpolitiker Johannes Obermüller nicht, als er meinte, dass wohl nirgendwo so viel gelogen worden sei, wie im Zusammenhang mit der Kommunalreform.
Schließlich fiel am 10. Juli 1974 in dritter Lesung die Entscheidung im Landtag. Bestätigte wurde darin der Zusammenschluss von Langenberg, Neviges und Velbert zu einer neuen Stadt. In Kraft trat das Gesetz am 1. Januar 1975, doch Ruhe kehrte damit keineswegs ein. So votierte der ehemalige Rat der Stadt Neviges im Dezember 1975 dafür, beim nordrhein-westfälischen Verfassungsgericht gegen die Kommunalreform zu klagen, nachdem er sich im September zunächst gegen eine Klage ausgesprochen hatte. Und auch in Langenberg dachte man noch nicht an ein Ende. Am 20. Dezember 1975 brachte die ehemalige Stadt ihre Klage auf den Weg, während Neviges im April 1976 seine Klage überraschend zurückzog.
Am 25. Februar 1977 wies das Verfassungsgericht in Münster die Klage von Langenberg ab. Zumindest für Walter Grevener, dem Geschäftsführer des Prozessausschusses in Langenberg, stand jetzt fest: „Wir müssen uns zu positiv-konstruktiver Mitarbeit durchringen.“
Christoph Schotten ist Historiker und Stadtarchivar