Langenberg. . Diesen Besuch hatte er niemandem angekündigt: Nach einem Urlaub in Belgien kam Roi Nathan mit seiner Familie nach Langenberg, um den Platz aufzusuchen, der an seine Großeltern erinnern soll.
Er kam quasi „in cognito“, wollte bei einer Stippvisite in Langenberg familiäre Spurensuche betreiben. Dabei hätten ihn viele Langenberger sicherlich gerne willkommen geheißen. Und am Ende war es eigentlich nur ein Zufall, dass es überhaupt ein Bild davon gibt, wie Roi Nathan mit seiner Familie jenen Platz in der Senderstadt besuchte, der nach seinen Großeltern benannt wurde.
„Excuse me – could you please be so kind to take a picture of us in this place? Entschuldigung, wären Sie wohl so nett, uns hier auf dem Platz zu fotografieren?“ Mit diesen Worten hielt ein Mann dem Langenberg-Redakteur sein Handy hin, als dieser zufällig an dem Platz vorüberkam. Und dem erst viel später klar wurde, wen er da eigentlich eben fotografiert hatte. Da aber war die Familie schon wieder aus Langenberg verschwunden. Womit das Foto unwiederbringlich verloren schien – jedenfalls zunächst...
Foto schien bereits verloren
„Ja, ich habe dieses Foto“, erzählte Frank Overhoff, als er von der Geschichte erfuhr. Pflegt doch der Schulpfarrer des Gymnasiums Langenberg, als Buchautor ein ausgewiesener Kenner der Geschichte jüdischen Lebens in Langenberg, doch seit vielen Jahren zu Walter Nathan – Rois Vater, dem Sohn jener Eheleute Adolf und Betty Nathan, die dem Platz in Langenberg ihren Namen gaben.
„Ob es nur ein Zufall war, dass Roi und Familie den Herrn Wiegand getroffen haben, oder war es eine Fügung?“, fragte Walter Nathan, als er Overhoff jetzt das Foto schickte und vom Besuch seines Sohns in Langenberg berichtet. Auf der Rückreise aus Belgien, wo sie Urlaub verbracht hatte, machte die Familien einen Abstecher nach Langenberg.
Alte Futtertröge entdeckt
In seiner Mail an Pfarrer Overhoff konnte Walter Nathan auch etwas über die acht Futtertröge sagen, die jüngst bei Rodungsarbeiten am Nathan-Platz entdeckt wurden. Vier waren so marode, dass sie nur noch abgerissen werden konnten – die übrigen vier sollen als zeitgeschichtliche Zeugnisse erhalten werden.
„Ich erinnere mich, dass im unteren Teil unseres Hauses ein Kuhstall und ein Pferdestall war, beide waren verbunden durch einen kleinen Hof der bis zur Kuhstraße reichte. In beiden Ställen waren Futtertröge, die aus Beton eingemauert waren“, beschrieb Walter Nathan jetzt seine Erinnerungen an die Fundstücke.
Flucht nach England und Palästina
Adolf und Betty Nathan hatten zwei Söhne: Ernst (geb. 1916) und Walter (geb. 1920). Beide waren – wie auch ihr Vater – einmal Schüler des Langenberger Gymnasiums.Ernst Nathan arbeitete 1938 in der Schuhfabrik eines Verwandten in Opladen. Er fuhr zu seinen Eltern nach Langenberg, nachdem diese in der Pogromnacht krankenhausreif geschlagen worden waren. Anschließend fuhr er zu einer Verwandten nach Wesel, wo er von der Polizei verhaftet wurde. Man stellte ihn vor die Wahl: Inhaftiert werden (und u.U. deportiert) – oder Deutschland umgehend verlassen. Ernst emigrierte über die Niederlande nach Großbritannien emigriert.
Walter Nathan hat 1937 einer verwandten Familie bei deren Emigration nach Palästina geholfen. Er ist nach 14 Tagen nach Ablauf seines Touristenvisums nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt, sondern in Palästina geblieben, was ihm das Leben gerettet hat.